WissensTransferCamp 2025/Umgang mit Kultur im Wissenstransfer

Aus Copedia

Diese Session stellt das “Culture Pursuit”-Spiel vor, eine innovative Methode zur systematischen Erfassung impliziter kultureller Wissensinhalte im Wissenstransfer. Das spielerische Format mit sechs Kategorien (Zitate, Persönlichkeitskultur, Lebenskultur, Organisationskultur, Situationen und Arbeitskultur) ermöglicht es, kulturelle Aspekte besprechbar zu machen, die normalerweise schwer zu fassen sind. Das Spiel wird sowohl als Warm-up für Transfergespräche als auch zur gezielten Erweiterung von Wissenslandkarten eingesetzt.

Session Owner: Carola Krüger, Ingo Sell

Hauptthemen der Präsentation:

  1. Herausforderungen bei der Erfassung von Unternehmenskultur im Wissenstransfer
  2. Das Culture Pursuit-Spiel als methodischer Ansatz
  3. Die sechs Kategorien des Spiels und ihre Anwendung
  4. Praktische Umsetzung und Integration in Wissenstransferprozesse
  5. Zeitaufwand und Prozesseinbindung

Herausforderungen bei der Erfassung von Unternehmenskultur im Wissenstransfer

Die Erfassung kultureller Aspekte stellt eine besondere Herausforderung im Wissenstransfer dar. Während explizite Wissensinhalte wie Fachwissen, Projekte und Arbeitsorganisation relativ gut dokumentierbar sind, bleiben implizite Bereiche wie Führungswissen, persönliche Netzwerke und Unternehmenskultur oft unterrepräsentiert.

Die Referenten arbeiten mit halbstrukturierten Wissenslandkarten, in denen Unternehmenskultur als einer der Hauptpunkte definiert ist. Dabei werden Fragen gestellt wie: Kann man den Chef morgens vor zehn Uhr ansprechen? Wie ist der zwischenmenschliche Umgang? Diese Aspekte sind besonders relevant, wenn neue Mitarbeiter von außen ins Unternehmen kommen und die gewachsenen kulturellen Codes nicht kennen.

In der Diskussion wurde deutlich, dass die meisten Praktiker kulturelle Themen nicht direkt abfragen, sondern diese sich organisch aus anderen Gesprächsthemen entwickeln lassen. Oft kommen kulturelle Aspekte zur Sprache, wenn negative Erfahrungen geschildert werden - etwa wenn Führungskräfte nicht ansprechbar sind oder zwischenmenschliche Probleme bestehen.

  • Explizite Wissensbereiche: Projekte, Fachwissen, Arbeitsorganisation
  • Implizite Wissensbereiche: Führungswissen, persönliche Netzwerke, Unternehmenskultur
  • Besondere Relevanz bei externen Neueinstellungen
  • Kulturelle Codes sind oft unausgesprochen und schwer fassbar

Das Culture Pursuit-Spiel als methodischer Ansatz

Culture Pursuit basiert auf dem bekannten Trivial Pursuit-Prinzip und wurde speziell für den Wissenstransfer entwickelt. Das Spiel dient nicht dem Gewinnen, sondern nutzt die spielerische Dynamik, um schwer zugängliche kulturelle Themen besprechbar zu machen. Es kann sowohl analog mit einem Brettspiel als auch digital eingesetzt werden.

Das Spiel wird an verschiedenen Stellen im Wissenstransferprozess eingesetzt. Zum einen nach der Erstellung der Wissenslandkarte, um kulturelle Lücken zu füllen. Zum anderen als Warm-up zu Beginn von Transfergesprächen, um eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und die Teilnehmer auf einer anderen Ebene ins Gespräch zu bringen.

Der spielerische Ansatz ermöglicht es, Themen anzusprechen, die normalerweise nicht zur Sprache kommen würden. Durch das Würfeln und Ziehen von Karten entsteht eine ungezwungene Situation, in der sowohl Wissensgeber als auch Wissensnehmer ihre Sichtweisen zu kulturellen Aspekten äußern können.

  • Basiert auf Trivial Pursuit-Prinzip
  • Fokus auf Besprechbarkeit, nicht auf Gewinnen
  • Einsatz als Warm-up und zur Wissenserweiterung
  • Schafft vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre
  • Analog und digital einsetzbar

Die sechs Kategorien des Spiels und ihre Anwendung

Das Culture Pursuit-Spiel umfasst sechs verschiedene Kategorien, die unterschiedliche Aspekte der Unternehmenskultur abdecken. Jede Kategorie enthält etwa 20-40 Fragen und nutzt verschiedene Frageformate.

Zitate bilden den Einstieg und verwenden bekannte Aussagen wie “Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, wie sie entstanden sind”. Beide Teilnehmer äußern sich zu dem Zitat und diskutieren ihre Herangehensweisen an Problemlösungen. Dies eröffnet Einblicke in Denkweisen und Arbeitsansätze.

Persönlichkeitskultur geht tiefer in den persönlichen Bereich. Fragen wie “Wenn ich ein Tier wäre…” oder “Wovor habe ich Angst?” öffnen Räume für Gespräche, die normalerweise nicht stattfinden würden. Niemand ist zur Antwort verpflichtet, aber die Möglichkeit wird geschaffen.

Lebenskultur beschäftigt sich mit grundlegenden Einstellungen und Werten. Fragen zu Optimismus versus Pessimismus oder persönlichen Wertvorstellungen helfen dabei, die Grundhaltung der Beteiligten zu verstehen.

Organisationskultur arbeitet mit Multiple-Choice-Formaten. Beispielsweise sollen sich die Teilnehmer entscheiden, ob Kunden für sie Fans, Geschäftspartner, Vertragspartner oder Geschäftsfreunde sind. Die Begründung der Auswahl führt zu aufschlussreichen Diskussionen über unterschiedliche Kundensichten.

Situationen behandeln klassische Kulturindikatoren wie Pünktlichkeit bei Meetings. Beginnen Besprechungen pünktlich um 9 Uhr oder ist “5 nach 9” noch akzeptabel? Solche scheinbar banalen Fragen offenbaren wichtige kulturelle Codes.

Arbeitskultur fokussiert auf arbeitsbezogene Aspekte wie Entscheidungsfindung, Teamarbeit und Führungsverhalten. Diese Kategorie ist besonders relevant für die praktische Zusammenarbeit im Arbeitsalltag.

Praktische Umsetzung und Integration in Wissenstransferprozesse

Die Integration von Culture Pursuit erfolgt an strategischen Punkten im Wissenstransferprozess. Der Standardprozess umfasst Auftragsklärung, Informationsveranstaltung, Wissenslandkarte-Aufnahme, Selbsteinschätzung und Feinabstimmung mit der Führungskraft. Culture Pursuit wird flexibel eingesetzt - entweder zur Ergänzung der Wissenslandkarte oder als Warm-up für Transfergespräche.

Wenn unterschiedliche Sichtweisen bei den Fragen auftreten, werden diese nicht als Problem betrachtet, sondern als Entwicklungschance. Die Unterschiede werden dokumentiert und in die Wissenslandkarte integriert. In späteren Transfergesprächen wird dann gezielt über diese Punkte gesprochen, um zu klären, welche Relevanz sie für die Zusammenarbeit haben.

Das Spiel funktioniert sowohl im 1:1-Setting als auch bei mehreren Teilnehmern. Der Moderator kann bei der Kartenauswahl steuern und unpassende Fragen vorab entfernen, ohne dass die Teilnehmer dies bemerken. Die Zufälligkeit beim Ziehen der Karten bleibt dabei erhalten.

Ein wichtiger Aspekt ist die Vertrauensbasis. Alle Beteiligten, einschließlich des Moderators, äußern sich zu den Fragen. Dies schafft Offenheit und zeigt, dass es um gemeinsames Lernen geht, nicht um Bewertung oder Kontrolle.

  • Flexible Integration in bestehende Prozesse
  • Unterschiede als Entwicklungschance nutzen
  • Dokumentation in Wissenslandkarte
  • Vertrauensvolle Atmosphäre durch gemeinsame Teilnahme
  • Moderierte Kartenauswahl möglich

Zeitaufwand und Prozesseinbindung

Der Zeitaufwand für Culture Pursuit variiert je nach Einsatzzweck. Als Warm-up werden etwa 5 Minuten eingeplant, für eine umfassende kulturelle Bestandsaufnahme entsprechend mehr Zeit. Das vollständige Durchspielen aller sechs Kategorien würde etwa eineinhalb Stunden dauern, was in der Praxis selten gemacht wird.

Der Gesamtprozess des Wissenstransfers erstreckt sich über etwa drei Monate im Standard. Die erste Analysephase dauert circa zwei Wochen, gefolgt von Transfergesprächen im Zwei-Wochen-Rhythmus. Dabei wechseln sich moderierte Gespräche mit selbstmoderierten Terminen ab, um den Teilnehmern auch eigenständige Reflexionsräume zu geben.

Die Führungskraft ist an strategischen Punkten eingebunden: bei der Auftragsklärung, der Informationsveranstaltung, der Feinabstimmung und dem Abschlusstreffen. Sie legt die Prioritäten fest und entscheidet über den Umfang kultureller Themen im Transferprozess.

Besonders bei externen Beratungsaufträgen ist die Zeit oft begrenzt. Hier muss abgewogen werden, welche Aspekte prioritär behandelt werden. Die Referenten argumentieren, dass implizite Wissensinhalte schwerer nachholbar sind als explizite Informationen, die auch über Datenbanken oder KI-Systeme zugänglich gemacht werden können.

  • Standard-Warm-up: 5 Minuten
  • Vollständiges Spiel: etwa 90 Minuten
  • Gesamtprozess: 3 Monate
  • Führungskraft an strategischen Punkten eingebunden
  • Priorisierung bei begrenzten Ressourcen notwendig

Fazit und Ausblick

Culture Pursuit bietet einen innovativen Ansatz zur systematischen Erfassung kultureller Wissensinhalte im Wissenstransfer. Das spielerische Format überwindet Hemmschwellen und macht implizite Aspekte der Unternehmenskultur besprechbar. Besonders wertvoll ist die Methode bei der Integration externer Mitarbeiter, die die gewachsenen kulturellen Codes des Unternehmens noch nicht kennen.

Die Methode zeigt ihre Stärken in der Flexibilität der Anwendung und der Möglichkeit, auch sensible Themen anzusprechen. Gleichzeitig respektiert sie die Grenzen der Teilnehmer durch die Freiwilligkeit der Antworten. Die Dokumentation der Erkenntnisse in der Wissenslandkarte sorgt für nachhaltige Nutzung der gewonnenen Einsichten.

Offene Fragen betreffen die Skalierbarkeit bei sehr begrenzten Zeitressourcen und die Anpassung an spezifische Unternehmenskulturen. Eine Weiterentwicklung könnte die Integration aktueller Unternehmenswerte oder spezifischer Kulturwandel-Themen in die Fragenkataloge umfassen.

Handlungsempfehlungen aus der Präsentation:

  • Implizite Wissensinhalte stärker priorisieren, da sie schwerer nachholbar sind
  • Spielerische Formate zur Überwindung von Gesprächshemmschwellen nutzen
  • Kulturelle Unterschiede als Entwicklungschance begreifen, nicht als Problem
  • Vertrauensvolle Atmosphäre durch gemeinsame Teilnahme aller Beteiligten schaffen
  • Bei begrenzten Ressourcen bewusst zwischen expliziten und impliziten Wissensinhalten priorisieren