Gkc25/Moderierter Wissenstransfer für Anfänger:innen

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Diese Session bietet eine umfassende Einführung in den moderierten Wissenstransfer, bei dem eine Prozessbegleiterin systematisch die zielgerichtete Übertragung von implizitem Erfahrungswissen zwischen Personen unterstützt. Der Fokus liegt auf der strukturierten Übergabe zwischen Wissensgebenden und Wissensnehmenden durch einen mehrstufigen Prozess, der von einer externen oder internen Moderation begleitet wird. Die Methode umfasst typischerweise etwa 24 Stunden über einen Zeitraum von drei Monaten und beinhaltet die Erstellung einer Wissenslandkarte, begleitete Transfertreffen sowie selbstständige Zwischentreffen. Besonderes Augenmerk wird auf die Schaffung eines geschützten Rahmens gelegt, in dem sich beide Parteien intensiv mit der Materie auseinandersetzen können, um die Handlungsfähigkeit der wissensnehmenden Person zu gewährleisten.

Hauptthemen der Präsentation:

  1. Grundlagen und Rollen im moderierten Wissenstransfer
  2. Der strukturierte Prozessablauf von der Auftragsklärung bis zum Abschluss
  3. Die Wissenslandkarte als zentrales Instrument
  4. Transfer- und Zwischentreffen als Herzstück der Methode
  5. Dokumentation und Nachbereitung
  6. Besondere Herausforderungen und Anpassungen
  7. Weiterbildungsmöglichkeiten und Professionalisierung

Grundlagen und Rollen im moderierten Wissenstransfer

Der moderierte Wissenstransfer unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Übergabeprozessen. Es geht um die zielgerichtete Übertragung von Wissen von Person A nach Person B, wobei ein besonderer Fokus auf implizitem Erfahrungswissen liegt. Dies ist jenes Wissen, das oft zu kurz kommt, wenn sich zwei Personen einfach zusammensetzen und über die Aufgaben sprechen. Die Frage nach dem Warum - warum etwas auf eine bestimmte Art und Weise gemacht wird - steht im Mittelpunkt.

Die wissensgebende Person ist diejenige, die ihr Wissen teilt und erzählt. Hier können bereits erste Herausforderungen auftreten: Was passiert, wenn diese Person gar nicht erzählen will? Ohne Moderation kann der Prozess schnell scheitern. Mit einer Moderation, idealerweise von extern, die mit persönlichen Befindlichkeiten nichts zu tun hat, lässt sich jedoch eine Brücke bauen.

Die wissensnehmende Person sollte im besten Fall neugierig sein und viele Fragen stellen. Im schlechtesten Fall will sie den Job gar nicht machen, wurde übergangen, ist zu schüchtern oder eingeschüchtert. Auch hier kommt die Moderation ins Spiel, um den Wissensfluss in Gang zu bringen und als Dialogbegleiter zu fungieren.

Die Rolle der Prozessbegleitung oder Moderation muss extrem anpassungsfähig sein. Jeder Wissenstransfer ist unterschiedlich. Manche Teilnehmende sind hervorragend strukturiert und schnell unterwegs, andere sind Redemuffel oder überforderte Wissensgeber, die nicht wissen, wie sie ihr umfangreiches Wissen weitergeben sollen. Die Moderation unterstützt dabei, die richtige Flughöhe zu finden: Sind die Beteiligten gerade zu sehr im Detail oder auf einer Überblicksebene? Ist noch genügend Zeit für die geplanten Themen?

Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Moderation auch als Timekeeper fungiert. Oft berichten Beteiligte, dass sie den Wissenstransfer wahrscheinlich auch ohne externe Begleitung geschafft hätten, ihre Terminkalender aber so dicht waren, dass sie sich ohne fest eingeplante Termine nie zusammengesetzt hätten.

Die Führungskraft nimmt eine besondere Position ein: Sie ist bei den eigentlichen Transfertreffen nicht dabei. Dies ist wichtig, denn in Anwesenheit des Vorgesetzten werden bestimmte Dinge nicht besprochen - gescheiterte Prozesse, inoffizielle Vorgehensweisen oder kritische Einschätzungen zur Führungskultur und zum Teamgefüge. Die Führungskraft hat dennoch aktive Aufgaben: Sie stellt Ressourcen bereit, hält den Rücken frei, setzt Prioritäten und gibt strategische Ausrichtung. Sie entscheidet, welche Teile des Wissens überhaupt übergeben werden müssen und welche Zeitbedarfe zur Verfügung stehen.

Der strukturierte Prozessablauf von der Auftragsklärung bis zum Abschluss

Der ideale Wissenstransfer erstreckt sich über etwa drei Monate Überschneidungszeit, in denen die Kollegen bereits zusammenarbeiten. Der moderierte Prozess kommt on top zur gemeinsamen Arbeit hinzu. Innerhalb dieser drei Monate werden insgesamt etwa 24 Stunden für den strukturierten Transfer eingeplant, wobei kein einzelnes Transfertreffen länger als anderthalb Stunden dauert. Niemand kann sich länger als anderthalb Stunden wirklich konzentriert auf neue Inhalte einlassen, für die er später verantwortlich sein wird.

Diese drei Monate sollten im besten Fall relativ nah am tatsächlichen Ausscheidedatum der wissensgebenden Person liegen. Die Erfahrung zeigt, dass sich Wissensnehmende viel intensiver auf Inhalte konzentrieren und ernsthaftere Fragen stellen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie die Aufgaben in zwei Monaten tatsächlich selbst übernehmen müssen.

Der Prozess beginnt mit einer Auftragsklärung zwischen Moderation und Führungskraft. Dabei werden Rahmenbedingungen geklärt: Gibt es zu erwartende Widerstände? Um welches Wissen handelt es sich grob? Welche organisatorischen Besonderheiten sind zu beachten? Manchmal wird auch der Betriebsrat einbezogen, da es sich um eine personale Entwicklungsmaßnahme handelt, bei der der Betriebsrat Mitspracherecht hat. Häufig wird der Prozess dem Betriebsrat vorgestellt und dieser wird informiert, wenn ein Wissenstransfer startet und abgeschlossen ist.

Nach der Auftragsklärung folgt das Auftaktreffen, zu dem die Führungskraft einlädt. Bei einem Wissensgeber und einem Wissensnehmer dauert es etwa eine Stunde. In diesem Termin wird der komplette Ablauf vorgestellt, und die Beteiligten können wählen, welche Teile des Prozesses sie nutzen möchten und welche nicht. Diese Wahlmöglichkeit ist wichtig für die Akzeptanz, denn oft besteht zunächst eine Hürde: Da kommt jemand von extern und will erzählen, wie 40 Jahre Erfahrungswissen übergeben werden soll.

Im Auftaktreffen werden alle Rollen geklärt und erste Termine festgelegt. Die Teilnehmenden können den Prozess an ihre Bedürfnisse anpassen - sie entscheiden, was sie brauchen und was nicht, wie schnell es gehen soll und wie tief sie in bestimmte Themen einsteigen wollen.

Ein wichtiger Grundsatz lautet: Erst organisieren, dann übertragen. Die gesamte Anfangsphase mit Einzelgesprächen dient dazu, den Prozess zu organisieren, bevor tatsächlich über Inhalte gesprochen wird. Dieser Vertrauensaufbau in Einzelsessions ermöglicht der Moderation einen Blick hinter die Kulissen und zeigt auf, wo einzelne Teilnehmende möglicherweise Sorgen oder Widerstände haben.

Die Wissenslandkarte als zentrales Instrument

Nach dem Auftaktreffen wird zunächst nur mit der wissensgebenden Person eine Wissenslandkarte aufgenommen. Dieser Termin dauert etwa drei Stunden. Es wird nur gesammelt, was besprochen werden muss - nicht wie etwas funktioniert. Noch keine Dokumentation, noch kein Link zu weiterführenden Informationen. Es geht zunächst nur darum, einen Überblick zu schaffen über alle Themen, die übergeben werden müssen.

Die Wissenslandkarte wird idealerweise als Mindmap erstellt, wobei gängige Mindmanagement-Formate wie MindMeister oder Mindmanager verwendet werden. In Ausnahmefällen, wenn Beteiligte mit Mindmaps nicht arbeiten können oder wollen, kann auch eine Liste erstellt werden. Die Mindmap-Form ist jedoch vorzuziehen, da sie bei späteren Gesprächen zu einzelnen Themen assoziativere Gespräche ermöglicht.

Das Ergebnis ist in den allermeisten Fällen ein riesengroßes Dokument. Die Reaktion des Wissensgebers ist oft: “Wow, das war viel. Voll schön, das mal so zu sehen.” Diese positiven Gefühle erweckt die Wissenslandkarte bei Wissensnehmern und Führungskräften allerdings selten - hier ist die erste Reaktion eher Überwältigung.

Die Erstellung der Wissenslandkarte folgt einem strukturierten Fragenkatalog, der sich an vorstrukturierten Oberkategorien orientiert. Typischerweise gibt es sechs Hauptkategorien wie Kernaufgaben, persönliches Netzwerk, Prozesse und weitere relevante Wissensbereiche. Wichtig ist dabei, nicht strikt einem Interviewleitfaden zu folgen, sondern ein echtes Gespräch zu führen.

Statt zu fragen “Was sind Ihre Kernaufgaben?” ist es effektiver zu fragen “Was machen Sie eigentlich den ganzen Tag?”. Die erste Frage führt zum Abrattern einer Liste, die zweite zu authentischen Antworten wie “Wenn ich das wüsste” oder “Eigentlich nur E-Mails” oder “Ich sitze den ganzen Tag in Veranstaltungen”. Daraus können viel bessere Nachfragen entwickelt werden: Von wem kommen die E-Mails? Welche Termine, Runden und Gremien werden bespielt und warum? Was ist die jeweilige Rolle?

Nach der Erstellung wird die Wissenslandkarte digitalisiert und vom Wissensgeber korrigiert, kommentiert und ergänzt. Erst wenn er sie freigegeben hat, geht der Prozess weiter. Das Monopol des Wissens und 100 Prozent der Kontrolle liegen beim Wissensgeber. Nur so kann sichergestellt werden, dass er ins Boot geholt wird und sich auf den Prozess einlässt.

Transfer- und Zwischentreffen als Herzstück der Methode

Nach der Erstellung der Wissenslandkarte folgt die Selbsteinschätzung 1 mit dem Wissensnehmer. In diesem etwa einstündigen Termin wird die Wissenslandkarte ausgerollt und der Wissensnehmer schätzt anhand der Oberpunkte ein, wie viel Wissen er bereits zu den jeweiligen Themen hat. Kommt er aus einem Nachbarteam, kennt er vielleicht schon 30 Prozent der Kernaufgaben. Beim persönlichen Netzwerk kann es ganz anders aussehen - entweder arbeitet er schon seit Jahren mit denselben Menschen zusammen oder kennt niemanden.

Die Selbsteinschätzung kann qualitativ erfolgen oder auf einer Skala von 1 bis 10 oder 0 bis 100 Prozent quantifiziert werden. Manche Kollegen nehmen das sehr genau, andere sagen nur grob, dass sie schon etwas wissen. Hauptsächlich geht es darum, dass der Wissensnehmer das komplette Dokument in Ruhe durchlesen kann - in einer Umgebung, in der der Wissensgeber nicht dabei ist und nicht ständig erklärt. Der Wissensnehmer bekommt Zeit für eine kleine Panikattacke, die er veratmen kann, und stellt dann Fragen oder äußert Wünsche zu bestimmten Themen.

Parallel erfolgt eine Feinabstimmung mit der Führungskraft. Diese erhält ebenfalls die Wissenslandkarte und ihre Reaktion ist häufig: “Oh, das war mir nicht so bewusst. Das ist ja viel. Da brauchen wir ja noch jemand anderen, das kann der Neue alles gar nicht abdecken.” Genau diese Erkenntnisse sollen früh im Prozess gewonnen werden. Die Führungskraft schaut auf die Wissenslandkarte, überlegt, wen sie zusätzlich in den Wissenstransfer einbringen muss, und nennt Prioritäten.

Strategische Überlegungen fließen hier ein: Wenn ein Thema strategisch wichtig wird, weil ein kooperierendes Team sich umstrukturiert, muss das Wissen zu diesem Thema besonders fest sitzen. Umgekehrt können Themen, die aus dem Team herausgehen, weniger intensiv behandelt werden.

Nach dieser Organisationsphase beginnen die eigentlichen Transfer- und Zwischentransfertreffen. Transfertreffen finden mit Moderation statt und dauern anderthalb Stunden. Hier werden Oberpunkte der Wissenslandkarte besprochen - kein Tagesgeschäft. Wenn zwischendurch dringende Themen aufkommen, werden diese notiert und für einen anderen Termin festgehalten, aber das Transfertreffen konzentriert sich ausschließlich auf die geplanten Wissensthemen.

Dabei wird nicht nur über das gesprochen, was gerade in den drei Monaten der Übergabe aktuell ist, sondern auch über Themen wie den Jahresabschluss - in einer Tiefe, dass der Wissensnehmer handlungsfähig wird, wenn dieser Jahresabschluss tatsächlich kommt.

Zwischentreffen finden ohne Moderation statt. Die Teilnehmenden entscheiden gemeinsam, welche Teile der Wissenslandkarte sie mit Moderation bearbeiten wollen und welche alleine. Es gibt immer Themen wie “Wir klicken uns mal gemeinsam durch SAP” - dafür braucht es niemanden, der mitguckt. Es sei denn, der Wissensnehmer braucht Unterstützung beim Erstellen einer Klick-Anleitung.

Im besten Fall wechseln sich die Treffen ab: anderthalb Stunden in einer Woche mit Moderation, in der nächsten Woche anderthalb Stunden ohne Moderation, während die Beteiligten die ganze Zeit gemeinsam arbeiten. Dies läuft so lange, bis der Kollege das Unternehmen verlässt oder alles Wissen übertragen ist.

Erfahrungsgemäß braucht es etwa fünf begleitete und fünf unbegleitete Treffen neben der Übergabezeit, um Wissen ganzheitlich zu übergeben. Diese Zahl ist allerdings sehr variabel und hängt davon ab, wie lange der Wissensgeber schon dabei ist, wie breit und tief sein Wissen ist und wie der Wissensstand des Wissensnehmers ist.

Bei Projektleitern oder Führungskräften läuft es häufig anders: Ein Transfertreffen, dann zwei bis drei Zwischentreffen, dann wieder ein Transfertreffen. Diese Personen können, wenn sie einmal einen Plan haben und sich organisiert haben, hervorragend alleine arbeiten. Wie viel oder wenig Moderation nötig ist, hängt immer davon ab, wie viel sie gebraucht wird und was in die Terminkalender passt.

Dokumentation und Nachbereitung

Die Dokumentation ist ein wesentlicher Bestandteil des moderierten Wissenstransfers, allerdings mit besonderen Rahmenbedingungen. Alle Termine, die mit Moderation stattfinden, werden mitgeschrieben - nach bestem Wissen und Gewissen, auch wenn die Moderation inhaltlich vielleicht nicht alles versteht.

Die Dokumentation erfolgt niedrigschwellig in Excel, das sich an der Wissenslandkarte orientiert. Der Grund für Excel ist die Zugänglichkeit: Als externe Beraterin trifft man auf die unterschiedlichsten vorhandenen Strukturen - OneNote, Confluence, SharePoint oder andere Systeme. Excel kann jeder öffnen und nutzen. Die Dokumentation wird aber auch an die Bedürfnisse der Teilnehmenden angepasst.

Wichtig ist: Nur Wissensgeber und Wissensnehmer erhalten Zugriff auf die Dokumentation, nicht die Führungskraft. Dies verhindert, dass Teilnehmende redaktionell schon von vornherein bestimmte Informationen nicht teilen, weil sie befürchten, dass die Führungskraft sie lesen könnte. Der geschützte Rahmen ist essenziell, damit wirklich über das Eingemachte gesprochen wird - nicht nur über das, was auch öffentlich gestreut werden könnte.

Die Teilnehmenden bekommen bereits während des Prozesses Zugang zur Dokumentation. Sie können sich herausziehen, was sie brauchen, und ihre eigene Dokumentation damit ergänzen. Häufig kopieren sie Inhalte in ihr OneNote oder Team-Wissensmanagement-Tool und stellen es dem ganzen Team zur Verfügung. Kritische Informationen, die tatsächlich Geheimhaltung brauchen, organisieren sie separat.

Die Moderation hält die Teilnehmenden immer an zu teilen, die Dokumentation weiter nutzbar zu machen und aktuell zu halten. Eine große Aufgabe ist es, alle vorhandenen Dokumentationen zu aktualisieren. Oft gibt es bereits Arbeitsanweisungen oder Dokumentationen, die aber nicht mehr ganz aktuell sind. Der neue Kollege, der genau diese Dokumentation braucht, kann losgeschickt werden, um sie zu aktualisieren.

Nach Abschluss aller Transfertreffen erfolgt die Selbsteinschätzung 2. Der Wissensnehmer schätzt erneut ein, wo sein Wissensstand nach dem kompletten Prozess liegt. Oft stellt sich heraus: “Ich dachte am Anfang, ich hätte schon 30 Prozent. Wenn wir ehrlich sind, nachdem ich alles gehört habe, war ich vielleicht bei 20. Jetzt bin ich bei 80.”

Darauf folgt die wichtige Frage: Was bedeutet das? Braucht es noch einen Besuch einer Anlage? Eine Schulung? Zugang zu bestimmten Systemen? All das, was noch offen ist, kommt in einen Aktionsplan, der während des kompletten Transfers von der Moderation festgehalten wird.

Am Ende gibt es ein Abschlusstreffen in großer Runde mit Führungskraft und eventuell Betriebsrat oder Personalentwicklung. Hier werden ein Rückblick gegeben, die behandelten Themen präsentiert, der aktuelle Wissensstand des Wissensnehmers dargestellt und der Stand des Aktionsplans besprochen. Es folgt ein Feedback zum Prozess, und der Stab wird an die Führungskraft übergeben, denn die Befähigung des Wissensnehmers ist eigentlich Führungsaufgabe.

Nach dem Abschlusstreffen bekommen die Teilnehmenden die Information, die komplette Dokumentation herunterzuladen und bei sich zu speichern, damit die Moderation sie löschen kann. Die Führungskraft erhält in den allermeisten Fällen dann von den Teilnehmenden selbst Zugriff, wenn klar ist, was in der Dokumentation steht und ob etwas geschwärzt werden muss.

Besondere Herausforderungen und Anpassungen

Der moderierte Wissenstransfer ist nie ein Standardprozess, sondern immer eine Spezialanpassung an die Bedürfnisse des Unternehmens oder des einzelnen Falls. Verschiedene Szenarien erfordern unterschiedliche Herangehensweisen.

Ein häufiger Fall sind mehrere Wissensnehmer. Wenn nicht nur eine Person nachfolgt, sondern beispielsweise zwei, weil die Auftragslage größer geworden ist, stellt sich die Frage: Gemeinsame oder getrennte Treffen? Die Antwort ist themenspezifisch. Wenn beide das Gleiche machen sollen, macht es Sinn, beide in die Transfertreffen zu setzen und sie untereinander abstimmen zu lassen, wie sie die Aufgaben zukünftig aufteilen wollen. Dies kann auch als Teambuilding genutzt werden.

Ausnahmen gibt es, wenn die beiden Wissensnehmer sich nicht mögen, der Wissensgeber mit einem von ihnen nicht klarkommt oder sie massiv unterschiedliche Wissensstände haben. Wenn einer quasi schon Experte ist und die Aufgaben übernehmen könnte, während dem anderen erst noch beigebracht werden muss, wie man grundlegende Tätigkeiten ausführt, ergibt die Trennung mehr Sinn. Die Selbsteinschätzung 1 liefert diese wichtigen Informationen.

Ein anderes Szenario ist der Wissenstransfer ohne Ausscheiden. Wenn jemand nicht geht, sondern einfach das Team vergrößert werden muss, stellt sich die Frage nach dem Timing. Wann sollten die drei Monate beginnen? Das hängt vom Typ des Wissensnehmers ab. Manche wollen sofort loslegen, sind neugierig und stellen von Anfang an Fragen - dann kann früh gestartet werden. Andere brauchen erst Zeit zum Ankommen und Aklimatisieren - dann wartet man zwei, drei Wochen.

In Fällen, wo der Wissensgeber im Unternehmen bleibt, können häufig die Transfertreffen reduziert werden, weil die Beteiligten sowieso zusammenarbeiten. Die Herausforderung besteht hier oft darin, dass erfahrene Wissensgeber neben ihren vielen Projekten nicht die Zeit haben, ins Nichts hinein Wissen zu übertragen. Ein strukturierter Plan mit klaren Terminen hilft, die PS auf die Straße zu bringen, die neue Mitarbeitende mitbringen.

Manchmal wird der moderierte Wissenstransfer erst eingesetzt, wenn Kollegen schon länger zusammenarbeiten, es aber nicht geklappt hat mit dem informellen “Wir sitzen einfach zusammen und reden dann drüber”. Die Struktur und der professionelle Rahmen helfen dann, den Prozess zu beschleunigen und zu fokussieren.

Die Rolle der Moderation variiert stark je nach Situation. Manche Teams sind hervorragend strukturiert, schnell unterwegs, der Wissensnehmer fragt intensiv - diese müssen manchmal gebremst werden: “Ihr seid zu sehr im Detail, wir haben nur noch drei Sessions, ihr schafft das möglicherweise nicht, wenn ihr so tief drin bleibt.” Andere sind absolute Redemuffel, verängstigte Wissensnehmer, überforderte Wissensgeber - hier muss die Moderation viel mehr aktiv werden und unerschrocken Fragen stellen.

Besonders wichtig ist die Anpassung an vorhandene Ressourcen. Wenn die Kollegen bereits so überlastet sind, dass sie sich nicht vorstellen können, den Wissenstransfer on top zu machen, kann der Betriebsrat beim Auftaktreffen dabei sein, damit er hört, wie die Führungskraft sagt: “Ja, das ist in Ordnung, dass du diesen Wissenstransfer-Prozess höher priorisierst als Aufgabe XY.”

Zeitlich gibt es ebenfalls Variationen. Manchmal kommt der Anruf: “Der Kollege geht in zwei Wochen, das war uns nicht bewusst mit dem angesparten Zeitguthaben.” Auch das geht, dann sinkt aber die Zeit, die Kollegen nebenher noch arbeiten können, drastisch. Die Führungskraft muss dann entsprechend Prioritäten setzen.

Nur eine Wissenslandkarte ohne den vollständigen Transferprozess ist sinnvoll, wenn noch gar kein Nachfolger da ist und noch nicht einmal klar ist, was ausgeschrieben werden soll. Dann wird nur die Wissenslandkarte aufgenommen und angereichert mit Ansprechpartnern, benötigten Kompetenzen und vorhandener Dokumentation.

Das “Projektleiter Special” umfasst nur den Prozess bis zum ersten Transfertreffen - Auftakt, Wissenslandkarte, Selbsteinschätzung, Feinabstimmung mit der Führungskraft plus das erste Transfertreffen, um einen Plan zu generieren. Dann laufen die Beteiligten alleine weiter, weil sie keine intensive Moderation und Dokumentation brauchen, sondern nur Struktur und einen klaren Plan.

Weiterbildungsmöglichkeiten und Professionalisierung

Für alle, die selbst lernen möchten, moderierte Wissenstransfer-Prozesse zu begleiten, gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Professionalisierung. Es existieren mehrere Ausbildungen zu diesem Thema, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen.

Simon Dückert bietet eine Ausbildung an, die sich in Richtung Expert Debriefing spezialisiert. Christian Keller aus Bielefeld bietet ebenfalls eine entsprechende Ausbildung an. Die SellCT (Sell Consulting und Training) bietet Ausbildungen zu Wissenstransfer-Prozessbegleiterinnen oder Wissenstransfer-Managerinnen an. Es gibt noch keinen ganz festen Begriff für diese Rolle, was die Vielfalt der Ansätze widerspiegelt.

Neben formalen Ausbildungen gibt es auch Möglichkeiten zum kollegialen Austausch. Das jährliche Wissenstransfer-Camp von Simon Dückert in Nürnberg findet im Spätsommer oder Herbst statt und bietet eine Plattform für Vernetzung und Erfahrungsaustausch. Es ist hybrid organisiert, sodass auch Online-Teilnahme gut möglich ist.

Für die praktische Umsetzung steht Fachliteratur zur Verfügung. Es gibt Bücher zum Thema, die den kompletten Fragenkatalog und andere Dokumente enthalten, die für die Moderation von Wissenstransfer-Prozessen nützlich sind.

Der Austausch mit Praktikerinnen und Praktikern ist ebenfalls wertvoll. Viele Expertinnen sind über LinkedIn und andere Netzwerke erreichbar und offen für Fragen, Inspiration und Informationen. Gerade wenn man vor der Einführung im eigenen Unternehmen steht oder einen konkreten Fall zu bearbeiten hat, kann dieser niedrigschwellige Austausch sehr hilfreich sein.

Was die berufliche Perspektive angeht: Der Markt für moderierte Wissenstransfer-Prozesse ist vorhanden und wächst. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass immer mehr erfahrene Mitarbeitende in Rente gehen und ihr Wissen übergeben müssen. Freiberufliche Tätigkeit in diesem Bereich ist durchaus tragfähig, oft läuft viel über Weiterempfehlung.

Die Abrechnung erfolgt typischerweise nach Stunden, auch wenn Pakete angeboten werden. Der Grund ist die Variabilität: Manchmal denkt man, ein Wissenstransfer wird ein Riesending mit großen Widerständen und enorm viel Wissen - und dann ist er innerhalb von acht Stunden fertig. Manchmal dehnt es sich aus. Die drei genannten Paketgrößen sind: nur Wissenslandkarte, bis zum ersten Transfertreffen (Projektleiter Special), oder der komplette Prozess.

Der moderierte Wissenstransfer ist besonders sinnvoll bei kritischen Situationen: Kollegen mit singulärem Wissen, hoher oder strategisch wichtiger Position, Führungsverantwortung oder klassischen Wissensinseln. Früher haben vielleicht fünf Leute einen Job gemacht, jetzt sind es noch zwei, die beide gehen, und vielleicht rückt nicht einmal jemand nach. In solchen enormen kritischen Situationen ist der moderierte Ansatz besonders wertvoll.

Fazit und Ausblick

Der moderierte Wissenstransfer ist eine strukturierte Methode, um implizites Erfahrungswissen systematisch von einer Person zur anderen zu übertragen. Der große Unterschied zu herkömmlichen Übergaben liegt in der Tiefe der Auseinandersetzung mit dem Wissen und dem geschützten Rahmen, in dem dieser Transfer stattfindet.

Die Kernelemente der Methode sind der strukturierte Prozess mit klaren Phasen, die Wissenslandkarte als zentrales Orientierungsinstrument, die Kombination aus begleiteten Transfertreffen und selbstständigen Zwischentreffen, die professionelle Dokumentation sowie die strategische Einbindung der Führungskraft bei gleichzeitiger Wahrung eines geschützten Raums für die eigentlichen Übergabegespräche.

Besonders wichtig ist die Erkenntnis, dass jeder Wissenstransfer individuell ist und angepasst werden muss. Die vorgestellte Struktur ist ein Rahmen, der flexibel gehandhabt werden sollte. Die Teilnehmenden wählen aus, welche Elemente sie nutzen möchten, und die Moderation passt sich an ihre Bedürfnisse an.

Der geschützte Rahmen ohne Anwesenheit der Führungskraft bei den Transfertreffen ermöglicht es, wirklich über alles zu sprechen - auch über gescheiterte Prozesse, inoffizielle Vorgehensweisen und kritische Einschätzungen. Dies ist essenziell, um das implizite Wissen zu heben, das sonst verloren ginge.

Handlungsempfehlungen für die Praxis:

  • Plane Wissenstransfer-Prozesse frühzeitig, idealerweise wenn du ein Jahr im Voraus von einem Ausscheiden erfährst
  • Setze die eigentlichen drei Monate Transferzeit möglichst nah an das Ausscheidedatum, damit die Dringlichkeit spürbar ist
  • Investiere Zeit in die Organisationsphase (Wissenslandkarte, Selbsteinschätzungen, Feinabstimmung), bevor du in die inhaltliche Übergabe gehst
  • Schaffe einen geschützten Rahmen ohne Anwesenheit der Führungskraft bei den eigentlichen Transfergesprächen
  • Begrenze einzelne Transfertreffen auf maximal anderthalb Stunden, um die Konzentration hochzuhalten
  • Wechsle zwischen begleiteten und selbstständigen Treffen ab, je nach Bedarf der Beteiligten
  • Dokumentiere niedrigschwellig und gib die Kontrolle über die Inhalte dem Wissensgeber
  • Nutze die Wissenslandkarte nicht nur für den Transfer, sondern auch für Personalentwicklung und Stellenausschreibungen
  • Beziehe den Betriebsrat transparent ein, da es sich um eine personale Entwicklungsmaßnahme handelt
  • Erstelle einen Aktionsplan für alle offenen Punkte, die nach dem Transfer noch bearbeitet werden müssen

Offene Fragen für die weitere Beschäftigung mit dem Thema:

  • Wie kann moderierter Wissenstransfer auch funktionieren, wenn sich Wissensgeber und Wissensnehmer nicht persönlich treffen können?
  • Wie lässt sich die Methode skalieren, wenn in einem Unternehmen sehr viele Wissenstransfer-Prozesse parallel laufen müssen?
  • Welche Rolle können digitale Tools und KI-Unterstützung sinnvoll spielen, ohne die wichtige menschliche Komponente zu verlieren?
  • Wie kann Wissenstransfer in die reguläre Führungsarbeit integriert werden, sodass er nicht immer externe Moderation braucht?
  • Wie können Unternehmen eine Kultur entwickeln, in der Wissensteilung selbstverständlich wird?

Die oberste Priorität bleibt immer: Es soll Wissen fließen. Alle Methoden, Strukturen und Prozesse dienen diesem einen Ziel - die wissensnehmende Person handlungsfähig zu machen, damit sie die Aufgaben übernehmen kann, wenn die wissensgebende Person nicht mehr verfügbar ist.