Gkc25/Co-Creating Intelligent Knowledge Ecosystems - Lessons from AI and KM Practice
Der Vortrag beleuchtet die transformative Rolle von Künstlicher Intelligenz im Wissensmanagement und zeigt anhand konkreter Projektbeispiele aus Jakarta, wie KI-gestützte Ko-Kreation die Wissensarbeit revolutioniert. Rajesh demonstriert, dass durch den gezielten Einsatz von KI-Tools wie ChatGPT und Plaud AI Arbeitsprozesse, die früher Monate dauerten, auf wenige Tage reduziert werden können – ohne dass dabei menschliche Expertise ersetzt wird. Zentrale Botschaft ist, dass KI nicht als Ersatz, sondern als Katalysator für nachhaltigeres Wissensmanagement dient, wobei der Mensch immer im Mittelpunkt bleiben muss. Der Vortrag schlägt vor, dass wir uns vom Begriff „Knowledge Management” hin zu „Knowledge Sustainability” bewegen sollten.
Hauptthemen der Präsentation:
- Ko-Kreation als neue Dimension im Wissensmanagement
- Die veränderte KM-Landschaft nach COVID-19
- Praktische AI-Implementierung bei ACES Jakarta
- Menschen, Prozesse und Technologie im KI-Zeitalter
- Fallstudie 1: Regionales Projekt mit Tier-Expertise
- Fallstudie 2: Government-Organisation und Veränderungsmanagement
- Der „Human-in-the-Loop”-Ansatz
- Risiken und Grenzen von KI im Wissensmanagement
- Von Effizienz zu Resilienz: Ein neues Paradigma
- Praktische Tools und Arbeitsweisen
Ko-Kreation als neue Dimension im Wissensmanagement
Ko-Kreation hat sich zu einem zentralen Element der modernen Wissensarbeit entwickelt. Besonders nach der COVID-19-Pandemie haben Menschen den Wert von Kommunikation neu erkannt, da die Trennung sie dazu brachte, nicht mehr alles als selbstverständlich anzusehen. Die Fähigkeit, online zusammenzuarbeiten, bedeutet heute, dass Wissensarbeit von überall auf der Welt geleistet werden kann – geografische Grenzen spielen keine entscheidende Rolle mehr.
Die Integration von KI hat verändert, wie Information geteilt und wie voneinander gelernt wird. Bei ACES in Jakarta wurde ein eigenes modulares System innerhalb von ChatGPT entwickelt. Alle Projektdokumente wurden in einen gesicherten Bereich hochgeladen, sodass die KI ausschließlich auf diese Informationen zugreift. Wenn beispielsweise eine Ausschreibung bearbeitet werden muss, werden die Ausschreibungsunterlagen in das System geladen, und die KI erstellt einen ersten Entwurf basierend auf erfolgreichen früheren Projekten.
Was früher zwei bis drei Wochen dauerte – das Lesen, Verstehen und Erstellen einer Ausschreibung – ist heute innerhalb einer Stunde als Grundgerüst verfügbar. Die gewonnene Zeit wird nun für Brainstorming und das Durchdenken von Problemen verwendet. Diese Extraktion von implizitem Wissen funktioniert, solange die relevanten Informationen dokumentiert sind.
Der Begriff Kreativität wird in diesem Zusammenhang bewusst verwendet, denn die KI schafft tatsächlich mentalen Freiraum. Das System extrahiert aus vergangenen Dokumenten, was gut funktioniert hat, und gibt dem Team damit Raum für echte kreative Denkarbeit. Ko-Kreation umfasst heute sowohl die Zusammenarbeit zwischen Menschen als auch die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI.
Die veränderte KM-Landschaft nach COVID-19
Die Wissensmanagement-Landschaft hat sich grundlegend gewandelt. In der Zeit nach COVID-19 und mit der zunehmenden Verbreitung von KI hat sich die Art verändert, wie Wissen diskutiert wird. An der Nanyang Technological University in Singapur, wo Rajesh KM-Strategie unterrichtet, werden Studierende explizit aufgefordert, sich auf Konzepte und Literatur nach COVID zu konzentrieren. Die Theorie mag ähnlich geblieben sein, aber wer noch auf Systeme von vor COVID schaut, verpasst wesentliche Entwicklungen.
Heute sprechen Wissensmanager nicht mehr einfach von Repositories, sondern von Ökosystemen. Der Grund liegt in der intensiven Zusammenarbeit und Ko-Kreation – selbst Dokumente werden nicht mehr als statische Einheiten betrachtet, sondern als lebendiges Wissen in einem Zyklus. In einem aktuellen Kundenprojekt wird eine operative Richtlinie erstellt, die als lebendes Wissensdokument konzipiert ist: Nach Veranstaltungen oder Übungen werden Best Practices hinzugefügt, das Dokument wächst kontinuierlich.
Ist dieses Konzept wirklich neu? Nein – vor COVID nannte man es einfach den KM-Lebenszyklus: neues Wissen wird hinzugefügt, redundantes Wissen wird entfernt, archiviert oder in ein Wissensarchiv überführt. Ein eindrückliches Beispiel aus den Philippinen zeigt die Notwendigkeit solcher Prozesse: In den Standardarbeitsanweisungen einer Organisation war noch beschrieben, wie man ein Farbband einer Schreibmaschine wechselt – eine Anweisung, die für die meisten heutigen Mitarbeitenden völlig irrelevant ist.
Repositories sind heute nicht mehr primär Speicherorte, sondern Systeme, die Dokumente und Wissen wachsen lassen und das Teilen sowie die Nutzung fördern. Mit der Geschwindigkeit, in der sich Dokumente heute verändern, braucht es neue Ansätze: Bei ACES wird ein Ordner namens „Master Copy” angelegt, der als „Draft Zero” fungiert. Jede Änderung wird in einem neuen, nach Datum benannten Ordner gespeichert, sodass der gesamte Entwicklungsprozess nachvollziehbar bleibt. Erst nach Projektabschluss werden nur noch die Masterversion und die finale Version aufbewahrt.
Praktische AI-Implementierung bei ACES Jakarta
ACES Jakarta arbeitet seit etwa drei Jahren mit KI-Systemen. Die anfängliche Skepsis war groß – im ersten Jahr wurde jede KI-Ausgabe zu 100 Prozent überprüft. Doch nach und nach entwickelte sich Vertrauen, als deutlich wurde, dass die KI exakt das verwendete, was zuvor selbst geschrieben worden war.
Ein entscheidender Faktor ist das Konzept des Eigentums: Wenn du dein eigenes KI-System besitzt, kennst du seine Grenzen. Das Vertrauen in ein solches System liegt nicht bei 100 Prozent, sondern realistisch bei etwa 60 Prozent – die KI liefert den Grundstein, und die verbleibenden 40 Prozent mentaler Kapazität werden für die Anpassung und Individualisierung genutzt. Erst wenn dieses Gleichgewicht erreicht ist, findet echte Akzeptanz statt.
Die KI bei ACES ist so konfiguriert, dass sie ausschließlich auf interne Dokumente zugreift und nicht das World Wide Web durchsucht. Diese Einschränkung erhöht die Kontrolle und die Datenqualität erheblich. Eine wichtige Erkenntnis aus der praktischen Arbeit: Das System sollte nicht mit zu vielen Dokumenten gleichzeitig überladen werden. Bei ACES gilt die Regel, maximal fünf Dokumente gleichzeitig hochzuladen, da sonst die Gedankenkette des Systems unterbrochen wird.
Ko-Kreation mit KI bedeutet auch, Konzepte wie Vielfalt, Inklusion und Gleichberechtigung (DEI) aktiv zu berücksichtigen. Diese Prinzipien müssen von Menschen in die KI-gestützte Arbeit eingebracht werden, denn die Technologie allein kann diese Werte nicht garantieren.
Menschen, Prozesse und Technologie im KI-Zeitalter
Auch im KI-Zeitalter bleibt die traditionelle Aufteilung im Wissensmanagement bestehen: 70 Prozent Menschen, 20 Prozent Prozesse, 10 Prozent Technologie. Die Menschen stehen weiterhin im Mittelpunkt, denn bei ihnen geht es um den Wissensfluss innerhalb der Organisation und um Lernprozesse. Prozesse helfen bei der Erfassung und Wiederverwendung von Wissen, und die Technologie unterstützt schließlich dabei, Daten zu teilen und Systeme miteinander zu verbinden.
Vertrauen ist ein zentraler Aspekt beim Einsatz von KI. Die Organisation muss Governance-Strukturen schaffen, klare Workflows definieren und Rollen sowie Beziehungen festlegen. Tools und Technologie unterstützen dabei, aber sie ersetzen nicht die menschliche Komponente.
Wenn alle Systeme einer Organisation miteinander verbunden sind, entsteht eine einzige Quelle der Wahrheit (Single Point of Truth). Doch der Weg dorthin erfordert sorgfältige Planung und kontinuierliche Anpassung. Der Wissensfluss, das Lernen und die Vermeidung von Reibungsverlusten im System sind entscheidende Faktoren für den Erfolg.
Die Technologie ermöglicht es heute, Daten intelligent zu verbinden und zugänglich zu machen. Doch ohne die Menschen, die diese Daten interpretieren, kontextualisieren und in sinnvolle Handlungen übersetzen, bleibt die Technologie wirkungslos.
Fallstudie 1: Regionales Projekt mit Tier-Expertise
Dieses Projekt betraf eine Organisation in Südostasien, die mit verschiedenen Tierarten arbeitet. Die Organisation verfügte über zahlreiche Fachgebiete – verschiedene Spezialisten für unterschiedliche Tiergruppen wie Hunde, Reptilien und weitere Arten. Jeder Experte hatte sein eigenes Repository aufgebaut, was zu stark isolierten Wissenssilos führte.
Als ACES damit begann, eine KM-Strategie zu entwickeln, war es zunächst schwierig, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Als es schließlich gelang, wurde deutlich, dass es keine Standardisierung gab – jeder arbeitete mit eigenen Methoden und Stilen. Lessons Learned wurden nicht geteilt, weil sie als irrelevant für andere Fachbereiche angesehen wurden: Was sollte ein Reptilien-Spezialist von Erkenntnissen über Hunde lernen können?
Die Lösung bestand darin, eine AI-Community of Practice (AICOP) zu schaffen. Ähnlich wie bei ACES selbst wurde ein System aufgebaut, das alle verfügbaren Dokumente durchsuchte. Projekte in dieser Organisation dauerten teilweise drei Jahre, und viel Felddaten waren verloren gegangen oder vergessen worden. Die KI konnte diese Informationen extrahieren und wieder zugänglich machen.
Um Vertrauen aufzubauen, wurde ein Spiel namens „Call My Bluff” gespielt: Das Team stellte Fragen, auf die die KI antwortete – teilweise mit korrekten, teilweise mit falschen Antworten. Die Mitarbeitenden sollten die KI herausfordern und ihre Grenzen testen. Über zwei Wochen wurden verschiedene Tests durchgeführt, Berichte generiert und mit bereits existierenden Berichten verglichen.
Eine zentrale Botschaft war: Garbage in, garbage out. Wenn unstrukturierte Daten oder unvollständige Sätze eingegeben werden, wird die KI Schwierigkeiten haben. Die Mitarbeitenden bleiben die Experten, die KI ist lediglich ein Hilfsmittel – ein Elf, wie der Weihnachtsmann-Elf, der unterstützt. Der Mensch muss aber weiterhin die Kontrolle behalten.
Fallstudie 2: Government-Organisation und Veränderungsmanagement
Bei diesem Projekt mit einer Regierungsorganisation war die größte Herausforderung der Widerstand gegen Veränderungen in etablierten Workflows. Die Mitarbeitenden waren häufig Fachexperten und vertraten die Haltung: „Wenn es nicht kaputt ist, repariere es nicht.” Viele hatten Angst, dass die KI ihre Jobs übernehmen würde.
Die Lösung bestand darin, die Governance des KI-Systems gemeinsam zu entwickeln. Mitglieder der Organisation wurden aktiv einbezogen, um zu diskutieren, welche Art von Schulung benötigt wird, wie die Governance gestaltet werden sollte und welche Verbesserungen durch automatisches Tagging von Metadaten und Dokumenten erreicht werden können. Auch Auto-Summaries – ähnlich wie bei einer Google-Suche mit kurzer Zusammenfassung der Suchergebnisse – wurden implementiert.
Bei ACES nennt sich dieses System „Aura” (kurz für „our document management system”). Es nutzt KI für automatisches Tagging und automatische Zusammenfassungen. Erst als die Mitarbeitenden sahen, dass ihre eigenen Inputs von der KI verarbeitet und ausgegeben wurden, entwickelte sich Vertrauen, und die Akzeptanzrate stieg.
Eine weitere Herausforderung war die Vielzahl an Plattformen: SharePoint, Monday.com, Zoho Project und Google – die Organisation nutzte von allem etwas. Die Integration war äußerst schwierig. Trotz intensiver Bemühungen gelang es nicht, die Organisation davon zu überzeugen, auf eine einzige Plattform zu wechseln. Die Mentalität „Wenn es nicht kaputt ist, müssen wir es nicht reparieren” war zu stark.
Dennoch gab es einen Erfolg: Die Angst vor dem Jobverlust durch KI wurde reduziert. Bei einer Überprüfung der Governance zeigte sich, dass die Datenqualität sich verbesserte. Vorher gab es viele Probleme mit unstrukturierten Daten und schwacher Governance. Durch die Ko-Kreation der Governance durch die Mitarbeitenden selbst wurden diese Probleme deutlich reduziert.
Der „Human-in-the-Loop”-Ansatz
Das Konzept „Human in the Loop” zieht sich als roter Faden durch alle KI-Implementierungen bei ACES. Es bedeutet, dass trotz aller Automatisierung der Mensch die letzte Entscheidungsinstanz bleibt und aktiv in den Prozess eingebunden ist.
Ein konkretes Beispiel verdeutlicht dies: Beim Aufbau einer KM-Strategie für eine Organisation wurden 14 Personen interviewt – von der Führungsebene bis zu stellvertretenden Direktoren. Jedes Interview dauerte 90 Minuten und wurde komplett aufgezeichnet. Anhand der Interviews wurden Dokumente erstellt, die sowohl Transkripte als auch Muster enthielten. Eine zentrale Frage war: Was möchten Sie in Ihrer KM-Strategie haben?
Auf Basis aller Inputs wurde ein anderthalbtägiger Workshop durchgeführt. Normalerweise dauert die Entwicklung einer KM-Strategie drei Monate: eineinhalb Monate für die Entdeckungsphase, zwei bis drei Wochen für Methodik und Strategie-Entwicklung, und der Rest für Abstimmung und Akzeptanz. In diesem Workshop wurden in nur acht Stunden (nach der Einführung am ersten halben Tag) eine KM-Strategie, eine KM-Richtlinie und ein automatisiertes Lessons-Learned-System in SharePoint mit Power BI erstellt.
Alle Dokumente waren im Status „Draft 1” – nicht „Draft Zero”, was bedeutet, dass bereits eine erste Überarbeitung stattgefunden hatte. Mit der Absicht, nur ein Dokument zu erstellen, wurden stattdessen zwei Dokumente und ein System entwickelt – alles von 14 Personen gemeinsam unter Nutzung von KI.
Der Erfolg basierte darauf, dass alle Inputs bereits im Vorfeld gesammelt worden waren. Die KI bereitete alles vor, druckte Kopien aus, und die Teilnehmenden änderten die Inhalte ab und präsentierten sich gegenseitig ihre Versionen. Die klare Botschaft lautete: Dies ist nur ein Entwurf, nicht die finale Version. Arbeitet daran weiter und verbessert ihn.
Was normalerweise drei Monate dauert, wurde – inklusive Interviews, Transkription und erster Datenanalyse – in zwei bis maximal drei Wochen erledigt. Der entscheidende Erfolgsfaktor war die Ko-Kreation des Designs durch die Teilnehmenden selbst, das Vertrautwerden mit dem KI-Tool und das kontinuierliche Training, verbunden mit dem klaren Hinweis, dass es sich nur um Entwürfe handelt.
Risiken und Grenzen von KI im Wissensmanagement
Trotz aller Erfolge gibt es klare Risiken und Grenzen beim Einsatz von KI im Wissensmanagement. Ein zentrales Problem ist die Genauigkeit: Selbst bei einem internen, nur auf eigene Dokumente zugreifenden KI-System liegt die Genauigkeit nicht über 80 Prozent. Der Grund ist, dass die KI in den eigenen Gedanken der Nutzer „gefangen” ist.
Die einzige Möglichkeit, präzisere und lösungsnähere Ergebnisse zu erhalten, liegt in der Qualität des Prompts. Prompting ist eine eigene Disziplin mit eigenen Regeln. Ein gutes Prompt setzt präzise Markierungen – wie linke und rechte Begrenzungen auf einer Straße. Das Prompt muss der KI exakt sagen, wo innerhalb dieser Grenzen sie arbeiten soll.
Ein Beispiel aus dem KM-Strategie-Kurs verdeutlicht dies: Wenn man die KI bittet, ein Rezept für Muffins zu geben, erhält man ein Standard-Rezept. Wenn man jedoch sagt: „Nimm die Rolle eines Weltklasse-Konditors ein. Du sollst den besten Muffin kreieren. Er muss diätfreundlich, laktosefrei und für Diabetiker geeignet sein”, wird sich das Rezept zu 30 bis 40 Prozent unterscheiden.
Ungenauigkeiten entstehen auch durch unzureichende Prompts, die keine klaren Grenzen setzen. Checks und Balances sind unverzichtbar – KI-generierte Inhalte dürfen nicht als absolute Wahrheit akzeptiert werden. Die Technologie hat noch nicht den Punkt erreicht, an dem man sagen kann: „Voilà, perfekte Antwort.”
Ein weiterer Aspekt, den KI noch nicht erfassen kann, sind Persönlichkeiten. Wenn du mit Klienten, Mitarbeitenden oder Arbeitgebern arbeitest, spielen individuelle Charaktere eine entscheidende Rolle. Viele Organisationen sind von der Persönlichkeit ihrer Führungskräfte geprägt. Wenn jemand „mit dem falschen Fuß aufgestanden” ist, wird er eine Idee ablehnen – unabhängig von ihrer objektiven Qualität.
Weitere Risiken umfassen Bias (Voreingenommenheit), die Abhängigkeit von Systemen sowie ethische und Datenschutzfragen. Aus diesem Grund besteht ACES darauf, dass ihre KI-Systeme geschlossen sind und nicht auf externe Informationen zugreifen.
Ein praktisches Problem zeigte sich bei einem Kunden: Die Mitarbeitenden wurden zu begeistert von der KI und verließen sich zu stark darauf. Das unterstreicht die Notwendigkeit klarer Governance-Regeln und der kontinuierlichen Betonung, dass die KI ein Werkzeug ist, kein Ersatz für menschliches Denken.
Von Effizienz zu Resilienz: Ein neues Paradigma
Der Vortrag schlägt einen Paradigmenwechsel vor: weg von reiner Effizienz, hin zu Wissensresilienz. Nachhaltigkeit im klassischen Sinne bedeutet, dass natürliche Ressourcen nicht erschöpft werden – Wälder werden geschützt, um das Ökosystem im Gleichgewicht zu halten. Im Wissensmanagement bedeutet Nachhaltigkeit, kritisches Wissen zu identifizieren und sicherzustellen, dass es im System erhalten bleibt, wenn es gefährdet ist.
Wissen sollte am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, im richtigen Medium und idealerweise kostenlos (oder zu minimalen Kosten) verfügbar sein. Wenn KI ins Spiel kommt, muss auch sie diesem Ziel dienen: Wissen nachhaltig zu machen. Das bedeutet, implizites Wissen zu extrahieren, ordentliche Dokumentation sicherzustellen und – was oft ungeliebt ist – Aufgaben wie Taxonomie-Entwicklung, die Verknüpfung von Informationen und den Aufbau von Wissensgraphen und Netzwerken zu übernehmen.
Die KI generiert auch Empfehlungen, aber hier gilt wieder: kein blindes Vertrauen. Der Zweck der KI sollte nicht Effizienz um jeden Preis sein, sondern Kontinuität, das Freisetzen von geistigen Ressourcen und die Sicherstellung durchdachter Prozesse.
Prozesse müssen regelmäßig überprüft werden. Auch hier ist der „Human in the Loop” unverzichtbar. Es wurde nachgewiesen, dass die Verbindung von Menschen und KI funktioniert, aber nur unter der Prämisse, dass KI nicht als Ersatz, sondern als Katalysator dient – wie ein Gedächtnis-Jogger, der einem einen kleinen Anstoß gibt, um weiter kreativ zu denken.
Wissensresilienz bedeutet, Risiken zu antizipieren und mögliche Wissensverluste zu erkennen, bevor sie eintreten. Es geht darum, einen ausgewogenen, transparenten und inklusiven Ansatz zu verfolgen, der Feedback von allen Beteiligten einbezieht. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Wissenssystem resilient und anpassungsfähig bleibt.
Praktische Tools und Arbeitsweisen
Rajesh stellte auch konkrete Tools vor, die seine Arbeitsweise revolutioniert haben. Ein besonders beeindruckendes Beispiel ist Plaud AI (P-L-A-U-D), ein Gerät zur Aufzeichnung und Transkription von Meetings. Das kleine Gerät wird auf den Tisch gelegt oder auf der Rückseite des Telefons befestigt und zeichnet Gespräche auf – selbst Telefonkonversationen, bei denen das Telefon nicht auf Lautsprecher gestellt ist.
Die Aufnahmen werden automatisch transkribiert und basierend auf vordefinierten Prompts strukturiert. Rajesh hat einen eigenen Prompt erstellt, der auf seiner „Knowledge Value Chain” basiert. Jedes Interview wird nach diesem Schema analysiert und kategorisiert – etwa nach Innovation, adaptiven Praktiken, Wissenserstellung oder Verfeinerung.
Die Rohtranskripte werden automatisch in Kategorien wie „Herausforderungen”, „Enabler” oder „Workarounds” eingeteilt. Bei einem Interview mit sechs Personen können alle sechs Dateien zusammengeführt werden, und die KI konsolidiert alle Informationen innerhalb von etwa 30 Minuten. Was traditionell viele Stunden oder Tage gedauert hätte, ist nun eine Frage von zwei bis drei Stunden zusätzlicher menschlicher Überprüfung.
Die Vorteile sind immens: Rajesh macht keine Notizen mehr während Meetings. Er kann der Person in die Augen sehen, aktiv zuhören und sich voll auf das Gespräch konzentrieren, während das System im Hintergrund alles aufzeichnet. Nach dem Meeting liegt eine vollständig strukturierte Dokumentation vor.
Auch die Arbeitsweise bei der Erstellung von Präsentationen hat sich verändert. Rajesh schreibt Ideen einfach kontinuierlich auf, ohne sie in eine Folienstruktur zu zwingen. Später füttert er diese Gedankensammlung in die KI, die daraus eine logische Reihenfolge und Präsentationsstruktur erstellt. Er überprüft diese, passt sie an seinen Stil an – und fertig.
Diese Tools zeigen, dass es nicht darum geht, menschliche Arbeit zu ersetzen, sondern repetitive, zeitraubende Aufgaben zu automatisieren und mentale Kapazitäten für wirklich wichtige Denkarbeit freizusetzen.
Governance und Best Practices
Ein kritischer Erfolgsfaktor für KI-gestützte Wissenssysteme ist eine klare Governance. Es kann kein „Free-for-All”-Ansatz sein – klare Regeln, Rollen und Verantwortlichkeiten sind essentiell, um Wissen nachhaltig zu machen.
Bei ACES wurde eine strikte Regel eingeführt: Dateien werden in einem „Master Copy”-Ordner als „Draft Zero” gespeichert. Jede Änderung wird in einem nach Datum benannten neuen Ordner gespeichert, sodass der gesamte Entwicklungsprozess nachvollziehbar ist. Dies ist besonders wichtig, wenn Kunden ihre Meinung ändern und auf frühere Versionen zurückgreifen möchten. Nach Projektabschluss werden nur die Masterversion und die finale Version aufbewahrt.
Ein weiterer Best-Practice-Ansatz ist die Begrenzung der Dokumenten-Uploads: Maximal fünf Dokumente sollten gleichzeitig hochgeladen werden, um die Gedankenkette der KI nicht zu unterbrechen. Diese praktische Erkenntnis basiert auf Erfahrung und zeigt, dass auch KI-Systeme Grenzen haben.
Die Einbindung von Diversity, Equity und Inclusion (DEI) in KM-Prozesse ist ebenfalls zentral. Wissenssysteme müssen für alle zugänglich sein, einfach zu bedienen, transparent in ihrer Funktionsweise und offen für Feedback. Nur wenn alle Beteiligten aktiv einbezogen werden, kann ein ausgewogenes und faires System entstehen.
Kontinuierliches Lernen und Teilen ist ein weiterer Grundpfeiler. Wissen wächst durch Austausch, und KI kann diesen Prozess erheblich beschleunigen – vorausgesetzt, die menschliche Komponente bleibt im Zentrum.
Fazit und Ausblick
Der Vortrag macht deutlich, dass KI kein Ersatz für menschliche Expertise ist, sondern ein Katalysator für nachhaltigeres Wissensmanagement. Die wichtigste Botschaft lautet: Der Mensch muss immer im Mittelpunkt bleiben – „Human in the Loop” ist keine Option, sondern eine Notwendigkeit.
KI funktioniert wie ein Gedächtnis-Jogger, der einem einen kleinen Anstoß gibt, um weiterzudenken und geistige Kapazitäten für kreative, personalisierte Arbeit freizusetzen. Die Technologie ist hervorragend darin, repetitive Aufgaben zu automatisieren, Informationen zu extrahieren und erste Entwürfe zu erstellen. Doch die finale Anpassung, Kontextualisierung und Entscheidung liegt weiterhin beim Menschen.
Offene Fragen und Herausforderungen:
- Wie können Organisationen mit multiplen Plattformen (SharePoint, Google, Zoho etc.) besser integriert werden, wenn der Widerstand gegen Veränderung stark ist?
- Wie kann die Genauigkeit von KI-Systemen über die aktuellen 80 Prozent hinaus verbessert werden?
- Wie lassen sich Persönlichkeiten und organisationale Kulturen besser in KI-Systeme integrieren?
- Wie kann sichergestellt werden, dass nicht-dokumentiertes, implizites Wissen aus verschiedenen Wissenssystemen weltweit erfasst wird?
Handlungsempfehlungen:
- Beginne mit dem Aufbau von Vertrauen: Teste KI-Systeme intensiv, bevor du sie vollständig einführst. Nutze Methoden wie „Call My Bluff”, um die Grenzen des Systems transparent zu machen.
- Schaffe geschlossene KI-Umgebungen: Lade nur interne Dokumente hoch und verhindere, dass die KI auf das gesamte Internet zugreift. Dies erhöht Kontrolle, Datenschutz und Qualität.
- Implementiere strikte Upload-Regeln: Nicht mehr als fünf Dokumente gleichzeitig hochladen, um die Gedankenkette der KI nicht zu unterbrechen.
- Ko-kreiere Governance mit deinem Team: Lass Mitarbeitende aktiv an der Gestaltung von Regeln, Workflows und Schulungen teilhaben. Dies erhöht Akzeptanz und Vertrauen.
- Nutze klare Prompts: Investiere Zeit in die Entwicklung präziser, kontextreicher Prompts. Sie sind der Schlüssel zu hochwertigen Ergebnissen.
- Dokumentiere Versionen: Nutze datierte Ordner und „Draft Zero”-Konzepte, um Änderungen nachvollziehbar zu machen und bei Bedarf auf frühere Versionen zurückgreifen zu können.
- Integriere DEI-Prinzipien: Stelle sicher, dass dein Wissenssystem für alle zugänglich, transparent und offen für Feedback ist.
- Überdenke deine Terminologie: Bewege dich vom Begriff „Knowledge Management” hin zu „Knowledge Sustainability”, um den Fokus auf langfristige Wissensresilienz zu legen.
Die Zukunft des Wissensmanagements liegt in der intelligenten Ko-Kreation zwischen Mensch und Maschine. KI ermöglicht es, von der reinen Effizienzsteigerung zu echter Wissensresilienz überzugehen. Organisationen, die diesen Wandel aktiv gestalten, werden nicht nur produktiver, sondern auch anpassungsfähiger und innovativer sein. Der Schlüssel liegt darin, Technologie verantwortungsvoll einzusetzen, den Menschen im Loop zu halten und Wissen als lebendiges, sich ständig weiterentwickelndes Ökosystem zu begreifen.