Studien/New Work - Best Practices und Zukunftsmodelle

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Das vom Bundeministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geförderte Projekt »New Work« analysiert die Erfolgsfaktoren für neue Formen der Arbeit und hat dafür in ganz Deutschland interessante Beispiele beschrieben. Wie und über welche Maßnahmen Mitarbeitende in die Managementprozesse einbezogen werden können, hat das Fraunhofer IAO in einer begleitenden Studie untersucht.[1] Unterteilt wurde das Konzept New Work in vier Felder, die nicht trennschaf sind:[2]

  1. Arbeite wo und wann du willst: Umsetzungsformen in Richtung örtlicher und zeitlicher Flexibilisierung von Arbeit
  2. Jenseits der Organigramme & Silos: Umsetzungsformen in Richtung zunehmend agiler und projektbasierter Organisationsformen
  3. Meine Arbeit stiftet mir und anderen Sinn: Umsetzungsformen in die Richtung einer zunehmenden praktischen Relevanz der Wertebasierung von und Sinnstiftung durch Arbeit
  4. Jenseits der Hierarchie: Umsetzungsformen in Richtung veränderter Führungsstrukturen und neuer Machtverteilung durch Enthierarchisierung, partizipative Entscheidungsme- chanismen und Formen der Selbstorganisation.

Kernaussagen

  1. Wir sind überrascht, wie viele Gestaltungsmöglichkeiten sich in privatwirtschaftlichen Unternehmen und sogar in der öffentlichen Verwaltung eröffnen. Der Möglichkeitsraum für New Work ist also sehr groß! Alle untersuchten Fallstudienorganisationen produzieren letztlich in der Logik marktwirtschaftlicher Bedingungen – und zeigen große Unterschiede in der Schwerpunktsetzung und im Herangehen an organisatorische und arbeitswissenschaftliche Gestaltungsrichtungen. Wir erlebten New Work damit bei einer Vielzahl unterschiedlicher Organisationen und eben nicht nur bei hippen Start-ups. Zudem waren die Formen für einen breiten Belegschaftskreis geeignet und nicht nur für die digitale Boheme.
  2. Produktionsbedingungen und die Charakteristika der Arbeitsprozesse genauso wie die Unternehmensgröße haben einen klaren Einfluss auf die Möglichkeit, New-Work-Konzepte umzusetzen. Ortsflexible Arbeit funktioniert nicht für produzierende Arbeitseinheiten am Band; spezifische Flexibilisierungsformen z. B. der Arbeitszeitflexibilisierung und -individualisierung machen eine bestimmte »Vertretungsmasse« an Mitarbeitenden nötig und erfordern ein ermöglichendes Flexibilisierungsmanagement – und damit letztlich eine hinreichende Unternehmensgröße, die spezifische interne Servicefunktionen etablieren kann (Fallstudie Trumpf). Aber wir konnten andererseits zeigen: Auch in einem Handwerksunternehmen mit 30 Mitarbeitenden (Fallstudie Bäckerei Leonhardt) kann eine flexible und teamorganisierte Schichtplanung realisiert werden; ebenso ist in produzierenden Strukturen ein höheres Maß an Selbstorganisation und Teamverantwortlichkeit möglich (Fallstudie BorgWarner), die ansonsten eher klassischen Bereichen der Wissensarbeit zugeschrieben werden.
  3. Diese Kraftanstrengung für eine erfolgreiche Kulturentwicklung ist umso besser wirksam zu machen, je überzeugter und konsequenter die führenden Köpfe für diese Veränderungen stehen und sie vorantreiben und je intensiver die Mitarbeitenden sich beteiligen können – das zeigen unsere Beispiele (z. B. die Fallstudie der Daimler AG oder die des Unternehmens Prämandatum). Das Ziel, die Mission, der ”Purpose” müssen klar sein, um Menschen in Bewegung zu bringen.
  4. Wir sehen eine alte Erkenntnis des Veränderungsmanagements bestätigt: Etablierte Strukturen, über längere Zeit gewachsen, prägen die Kultur und erfordern eine lang andauernde Kraftanstrengung, die Beteiligten im Sinne der neuen Ansätze wirklich in Bewegung zu bringen. Die alte Kultur “zieht” zurück – und muss für die erfolgreiche Veränderung sehr entschlossen durch ein nachvollziehbares und attraktives Entwicklungsziel ersetzt werden. Das bedeutet aber auch: Je älter – und größer – die Organisation, umso schwerer fällt es naturgemäß, diese Veränderungen zu erzielen bzw. umso langfristiger müssen die Anstrengungen zur Weiterentwicklung der Kultur angelegt sein. Und umgekehrt bedeutet das natürlich auch: Führungskräfte, die diese Veränderungen nicht (“wirklich, wirklich”) wollen, können damit ein echtes Hindernis sein. Aber unsere Fallstudien zeigen: Sind diese intrinsisch motiviert (Fallstudie Prämandatum) oder werden sie sorgfältig in den Prozess einbezogen und darauf vorbereitet (Fallstudie Telekom), können anspruchsvolle New-Work-Konzepte realisiert werden.
  5. Darum erscheint es folgerichtig, dass gerade in den Fallstudien (Fallstudie P3 Automotive), die bisher weit verbreitete Organisationsprinzipien (wie z.B. feste Abteilungsstrukturen) aufgeben, in der Suchsystematik nach geeigneten Mitarbeitenden vor allem auf deren erforderliches Mindset bzw. deren Passung abgezielt und weniger auf formale Qualifikationen, Berufsbilder oder Abschlüsse geachtet wird. Denn gerade da, wo eben keine festen Organisationsprinzipien mehr Sicherheit bieten können, wird es wesentlich, Mitarbeitende bzw. Mitstreitende zu finden, die sich gut und aktiv in die Zielkultur einpassen, da nur diese einen orientierenden Rahmen für die tägliche Arbeit geben kann und in hoch veränderlichen Zeiten die wesentliche Orientierung bietet.
  6. Insbesondere die Stoßrichtung der New Work, die in Richtung der raumzeitlichen Flexibilisierung geht, ist am weitesten vorangeschritten und erscheint deutlich selbstverständlicher als z. B. weitgehende Demokratisierungsansätze in Bezug auf unternehmensstrategische Entscheidungen. Orts- und zeitbezogene Flexibilisierung von Arbeit bedient Interessen der Dispositionsfähigkeit des Unternehmens, ist aber auch eine Reaktion auf die Arbeitsmarktsituation, die Mitarbeitenden eine größere Marktmacht verleiht. Und sie ist massiv getrieben von sich aktuell schnell weiterentwickelnden IT-Komponenten, die viele Formen virtueller Zusammenarbeit auch über Zeitzonen hinweg möglich machen. In unseren Veranstaltungen waren allerdings die Ansätze in Richtung Hierarchieabbau und Partizipation die am intensivsten (und kontroversesten) diskutierten Veränderungsrichtungen.
  7. Unsere Fallstudien zeigen exemplarisch, dass New-Work-Konzepte sehr häufig unter ausdrücklicher Beachtung personalseitiger Wünsche nach besserer Vereinbarkeit und Individualisierbarkeit realisiert werden und dass diese Wünsche, wie systematische Evaluationen zeigen, auch umgesetzt werden (Fallstudie Daimler AG, Fallstudie DKB). Doch wir konstatieren ebenso, dass Ziele wie Individualisierung oder größere Partizipation natürlich auch etwas einfordern: eine größere Selbstverantwortlichkeit in der Gestaltung von Arbeitszeiten, Selbstbegrenzung zur Vermeidung übergroßer Entgrenzung von Arbeits- und Lebenswelten, eine ausdrückliche Kompromissfähigkeit in Bezug auf Kolleginnen und Kollegen und deren Bedürfnisse rund um ihre Arbeitsgestaltung sowie die Bereitschaft, deutlich mehr und intensiver Themen abzustimmen, Verhaltensformen zu klären und Regeln zu definieren. So gesehen können wir die obige These im Rahmen unserer Untersuchung nicht bestätigen – aber wir möchten gerne unterstreichen, dass New-Work-Konzepte einer ausdrücklichen Mitgestaltung und Mitverantwortlichkeit aller Beteiligten bedürfen.

Weblinks

Einzelnachweise

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