Gkc25/Familiengeschichten - Wissenstransfer ins Private

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Version vom 23. November 2025, 16:01 Uhr von Simon.dueckert (Diskussion | Beiträge)
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Diese Session behandelt die Übertragung von Wissensmanagement-Methoden aus dem Unternehmenskontext auf die Erfassung und Sicherung von Familiengeschichte. Im Mittelpunkt steht die Entwicklung einer Familien-Wissenslandkarte, die sowohl explizites als auch implizites Wissen über mehrere Generationen hinweg dokumentiert. Die Teilnehmenden diskutieren Kategorien, Strukturen und Transfermethoden, um Familiengeschichten zu bewahren, wobei sie die emotionale Komplexität und Sensibilität des Themas berücksichtigen. Es wird deutlich, dass dieser Ansatz großes Potenzial bietet, aber auch besondere Herausforderungen mit sich bringt, insbesondere im Umgang mit transgenerationalen Traumata und unterschiedlichen Wahrnehmungen innerhalb von Familien.

Hauptthemen der Präsentation:

  1. Grundkonzept der Familien-Wissenslandkarte
  2. Wissenskategorien und Strukturelemente
  3. Explizites und implizites Wissen in Familien
  4. Transfermethoden und Darstellungsformen
  5. Sensibilität und emotionale Aspekte
  6. Praktische Umsetzung und Pilotierung

Grundkonzept der Familien-Wissenslandkarte

Die Familien-Wissenslandkarte überträgt Methoden aus dem Wissensmanagement von Organisationen auf den familiären Kontext. Im Unternehmensumfeld werden Wissenslandkarten genutzt, um das Wissen ausscheidender Mitarbeiter zu sichern und transferrelevante Wissensaspekte zu identifizieren. Diese Logik lässt sich auch auf Familiengeschichte anwenden, um wertvolles Wissen vor dem unwiderruflichen Verlust durch das Sterben von Familienangehörigen zu bewahren.

Der Ansatz basiert auf der Erkenntnis, dass mit dem Tod der Großeltern-Generation oft viel Familiengeschichte verloren geht. Die Wissenslandkarte ist dabei nicht das fertige Dokument der Wissensdokumentation, sondern ein methodisches Werkzeug, um auf transferrelevante Aspekte zu navigieren und diese dann zu erfassen.

Die Landkarte ist konzeptionell zweidimensional darstellbar, in der Realität jedoch dreidimensional, weil die verschiedenen Aspekte im Hintergrund miteinander verknüpft sind. Diese Vernetzung ist ein wesentliches Merkmal, das die Komplexität von Familiengeschichte widerspiegelt.

Ein grundsätzliches Prinzip ist die Freiwilligkeit. Es darf kein Zwang herrschen, dass Wissensaspekte transferiert werden müssen. Jeder Mensch hat das informationelle Selbstbestimmungsrecht und die Autonomie über die eigenen Informationen. Es gibt Aspekte, die jemand vielleicht nicht in der Wissenslandkarte haben oder weitergeben möchte.

Die Landkarte kann auf verschiedenen Ebenen existieren: als individuelle Landkarte einer einzelnen Person oder als kollaborative Familienlandkarte, die aus mehreren individuellen Landkarten zusammengesetzt wird. Aus der individuellen Perspektive entwickelt sich durch Integration mehrerer Einzelperspektiven eine gemeinsame Familienlandkarte.

Wissenskategorien und Strukturelemente

Als zentrale Strukturelemente der Familien-Wissenslandkarte werden verschiedene Hauptkategorien vorgeschlagen, die als Äste einer Mindmap verstanden werden können. Der Stammbaum bildet einen guten Ausgangspunkt, da er die grundsätzliche Frage beantwortet: Wer gehört überhaupt zu meiner Familie? Er zeigt die Beziehungen auf, auf denen alle folgenden Aspekte aufbauen.

Die Kategorie Orte umfasst mehrere Dimensionen: Geburtsorte, Wohnorte, Urlaubsorte und Hochzeitsorte. Dazu gehören Dörfer, Städte, Länder und auch konkrete Wohngebäude. Bei Umzügen ist es wichtig zu erfassen, wann jemand wo gewesen ist. Im ländlichen Bereich sind oft Bauernhöfe und Familiengehöfte relevant, mit Informationen darüber, wer einen Hof an wen übergeben hat und wer in welches Gebäude gezogen ist. Auch Baumaßnahmen, Neubauten, Umbauten und Renovierungen können bedeutsam sein.

Die zeitliche Dimension spielt eine wichtige Rolle. Ein Zeitstrahl ermöglicht es, Ereignisse in einen bestimmten Kontext zu setzen. Es ist interessant zu wissen, wie alt jemand in welcher geschichtlichen oder politischen Phase war. Man kann vom Geburtsdatum ausgehend überlegen, in welchem Alter die Person welche historischen Ereignisse erlebt hat.

Bei Personen wird unterschieden zwischen Familienmitgliedern und anderen Menschen, die für ein Individuum innerhalb der Familie eine Bedeutung hatten. Dazu zählen Freunde, Bekannte, aber auch Nachbarn, die manchmal zu Feinden wurden. Diese sozialen Beziehungen prägen die Familiengeschichte erheblich.

Ereignisse bilden eine weitere zentrale Kategorie. Dabei werden persönliche Ereignisse unterschieden von Weltereignissen. Zu persönlichen Ereignissen gehören Hochzeiten, Geburten, Urlaube und persönliche Erfolge. Weltereignisse umfassen politische Umbrüche wie die Wendezeit, wirtschaftliche Entwicklungen wie die Weltwirtschaftskrise oder Kriege, die das Leben der Familienmitglieder beeinflusst haben.

Die Kategorie äußere Rahmenbedingungen kann nach der PESTEL-Methode strukturiert werden, die aus dem Unternehmenskontext stammt. PESTEL steht für Politics, Economics, Social, Technology, Legislative und Ecology. Diese Bereiche ermöglichen es, das eigene Leben vor dem Hintergrund der jeweiligen Umfeldbedingungen darzustellen.

Explizites und implizites Wissen in Familien

Die Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen ist für die Familiengeschichte ebenso relevant wie im Organisationskontext. Explizites Wissen liegt bereits in dokumentierter Form vor, während implizites Wissen oft unbewusst ist und erst durch gezielte Methoden erschlossen werden muss.

Zu den expliziten Elementen gehören Biografiebücher, Stammbäume, Fotoalben, alte Bilder und Dokumente. Oft liegen diese Materialien bereits vor, sind aber meist ohne ausreichende Erklärungen. Ein Fotoalbum zeigt vielleicht Bilder, aber an den wenigsten Stellen ist erklärt, wer die Personen sind oder in welchem Kontext die Aufnahmen entstanden sind. Auch historische Gegenstände, die in Familien weitergegeben und aufbewahrt werden, gehören zum expliziten Wissen.

Praktische Aspekte wie Finanzen, Instandhaltung von Immobilien oder Passwörter sind ebenfalls explizite Wissensbestände, die bei der Übergabe von Verantwortlichkeiten relevant werden. Diese Aspekte mögen zunächst offensichtlicher erscheinen, haben aber auch in der Tiefenbohrung interessante Dimensionen.

Die Besonderheit liegt jedoch im Impliziten. Hier geht es um tradiertes Wissen, das nie wirklich ausgesprochen wurde, aber irgendwie mitschwingt und über Generationen mitgeht. Dazu gehören Geschichten, Verhaltensweisen, Glaubenssätze und Regeln, die meist nie explizit gesagt wurden, aber dennoch wirken.

Typische Beispiele für implizite Glaubenssätze sind: “Indianer kennen keinen Schmerz”, “Wir müssen immer fleißig sein”, “Wir dürfen uns nie ausruhen” oder “Es wird alles aufgegessen, was auf dem Tisch ist”. Letzteres kann Flüchtlingshintergründe haben, wo Traumata aus Zeiten herrschen, in denen die Großeltern fast verhungert wären.

Besonders wichtig sind nicht gelebte oder verborgene Talente. Es ist aufschlussreich zu erfragen, was Menschen ursprünglich werden wollten. Oft konnten sie ihre Wünsche nicht ausleben, weil das Studium nicht bezahlt werden konnte oder weil gesellschaftliche Zwänge bestanden. Jemand wollte vielleicht Musiker werden, durfte aber nicht, weil es als brotlose Kunst galt. Diese versteckten Talente und ungelebten Lebensentwürfe zu erfassen, ist wertvoll.

Die Familienkultur ist ein weiterer impliziter Aspekt. Dazu gehört, wie Feiertage gefeiert werden. Manchmal wird erst bewusst, dass keine eigene richtige Familienkultur zu Weihnachten existierte, wenn man das Fest in einem anderen Kontext erlebt. Die Auseinandersetzung damit kann helfen, ein Bewusstsein für die eigene Familienkultur zu entwickeln.

Leidenschaften und Hobbys geben Einblick, wofür ein Mensch brennt. Dabei ist zu unterscheiden: Die Leidenschaft des Wissensmanagements zu haben bedeutet nicht automatisch, dass es die Lieblingsbeschäftigung ist. Diese Differenzierung ist wichtig, um die Person wirklich zu verstehen.

Transfermethoden und Darstellungsformen

Für die Sicherung und Darstellung der Familien-Wissenslandkarte stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Die zentrale Frage lautet: Wie wollen wir das Wissen transportieren und für wen?

Die Mindmap ist eine grundlegende Darstellungsform zum Erfassen der verschiedenen Kategorien. Sie ermöglicht es, die Hauptäste und Verzweigungen zu visualisieren. Allerdings hat eine Familiengeschichte mehrere Dimensionen und Kategorien, sodass eine einfache Mindmap möglicherweise nicht ausreicht.

Eine digitale Umsetzung bietet den Vorteil, dass man von einer Hauptoberfläche ausgehend auf einzelne Aspekte klicken kann, um tiefer einzusteigen. Wenn man beispielsweise auf den Ast Stammbaum klickt, wäre dahinter der detaillierte Stammbaum hinterlegt. Bei einem Ort könnte man Fotos, Geschichten und weitere Informationen verlinken.

Die Kombination aus analog und digital wird als hybrid bezeichnet und scheint besonders sinnvoll. Eine Art Truhe, Box oder Schatzkiste kann physische Gegenstände enthalten: alte Fotoalben, Dokumente, Briefe oder Objekte, die man nicht zerpflücken möchte. Diese haben einen besonderen Wert, wenn man sie in der Hand hält. Gleichzeitig können diese Materialien digitalisiert und mit Metadaten versehen werden, um die Vernetzung und Durchsuchbarkeit zu ermöglichen.

Interviews stellen eine wichtige Transfermethode dar. Es braucht ein dialogisches Element, um an das implizite Wissen heranzukommen. Dabei sollten die Gespräche nicht als gestelltes Interview wirken, sondern als natürliche Erzählsituation. Es gibt fertige Produkte wie “Papa erzähl mal”, “Mama erzähl mal” oder “Großeltern erzählt mal” – Bücher mit vorbereiteten Fragen, die zum Erzählen anregen.

Audio- und Videoaufnahmen sind besonders wertvoll für Anekdoten und Geschichten. Wenn derjenige noch lebt oder jemand das Ereignis miterlebt hat, ist es schön, die Geschichte als Audio oder Video aufzunehmen. Diese Aufnahmen werden zu Zeitdokumenten, die die Stimme und das Wesen der Person bewahren. Ein guter Zeitpunkt für solche Aufnahmen ist, wenn die Menschen zwar schon älter sind und das Langzeitgedächtnis vielleicht nicht mehr perfekt funktioniert, aber die ganzen Geschichten noch gut zusammenbekommen.

Es wurde auch erwähnt, dass eine Freundin zwanzig ältere Damen aus einem Dorf bei Münster interviewt und daraus ein Buch gemacht hat mit dem Titel “Unerhörte Geschichten”. Solche Projekte können für die Interviewten und den Verlag wertvoll sein, haben aber keine große Breitenwirkung.

Bilder rufen Erinnerungen hervor und können Anlass zum Geschichtenerzählen sein. Alte Fotoalben, die ohne Erklärung sind, können durch gemeinsames Betrachten und Erzählen mit Bedeutung gefüllt werden. Das Einscannen dieser Materialien ist ein erster Schritt, aber die wahren Geschichten erschließen sich oft nur dem Kreis derer, die dabei waren.

Ein kreativer Ansatz ist die Entwicklung eines Familienwappens. Dies kann ein gemeinsames Familien-Event sein, bei dem die Familie symbolisch ausdrückt, was sie ausmacht und welche Werte sie teilen möchte. Auch wenn dies nicht mit jeder Familie umsetzbar ist, kann es Spaß machen, wenn sich die Beteiligten darauf einlassen.

Die Darstellung auf einer Zeitleiste ermöglicht es, Ereignisse in einen zeitlichen Kontext zu setzen und zu sehen, wann was in welcher Phase genau passiert ist. Für berühmte Persönlichkeiten existieren solche Zeitleisten bereits, aber auch für gewöhnliche Familiengeschichten kann dies interessant sein.

Sensibilität und emotionale Aspekte

Die Arbeit an einer Familien-Wissenslandkarte ist hochsensibel und emotional komplex. Es ist wichtig, sich dieser Dimension bewusst zu sein und sie nicht zu unterschätzen, auch wenn man analytisch und ergebnisorientiert vorgeht.

Ein zentraler Punkt ist, dass gleiche Dinge von verschiedenen Familienmitgliedern ganz unterschiedlich erlebt werden. Die Wahrnehmung ist subjektiv, und Wahrheiten sind vielfältig. Was für ein Familienmitglied eine prägende Erinnerung ist, kann für ein anderes völlig anders gewesen sein. Diese Differenziertheit muss berücksichtigt werden.

Familien haben per se Tretminen. Es gibt transgenerationale Traumata und Themen, die niemals angesprochen werden sollten oder vergessen werden sollen. Manche Menschen gehören zur “Generation Schweigen” oder praktizieren ein “Teamschweigen”. Es gibt gute Gründe, warum bestimmte Themen nie angesprochen wurden – weil sie zu schmerzhaft waren oder mit Scham und Schuld verbunden sind.

Bei der Aufnahme einer Familien-Wissenslandkarte können Themen aufbrechen, die man nicht erwartet hat. Man plant eine Richtung, und plötzlich geht das Gespräch in eine völlig andere Richtung. Man fällt wie in ein “Rabbit Hole” – eine Anspielung auf Alice im Wunderland – und wird in eine Fantasiewelt gezogen, aus der man anders wieder herauskommt.

Es ist wichtig, die Familie zu sensibilisieren, dass man möglicherweise auf Dinge stößt, die überraschen oder schockieren können. Eine gewisse Dramaturgie in der Herangehensweise ist sinnvoll: deutlich machen, dass es auch schwierige Themen geben kann, und dass jedes Familienmitglied das Recht hat zu sagen, dass etwas bei ihm bleiben soll.

Konflikte sollten als eigene Kategorie erfasst werden. Dazu gehören auch kriminelle Erlebnisse oder Handlungen, wobei manche Dinge erst kriminell werden, wenn sich die Gesellschaft weiterentwickelt. Die Frage stellt sich: Soll die Familie das schon zu Lebzeiten der betreffenden Person sehen, oder erst wenn sie gestorben ist?

Ein Aspekt ist die unterschiedliche Offenheit je nach Zustand der Person. Bei älteren Menschen, die möglicherweise schon etwas Alkohol getrunken haben, kann es sein, dass sie plötzlich voll in ihrer Leidenschaft sind und Dinge erzählen, die sie sonst nicht preisgeben würden. Ein Großvater hat beispielsweise vom Krieg erzählt, aber auf eine besondere Art – mehr als Abenteuergeschichten.

Die emotionale Tiefe sollte trotz der analytischen Herangehensweise nicht vergessen werden. Beziehungen sind komplex, und die ersten Beziehungen zu Eltern und Geschwistern prägen grundlegend. Gerade diese Themen können sehr emotional sein.

Es gibt auch die andere Seite: Manche Dinge sind besser gut verdrängt als schlecht verarbeitet, wie ein Kollege einmal sagte. Nicht alles muss aufgearbeitet werden. Die Autonomie jeder Person muss gewahrt bleiben – niemand sollte gezwungen werden, etwas preiszugeben oder sich zu öffnen.

Systemische Familienaufstellungen können eine Methode sein, um Beziehungen darzustellen und zu verstehen, in welchen Beziehungen Menschen zueinander stehen. Dies hat eine psychologische Dimension, die nicht unterschätzt werden sollte.

Praktische Umsetzung und Pilotierung

Die konkrete Umsetzung einer Familien-Wissenslandkarte erfordert sorgfältige Planung und die Berücksichtigung verschiedener Faktoren. Ein persönlicher Anlass war, dass viel Familiengeschichte mit dem Tod des Großvaters unwiderruflich verloren gegangen ist. Dies motiviert, aktiv zu werden, bevor weiteres Wissen verloren geht.

Ein Pilotprojekt wurde mit der eigenen Mutter gestartet. Zunächst wurde alles, was verfügbar war, eingescannt. Die Mutter zeigte alte Bücher mit Bildern, an denen wenig erklärt war. Dieses Material bildete die Grundlage für weitere Gespräche und Dokumentation.

Die Frage, wer die Wissenslandkarte erstellt, ist wichtig. Es kann eine einzelne Person sein, die ihre individuelle Landkarte aufbaut. Es kann aber auch ein kollaborativer Prozess sein, bei dem mehrere Familienmitglieder zusammenarbeiten. Ein Familien-Event könnte organisiert werden, bei dem gemeinsam an der Wissenslandkarte gearbeitet wird.

Der Transferplan ist ein zentrales Element. Er beantwortet die Fragen: Was ist zu transferieren? Für wen ist das interessant? Wie sieht die Transfermethode aus? Wer lebt das Wissen, was dort erfasst wurde? Wer nimmt es wahr, damit es nicht nur da liegt?

Bei der Umsetzung ist zu berücksichtigen, dass verschiedene Aspekte unterschiedlich sensibel sind. Man kann differenziert mit der eigenen großen Landkarte umgehen und entscheiden, dass ein Wissensaspekt für die gesamte Familie zugänglich ist, während ein anderer nur dem engsten vertrauten Kreis anvertraut wird.

Die Nutzung von Wissenskategorien, die aus einem Organisationsverständnis abgeleitet sind, hilft bei der Strukturierung. Die Kategorien, die im Unternehmenskontext verwendet werden – Prozess, Arbeitsorganisation, persönliches Netzwerkwissen, Fachwissen – lassen sich teilweise übertragen, müssen aber an den familiären Kontext angepasst werden.

Software-Lösungen können die Arbeit unterstützen. Es gibt bereits fertige Stammbaum-Software mit verschiedenen Kategorien, die Überschneidungspotenzial mit der Familien-Wissenslandkarte bieten. Miro-Boards oder ähnliche Tools können für die Visualisierung genutzt werden.

Die Fortschreibung der Landkarte ist ein wichtiger Aspekt. Eine Wissenslandkarte ist nicht statisch, sondern entwickelt sich weiter. Aus der individuellen Landkarte einer Person wird ein Teil der Wissenslandkarte der Familie. Die Frage ist, wann und wie eine solche Landkarte aktualisiert wird.

Es ist auch möglich, die Landkarte retrospektiv für die eigene Familie zu erstellen oder prospektiv für die Zukunft zu gestalten: Was möchte ich meinen Kindern mitgeben? Welche Werte sind mir wichtig? Dies kann auch ein Wertetransport sein.

Die Herausforderung besteht darin, dass viele gute Ansätze existieren – Bücher mit vorbereiteten Fragen, Biografieprojekte – aber oft liegt das Material dann jahrelang rum und wird nicht befüllt. Die Umsetzung erfordert Engagement und Konsequenz.

Fazit und Ausblick

Die Familien-Wissenslandkarte ist ein vielversprechender Ansatz, um Familiengeschichte systematisch zu erfassen und für nachfolgende Generationen zu bewahren. Die Übertragung von Wissensmanagement-Methoden aus dem Unternehmenskontext auf den familiären Bereich bietet strukturierte Zugänge zu komplexen, emotional aufgeladenen Themen.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Diskussion sind:

  • Die Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen ist fundamental. Während explizite Materialien wie Fotos und Dokumente oft schon vorhanden sind, muss implizites Wissen wie Glaubenssätze, nicht gelebte Talente und Familienkultur erst erschlossen werden.
  • Die Kategorisierung in Hauptäste wie Stammbaum, Orte, Ereignisse, Personen, äußere Rahmenbedingungen, Gesundheit und Familienkultur hilft, strukturiert vorzugehen und verschiedene Dimensionen zu erfassen.
  • Sensibilität und Freiwilligkeit sind essentiell. Familien haben Traumata und Tabuthemen, die respektiert werden müssen. Jeder hat das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
  • Hybride Ansätze, die Analoges und Digitales verbinden, scheinen am vielversprechendsten. Physische Objekte behalten ihren emotionalen Wert, während digitale Vernetzung Zusammenhänge sichtbar macht.
  • Interviews und Erzählsituationen sind zentrale Methoden, um an implizites Wissen heranzukommen, insbesondere solange die älteren Generationen noch leben und ihre Geschichten erzählen können.

Offene Fragen:

  • Wie kann die Balance zwischen analytischer Strukturierung und emotionaler Sensibilität in der Praxis am besten gelingen?
  • Welche Rolle spielen unterschiedliche Wahrnehmungen und Wahrheiten verschiedener Familienmitglieder beim Erstellen einer gemeinsamen Familienlandkarte?
  • Wie motiviert man Familien, solche Projekte nicht nur zu starten, sondern auch konsequent fortzuführen?
  • Welche technischen Lösungen eignen sich am besten für die Vernetzung und Darstellung der verschiedenen Dimensionen?

Handlungsempfehlungen:

  • Starte mit dem Pilotieren: Beginne mit einer individuellen Wissenslandkarte oder einem begrenzten Projekt mit einem Familienmitglied, um Erfahrungen zu sammeln.
  • Schaffe Bewusstsein für die Sensibilität des Themas: Kommuniziere von Anfang an, dass schwierige Themen auftauchen können und dass Freiwilligkeit oberstes Prinzip ist.
  • Nutze vorhandenes Material: Scanne alte Fotos und Dokumente ein und ergänze sie durch Gespräche mit Zeitzeugen, solange diese noch leben.
  • Kombiniere Methoden: Setze auf hybride Ansätze, die sowohl analoge Objekte bewahren als auch digitale Vernetzung ermöglichen.
  • Mache es zu einem gemeinsamen Projekt: Erwäge Familien-Events, bei denen mehrere Generationen zusammenkommen, um gemeinsam Geschichten zu teilen und zu dokumentieren.
  • Beginne mit zugänglichen Kategorien: Starte mit dem Stammbaum und Orten, bevor du dich an emotional komplexere Themen wie Konflikte oder Traumata heranwagst.
  • Respektiere Grenzen: Akzeptiere, wenn Familienmitglieder bestimmte Informationen nicht teilen möchten, und gewähre jedem Autonomie über die eigenen Geschichten.
  • Sichere rechtzeitig: Warte nicht zu lange mit der Umsetzung, da mit jeder verstorbenen Generation unwiederbringliches Wissen verloren geht.