Gkc25/Wissenstransfer in der Praxis - die Entstehung des Buches als Co-Creation, das Autorenspezial für das gkc25
Dieses Buch ist das Ergebnis einer zweieinhalbjährigen Zusammenarbeit von drei Autor:innen, die ihre über 15-jährige Praxiserfahrung im moderierten Wissenstransfer zusammengetragen haben. Jenny Stumper und Ingo Cell berichten von der Entstehung ihres Praxisbuchs, das Trainer:innen, Personalentwickler:innen und Führungskräfte befähigen soll, strukturierte Wissenstransferprozesse eigenständig durchzuführen. Die Besonderheit liegt in der Kombination aus fundierter Methodik, authentischen Praxisfällen und der ehrlichen Darstellung auch schwieriger Transfersituationen. Das Buch bietet einen standardisierten Prozess, der gleichzeitig genug Flexibilität für unterschiedliche Unternehmenskontexte lässt.
Hauptthemen der Präsentation:
- Die Entstehungsgeschichte des Buchs und die Zusammenarbeit im Autorenteam
- Der kollaborative Schreibprozess über zweieinhalb Jahre
- Herausforderungen und Erfolgsfaktoren beim gemeinsamen Buchschreiben
- Praxisbeispiele aus der Wissenstransfer-Arbeit
- Grenzen und Herausforderungen im Wissenstransfer
- Zeitaufwand und Strukturierung von Wissenstransferprozessen
- Ausblick auf die zweite Auflage und Weiterentwicklung
Die Entstehungsgeschichte des Buchs und die Zusammenarbeit im Autorenteam
Die Initialzündung für das Buch kam von der dritten Co-Autorin Amelie Funke, die bereits erfahrene Autorin bei Managerseminare war. Nach einem anderthalbstündigen fachlichen Austausch zu einem konkreten Wissenstransfer-Fall schlug sie vor, das fundierte Wissen in Buchform zu bringen. Amelie Funke hatte bereits Kontakte zum Verlag und konnte den Weg ebnen.
Das Besondere beim Managerseminare-Verlag ist das demokratische Auswahlverfahren: Bevor ein Buch tatsächlich in Auftrag gegeben wird, erstellen die Autor:innen einen Pitch, der an die gesamte Leserschaft geschickt wird. Die Leser:innen entscheiden dann, ob sie ein solches Buch kaufen würden. Mehr als 60 Prozent der Newsletter-Empfänger:innen zeigten Interesse am geplanten Wissenstransfer-Buch, woraufhin die Autor:innen den offiziellen Auftrag erhielten.
Die Zusammensetzung des Autorenteams war strategisch gewählt: Jenny Stumper bringt zehn Jahre Erfahrung in der Moderation von Wissenstransfer-Prozessen mit und ist Bildungs- und Erziehungswissenschaftlerin. Ingo Cell kommt aus der Personalentwicklung, hat Elektrotechnik und Informatik studiert und führte Wissenstransfer international im Konzern Vattenfall ein. Amelie Funke ergänzte das Team als erfahrene Moderatorin und Autorin, die vor allem die Perspektive der Leser:innen einbringen konnte.
Die Zielgruppe des Buchs sind primär Trainer:innen, Personalentwickler:innen, Führungskräfte und Menschen, die im Unternehmenskontext mit Wissenstransfer arbeiten. Das Buch wurde bewusst so geschrieben, dass es auch autodidaktisch nutzbar ist, ohne dass man vorher Wissensmanagement studiert haben muss. Durch die Kombination aus zwei Praktiker:innen und einer Moderatorin wurde sichergestellt, dass die Inhalte sowohl fachlich fundiert als auch für Nicht-Expert:innen verständlich sind.
Der kollaborative Schreibprozess über zweieinhalb Jahre
Der Schreibprozess erstreckte sich über knapp zweieinhalb Jahre und fand komplett kollaborativ in einem gemeinsamen Google-Dokument statt. Diese Arbeitsweise war zunächst eine Verhandlungssache, da die erfahrene Co-Autorin Amelie Funke ursprünglich vorschlug, jedes Unterkapitel als separates Dokument in einer Dropbox zu speichern. Jenny Stumper setzte sich jedoch für die kollaborative Arbeit in einem gemeinsamen Dokument ein, was letztendlich mehrere Vorteile bot.
Das Google-Dokument ermöglichte es allen drei Autor:innen, gleichzeitig zu arbeiten, Querverweise zu setzen, zwischen Kapiteln zu springen und mit unterschiedlichen Farben zu kennzeichnen, wer welchen Teil geschrieben hat. Jede:r Autor:in hatte eine eigene Farbe für ihre Texte und Kommentare. Rechts neben dem eigentlichen Text gab es eine Spalte für Meta-Informationen, in der vermerkt wurde, wer mit welchem Kapitel fertig ist, wo noch Praxisbeispiele fehlen oder wer eine bestimmte Grafik erstellen soll.
Die Struktur des Buchs entwickelte sich erst im Laufe des Schreibprozesses. Zunächst gab es eine große Sammlung von Themen, die dann nach und nach in eine logische Reihenfolge gebracht wurden. Selbst bis zum Schluss wurden noch ganze Blöcke verschoben, um die bestmögliche Struktur für die Leser:innen zu schaffen. Das Inhaltsverzeichnis war von Anfang an vorhanden und diente als Orientierung für die Aufgabenverteilung.
Die Arbeitsteilung funktionierte durch regelmäßige Abstimmungen: Bis zum nächsten Termin übernahm jede:r bestimmte Kapitel oder Unterkapitel. Jenny Stumper wünschte sich zu Beginn einen großen zusammenhängenden Block, den sie komplett durchschreiben konnte, bevor die anderen kommentierten. Die anderen beiden Autorinnen zeigten Geduld, was besonders wichtig war, da Jenny in dieser Zeit ein Kind bekam und dadurch zeitweise unregelmäßiger arbeiten konnte.
Ein besonderes Merkmal des Schreibprozesses war, dass es keine Konkurrenzsituationen gab. Niemand ärgerte sich darüber, dass jemand anders ein bestimmtes Kapitel geschrieben hatte. Stattdessen ergänzten sich alle gegenseitig inhaltlich. Amelie Funke übernahm zunehmend die Rolle der Textglätterin, die aus den fachlichen Inhalten einen gut lesbaren Buchtext machte. Diese Rollenverteilung entwickelte sich organisch, war aber anfangs nicht klar definiert.
Herausforderungen und Erfolgsfaktoren beim gemeinsamen Buchschreiben
Eine der größten Überraschungen für Jenny Stumper war, dass es während des gesamten Schreibprozesses keinen einzigen Moment gab, in dem sie nicht weiterschreiben wollte. Im Gegensatz zu früheren Schreiberfahrungen mit Hausarbeiten und anderen akademischen Texten, bei denen es immer Phasen des Widerstands und der Prokrastination gab, war das Schreiben über ihr Herzensthema durchweg von Freude geprägt. Jedes Mal, wenn eine neue Kapitelüberschrift anstand, freute sie sich darauf, dazu etwas zu schreiben.
Für Ingo Cell war die größte Überraschung, dass er überhaupt ein Buch geschrieben hat. Das war ursprünglich nicht geplant. Mit seinem technischen Background – Elektrotechnik und Informatik – hätte er sich nicht unbedingt als Buchautor gesehen. Über die zweieinhalb Jahre gab es durchaus Momente, in denen er sich fragte, warum sie damit angefangen hatten. Aber in der Mitte aufzuhören und die ganze Arbeit umsonst gemacht zu haben, war keine Option.
Die Tatsache, dass beide Hauptautor:innen eher Macher-Typen als Perfektionist:innen sind, half dabei, relativ frei und unbeschwert zu schreiben. Sie wussten, dass Amelie Funke als erfahrene Autorin den Text noch einmal überarbeiten würde, was ihnen die Freiheit gab, sich zunächst auf die Inhalte zu konzentrieren. Das Wichtigste war, dass die fachlichen Inhalte stimmten und dass sie das ausdrücken konnten, was sie erlebt hatten. Wie es dann sprachlich und stilistisch dargestellt wurde, war sekundär.
Eine Herausforderung war zunächst, dass die drei Autor:innen teilweise unterschiedliche Sichtweisen darauf hatten, wie bestimmte Dinge im Wissenstransfer gemacht werden sollten. Obwohl sie mit einem standardisierten Prozess arbeiten, auf den sie sich einigen konnten, haben sie aufgrund ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten und Hintergründe verschiedene Herangehensweisen. Jenny Stumper kann als Bildungs- und Erziehungswissenschaftlerin nicht auf dieselbe Art und Weise einen Wissenstransfer moderieren wie Ingo Cell, der aus der Technik kommt und dort ein anderes Standing hat.
Die Lösung für diese unterschiedlichen Perspektiven fanden sie in einer kreativen Darstellungsform: Im Buch gibt es am Rand spezielle Kästen, in denen explizit darauf hingewiesen wird, dass sich die Autor:innen an diesem Punkt unterscheiden. Jede:r durfte seine eigenen Ansichten teilen, während in der Mitte des Buchs der Standardprozess beschrieben ist. Diese Ehrlichkeit darüber, dass sie sich nicht immer einigen konnten, macht das Buch authentisch und zeigt die Vielfalt möglicher Herangehensweisen.
Die Zusammenarbeit zu dritt erwies sich als Traumergänzung, insbesondere weil Amelie Funke bereits Erfahrung mit dem Verlag hatte und wusste, wie Abläufe funktionieren, wann welche Termine einzuhalten sind und wie ein Lektorat abläuft. Für die beiden Erstautor:innen war vieles davon völlig fremd. Allerdings führte diese Erfahrung an verschiedenen Punkten auch zu Reibungen, die aber letztendlich konstruktiv genutzt werden konnten.
Praxisbeispiele aus der Wissenstransfer-Arbeit
Ein besonders prägnantes Beispiel aus Jenny Stumpers Praxis zeigt, wie herausfordernd Wissenstransfer sein kann und wie wichtig die Rolle der Moderation ist. Es handelte sich um einen massiv widerstandsbehafteten Prozess mit einem Wissensgebenden, der eigentlich gar nicht mitwirken wollte. Er fühlte sich von seiner Führungskraft nicht wertgeschätzt, die Nachfolge wurde ohne seine Beteiligung entschieden, obwohl er sich aktiv einbringen wollte, und er hielt den ausgewählten Nachfolger für völlig ungeeignet.
Trotz dieser enormen Widerstände entschied sich der Wissensgebende aus Verantwortungsgefühl gegenüber seinen 30 Mitarbeitenden zur Teilnahme. Er sagte klar: Ich helfe hier niemandem von euch, aber meinen Männern helfe ich. Der Prozess war geprägt von Konfrontationen und Diskussionen. Nach der vermeintlich abgeschlossenen Aufnahme der Wissenslandkarte korrigierte der Wissensgebende diese über drei aufeinanderfolgende Transfertreffen von jeweils anderthalb Stunden, weigerte sich aber, Kommentare schriftlich zu geben.
Der Wendepunkt kam, als der Wissensnehmer zu den Moderator:innen sagte: Bitte prügelt euch weiter mit ihm. Er ist danach so aufgebracht, dass er zu mir kommt und sich auskotzt. Dabei erfahre ich mehr, als ich je erfahren hätte, wenn ich nett und freundlich versucht hätte, mich mit ihm zusammenzusetzen. Die Moderator:innen wurden bewusst zum Ventil für die Unzufriedenheit, was den eigentlichen Wissenstransfer zwischen Wissensgebendem und Wissensnehmendem ermöglichte.
Dieser Fall war ein sehr wichtiger Lernmoment: Es ist nicht immer der Job der Moderation, beste Freunde mit den Beteiligten zu werden. Wenn Menschen Reibung brauchen, weil so viel Unzufriedenheit im Raum ist, dass sonst kein Wissen fließen kann, dann können auch die Moderator:innen diese Reibungspunkte sein. Besonders bemerkenswert: Diese spezifische Stelle wurde insgesamt dreimal übergeben, sodass Jenny Stumper den Prozess für dieselbe Position mehrfach begleiten konnte, was weitere wertvolle Erfahrungen brachte.
Ein Beispiel von Ingo Cell zeigt die andere Seite: Eine Geschäftsführerin Personal in einem großen Unternehmen war zunächst überzeugt, keinen moderierten Wissenstransfer zu benötigen. Sie sagte: Ich kann das alleine. Aber ich gebe Ihnen eine halbe Stunde, versuchen Sie mich zu überzeugen. Im Gespräch erläuterte Ingo Cell den standardmäßigen Prozess, die Vorteile und die Flexibilität in der Durchführung.
Bereits nach dieser halben Stunde entschied die Geschäftsführerin: Wissen Sie was? Ich habe mich überzeugt. Wir machen das. Der erste Schritt war die Aufnahme der Wissenslandkarte, für die sie zunächst maximal anderthalb Stunden Zeit geben wollte. Nach intensiver Verhandlung einigten sie sich auf drei Stunden, wobei letztendlich sogar noch mehr Zeit benötigt wurde, da die Landkarte sehr umfangreich war.
Nach der Aufnahme der Wissenslandkarte kam die Geschäftsführerin auf Ingo Cell zu und fragte: Darf ich Sie mal drücken? Sie erklärte: Das war so toll für mich. Das hat mir so viel eröffnet. Ich habe jetzt eine Struktur, wie ich das alles machen kann. Wir machen auf jeden Fall den Wissenstransfer weiter. Für Ingo Cell war dies ein besonderer Moment, den er als Personalerin besonders schätzte, weil sie nicht nur von der Methodik überzeugt war, sondern auch erkannte, wie wertvoll der Prozess für ihre eigene Arbeit war.
Beide Beispiele verdeutlichen die Bandbreite der Situationen im Wissenstransfer: von hochgradig widerstandsbehaftet bis zu begeistert aufgenommen, von konfrontativ bis kooperativ. Die Beispiele zeigen auch, dass Wissenstransfer nicht nur Kuschel-Momente bietet, sondern oft auch harte Arbeit bedeutet, durch die man konsequent durchgehen muss.
Grenzen und Herausforderungen im Wissenstransfer
Eine häufige Grenze im Wissenstransfer zeigt sich bei Überlastungsthemen. Wenn Kolleg:innen bereits maximal mit Arbeit belastet sind, jemand aus dem Team ausscheidet und dann auch noch ein Wissenstransfer durchgeführt werden soll, entsteht eine kritische Situation. Besonders problematisch wird es, wenn die nachfolgende Person nicht ausreichend qualifiziert ist und eine Person, die eigentlich nicht die eigentliche Expertin ist, plötzlich zur Hauptwissensträgerin wird.
In solchen Fällen kann es passieren, dass mitten im Wissenstransfer bemerkt wird, dass der Ausbildungsgrad der nachfolgenden Person nicht für diesen steilen Einstieg ausreicht. Es gab zwei bis drei Fälle, in denen während des Wissenstransfers erkannt wurde, dass eine Burnout-Situation oder eine gesundheitsgefährdende Überlastung entstand. In diesen Situationen wünschten sich die Teilnehmenden den Wissenstransfer anders, und plötzlich wurden statt Wissensübergabe-Terminen Gespräche zwischen Wissensnehmer:in und Führungskraft oder Betriebsrat moderiert.
Oft hatten die Wissensnehmer:innen im Wissenstransfer zum ersten Mal eine Person, der sie sagen konnten: Das geht nicht. Erst wenn sie die gesamte Wissenslandkarte vor sich sahen und das Ausmaß der Aufgaben erkannten, trauten sie sich, Nein zu sagen. Der Wissenstransfer bot ihnen den geschützten Raum, um diese Überforderung anzusprechen.
Eine weitere Grenze zeigt sich bei Umstrukturierungs- und Change-Projekten. Oft ist im Vorfeld nicht klar, welche Themen für den oder die Wissensnehmende:n tatsächlich relevant sind, wenn Stellen umgemodelt, neue Positionen geschaffen oder Personen zwischen Bereichen verschoben wurden. Die Grenze zwischen klassischem Wissenstransfer und Prozessbetrachtung verschwimmt hier. Wenn Prozessunklarheiten existieren, die mit der Führungskraft nicht im Vorfeld abgestimmt wurden, ist es nicht die Aufgabe der Prozessberatung, diese herauszukitzeln.
Besonders bei Situationen, in denen Teams auseinandergenommen werden oder ganze Organisationseinheiten ausgegliedert werden, während das Wissen im Unternehmen bleiben soll, kommt es häufig zu Übergaben an Change Management, Coaching oder Mediation. Wissenstransfer ist so weich und offen, dass regelmäßig Themen auftauchen, die eigentlich in andere Bereiche gehören.
Eine grundsätzliche Grenze ist, dass Wissenstransfer keine Ausbildung und kein Studium ersetzt. Die Teilnehmenden müssen ein Grundwissen mitbringen, auf dem dann aufgebaut werden kann. Der wichtige Unterschied liegt zwischen Informationstransfer und Wissenstransfer: Informationstransfer bedeutet lediglich, Unterlagen zu übergeben oder vorzulesen. Wissenstransfer entsteht erst im Austausch, im Gespräch, wenn die Beteiligten vor Ort die Dinge anschauen, diskutieren und ausprobieren.
Die Intimität der Wissenslandkarten-Aufnahme kann ebenfalls zu Grenzsituationen führen. Wenn sehr tief nachgefragt wird – Wo sind die Fehler? Was läuft nicht gut? Worauf muss man sich vorbereiten? Wie sehen die nächsten fünf Jahre aus? – öffnen sich Menschen, die unter enormem Druck stehen, manchmal auf eine Weise, die über den eigentlichen Wissenstransfer hinausgeht. Hier ist es wichtig, eng mit der Führungskraft im Austausch zu sein, um entsprechend abzugrenzen und gegebenenfalls an andere Fachbereiche abzugeben.
Zeitaufwand und Strukturierung von Wissenstransferprozessen
Für einen klassischen Wissenstransfer-Prozess rechnen Jenny Stumper und Ingo Cell mit 24 Stunden Berater:innenleistung. Diese verteilen sich über den gesamten Prozess von der Vorbereitung über die Wissenslandkarten-Aufnahme bis zu den Transfertreffen und der Nachbereitung. Die Wissensgeber:in und die Wissensnehmer:in müssen jeweils ebenfalls 24 Stunden investieren, wobei dies nicht nur die moderierten Termine umfasst, sondern auch die Vor- und Nachbereitung sowie gemeinsame Arbeitszeiten.
Die Führungskraft muss circa vier bis fünf Stunden einbringen. Diese Zeit wird für das Auftaktgespräch, Zwischenabstimmungen und das Abschlussgespräch benötigt. Eine aktive Einbindung der Führungskraft ist wichtig für den Erfolg des Prozesses, auch wenn der Zeitaufwand deutlich geringer ist als bei den direkt Beteiligten.
Idealerweise erstreckt sich ein Wissenstransfer-Prozess über einen Zeitraum von drei Monaten. Diese Dauer ermöglicht es, dass auch mal jemand krank wird, Weihnachten gefeiert wird oder Urlaub genommen werden kann, ohne dass der gesamte Prozess gefährdet ist. Optimal ist es, wenn dieser Zeitraum sehr nah am Ausscheiden der wissensgebenden Person liegt, sodass das Wissen aktuell und die Nachfolge zeitnah geregelt ist.
Bei einer Dauer von drei Monaten verbringen die Beteiligten circa anderthalb bis zwei Stunden pro Woche mit dem Thema Wissenstransfer. Das ist zusätzlich zu einem gemeinsamen Nebeneinander-Arbeiten zu sehen. Diese zeitliche Verteilung macht den Prozess in den Arbeitsalltag integrierbar, ohne dass er zur übermäßigen Belastung wird.
Die Realität sieht allerdings oft anders aus als das Ideal. Das Credo der beiden Wissenstransfer-Expert:innen ist: Lieber einen Plan und lieber irgendwas organisieren und machen, als es einfach laufen zu lassen. Deshalb führen sie Wissenstransfer auch in kürzeren Zeiträumen durch, wenn das alles ist, was zur Verfügung steht. Alles, was weniger als drei Monate dauert, geht dann allerdings auf die Arbeitsfähigkeit der beteiligten Kolleg:innen, da die zeitliche Verdichtung eine höhere wöchentliche Belastung bedeutet.
Es gab sogar einen Extremfall: Der kürzeste Wissenstransfer aller Zeiten dauerte nur 45 Minuten overall. Das ist definitiv kein Muster und sollte nicht als Vorlage dienen, aber es zeigt die Flexibilität und Pragmatik der Herangehensweise. Selbst wenn nur 45 Minuten zur Verfügung stehen, kann ein strukturierter Mini-Wissenstransfer besser sein als gar nichts.
Die Strukturierung erfolgt über standardisierte Prozessschritte, die im Buch detailliert beschrieben sind. Diese Standards haben sich über mehr als 15 Jahre entwickelt und werden kontinuierlich weiterentwickelt. Jedes Jahr setzen sich alle Trainer:innen, die diesen Prozess anwenden, zusammen, sammeln sämtliche Feedbacks und prüfen, ob Sonderschleifen benötigt werden, ob etwas ausgebaut oder anders strukturiert werden muss.
Ausblick auf die zweite Auflage und Weiterentwicklung
Die Sammlung für eine zweite Auflage hat bereits begonnen. Jenny Stumper und Ingo Cell sammeln Feedbacks von Leser:innen und Teilnehmenden ihrer Ausbildungen, dokumentieren neue Fälle aus ihrer laufenden Praxis und haben auch einige Fehler im Buch identifiziert, die sie in einer zweiten Auflage korrigieren möchten. Allerdings wird eine zweite Auflage nicht sofort erfolgen – nach der anstrengenden Arbeit von zweieinhalb Jahren ist zunächst eine Pause angesagt.
Ein großes Interesse besteht daran, das Thema selbstgesteuerter interner Wissenstransfer stärker zu beleuchten. Es gibt bereits Ressourcen bei verschiedenen Institutionen dazu, aber eine Anreicherung mit Moderationsperspektive und dem gesamten Prozesswissen aus ihrer Praxis würde einen echten Mehrwert bieten. Viele Anfragen gehen in diese Richtung, wie man einen guten selbstgesteuerten internen Wissenstransfer organisieren kann.
Ein weiterer Aspekt für eine mögliche Erweiterung ist die Frage, wie man von einem individuellen Wissenstransfer weiter in Systeme wie SharePoint oder Confluence geht. Aktuell arbeiten die Autor:innen bereits mit einem hohen Standardisierungsgrad, bleiben aber beim individuellen Wissenstransfer. Die Idee ist, Standards zu schaffen, mit denen viele Menschen arbeiten können, und zu zeigen, wie diese in bestehende Unternehmenssysteme eingebettet werden können.
Dabei ist es ausdrücklich nicht das Ziel, eine eigene Software zu entwickeln und diese zu verkaufen. Die Philosophie ist vielmehr, mit den Dingen zu arbeiten, die bereits vorhanden sind. Es gibt schon zahlreiche Tools und Systeme, und auch wenn es vielleicht bessere Spezialsysteme gäbe, passen diese oft nicht zu jedem Unternehmenskontext. Die allgemeine Gültigkeit und Anwendbarkeit mit vorhandenen Mitteln steht im Vordergrund.
Seit Abschluss des Buchmanuskripts sammeln beide weiterhin neue Erfahrungen und Fälle. Beispielsweise das Beispiel mit der Geschäftsführerin, die Ingo Cell umarmen wollte – dieser Fall ist nach dem Buch entstanden und hat es daher nicht mehr hineingeschafft. Die Arbeit geht ja weiter, und kontinuierlich entstehen neue lehrreiche Situationen, die möglicherweise in eine zweite Auflage einfließen könnten.
Im April des nächsten Jahres startet die nächste Ausbildung zum Wissenstransfer-Manager, die Jenny Stumper und Ingo Cell gemeinsam durchführen werden. Diese Ausbildung basiert auf dem Buch und erstreckt sich über etwa drei Monate mit einzelnen Etappen, sowohl digital als auch in Präsenz. Die Ausbildung bietet die Möglichkeit, die beiden Expert:innen über eine längere Strecke intensiv zu erleben und den Prozess mit allen Details kennenzulernen.
Die kontinuierliche Weiterentwicklung zeigt sich auch in der jährlichen Zusammenkunft aller Trainer:innen, die den Prozess anwenden. In diesem kollegialen Austausch werden Feedbacks gesammelt, neue Entwicklungen diskutiert und der Prozess beständig optimiert. Diese lebendige Praxis-Community sorgt dafür, dass der im Buch beschriebene Prozess nicht statisch bleibt, sondern sich an neue Anforderungen und Erkenntnisse anpasst.
Fazit und Ausblick
Das Buch zum Wissenstransfer ist das Ergebnis einer intensiven, zweieinhalbjährigen Zusammenarbeit dreier Autor:innen, die ihre unterschiedlichen Perspektiven und über 15 Jahre Praxiserfahrung eingebracht haben. Die kollaborative Arbeitsweise in einem gemeinsamen Google-Dokument, die klare Rollenverteilung und die Bereitschaft, auch unterschiedliche Herangehensweisen transparent zu machen, waren Erfolgsfaktoren für das Gelingen des Projekts.
Die vorgestellten Praxisbeispiele zeigen eindrücklich, dass Wissenstransfer weit mehr ist als reine Informationsweitergabe. Es geht um echten Austausch, um das Verstehen von Zusammenhängen und manchmal auch darum, als Moderation Reibungsfläche für Konflikte zu sein, damit das eigentliche Wissen fließen kann. Die Bandbreite reicht von hochgradig widerstandsbehafteten Prozessen bis zu begeisterter Annahme der Methodik.
Wichtig ist die Erkenntnis über die Grenzen des Wissenstransfers: Er ersetzt keine Ausbildung, funktioniert nicht bei extremer Überlastung und stößt an Grenzen, wenn grundlegende Prozessunklarheiten oder organisatorische Probleme bestehen. In solchen Fällen ist die Abgrenzung zu Change Management, Coaching oder Mediation notwendig. Gleichzeitig kann der Wissenstransfer aber auch ein geschützter Raum sein, in dem strukturelle Probleme erstmals sichtbar werden.
Die strukturierte Herangehensweise mit einem definierten Zeitrahmen von idealerweise drei Monaten und klar kalkulierbarem Zeitaufwand macht Wissenstransfer planbar und in den Arbeitsalltag integrierbar. Gleichzeitig zeigt die Praxis, dass Flexibilität wichtig ist – lieber ein pragmatischer, verkürzter Prozess als gar keiner.
Offene Punkte und Fragen:
- Wie kann selbstgesteuerter interner Wissenstransfer noch besser unterstützt werden?
- Wie lässt sich individueller Wissenstransfer systematisch in bestehende IT-Systeme wie SharePoint oder Confluence überführen?
- Welche neuen Herausforderungen ergeben sich durch zunehmende Remote-Arbeit und verteilte Teams?
- Wie können Standards geschaffen werden, die allgemein anwendbar sind, ohne spezielle Software zu erfordern?
Handlungsempfehlungen:
- Nutze die Möglichkeit zum fachlichen Austausch auf LinkedIn – beide Autor:innen sind offen für Fragen und bieten 35-minütige Gespräche zu konkreten Fällen an
- Investiere in eine fundierte Ausbildung zum Wissenstransfer-Manager, wenn du das Thema systematisch in deinem Unternehmen etablieren willst
- Plane Wissenstransfer frühzeitig mit ausreichend Zeit (idealerweise drei Monate) ein, um Überlastungen zu vermeiden
- Erkenne an, dass Wissenstransfer manchmal auch Reibung und Konfrontation bedeutet – das ist Teil des Prozesses
- Grenze Wissenstransfer klar ab von Coaching, Mediation und Change Management und gib bei Bedarf an diese Bereiche ab
- Schaffe Standards und dokumentiere Prozesse, damit Wissenstransfer nicht nur individuell, sondern auch organisational wirksam wird
- Hole dir bei komplexen oder widerstandsbehafteten Prozessen externe Moderation – der Mehrwert übersteigt die Kosten deutlich