Gkc25/Generation Shift: Wie gelebter Wissenstransfer Unternehmensnachfolge sichert
Generation Shift behandelt die kritische Bedeutung von Wissenstransfer in der Unternehmensnachfolge, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Präsentation zeigt auf, dass bis zu 47% der Unternehmenstransaktionen aufgrund unzureichender Mitarbeiterbindung scheitern und 40% der Schlüsselpersonen innerhalb von 18-24 Monaten nach dem Verkauf das Unternehmen verlassen. Die Referenten von Omega Consulting verdeutlichen, dass systematischer Wissenstransfer nicht nur ein “Soft Fact”, sondern ein wesentlicher Wertfaktor ist, der über Erfolg oder Misserfolg einer Unternehmensnachfolge entscheidet.
Hauptthemen des Beitrags:
- Die Rolle von Wissenstransfer in Mergers & Acquisitions (M&A)
- Der Unternehmensnachfolgeprozess und seine kritischen Phasen
- Risiken und Chancen durch den Faktor Mensch
- HR Due Diligence und Exit Readiness
- Wissensmonopole und Schlüsselpersonen
- Post-Merger Integration und Wissenserhalt
- Praktische Herausforderungen und Lösungsansätze
Die Rolle von Wissenstransfer in Mergers & Acquisitions
Omega Consulting positioniert sich als spezialisiertes Beratungsunternehmen, das sich ausschließlich mit Unternehmensnachfolge befasst. Der Fokus liegt auf kleinen und mittelständischen Unternehmen mit bis zu 50 Millionen Euro Umsatz und maximal 200 Mitarbeitern. In diesem Segment zeigt sich eine besorgniserregende Tendenz: Etwa 25% der Unternehmen werden nicht übergeben, sondern geschlossen.
Die Gründe für das Scheitern von Transaktionen sind alarmierend und menschenzentriert. Laut einer Studie von Mercer aus dem Jahr 2022 scheitern 47% der Deals daran, Mitarbeiter strategisch zu gewinnen und zu halten. 30% der Transaktionen erreichen ihre finanziellen Ziele aufgrund kultureller Unterschiede nicht. Besonders kritisch ist die Tatsache, dass 40% der kritischen Talente 18 bis 24 Monate nach der Transaktion das Unternehmen verlassen.
Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Dramatik: Bei einem Ingenieursdienstleistungsunternehmen im Bereich SPS-Programmierung mit zwölf Mitarbeitern würde der Verlust von 40% der Belegschaft faktisch bedeuten, dass der Käufer “quasi nichts” gekauft hat. Diese Zahlen unterstreichen, dass der Faktor Mensch keine “Soft Facts”, sondern knallharte wirtschaftliche Realität darstellt.
Der Unternehmensnachfolgeprozess und seine kritischen Phasen
Der Kernprozess einer Unternehmensnachfolge gliedert sich in fünf Hauptschritte, die zwar einfach darstellbar, aber extrem komplex und oft schleifenbehaftet sind:
Vorbereitung und Strategieentwicklung: Als erstes muss sowohl der Verkäufer als auch der potenzielle Käufer einen strategischen Business Case entwickeln. Der Verkäufer muss sein Unternehmen auf die Übergabe vorbereiten, während der Käufer definieren muss, was er kaufen möchte und warum.
Identifizierung und Ansprache: Die Suche nach geeigneten Nachfolgern ist ein sensitives Thema. Unternehmer können nicht einfach Wettbewerber ansprechen, da die Information über einen geplanten Verkauf bei falscher Kommunikation zu Kundenabwanderung und Mitarbeiterverunsicherung führen kann.
Bewertung und Auswahl: Diese Phase umfasst die Auswertung der Rückmeldungen vom Markt und ist oft von intensiven Verhandlungen geprägt.
Due Diligence und Vertragsverhandlung: Die intensive Prüfung des Unternehmens mündet in die Verhandlung des Kaufvertrages (Share Purchase Agreement).
Übergabe und Integration: Der entscheidende Teil nach Vertragsabschluss ist die Post-Merger Integration, bei der zwei Unternehmen zusammengeführt werden.
Diese Phasen müssen aus zwei Perspektiven betrachtet werden: der Verkäufer- und der Käufersicht, wobei beide die gleichen Fragen durchlaufen, aber mit unterschiedlichen Zielsetzungen.
Risiken und Chancen durch den Faktor Mensch
Der Faktor Mensch wird in Transaktionen häufig unterschätzt oder als “weiche Ebene” abgetan. Für den Verkäufer geht es dabei um mehr als nur um den finanziellen Aspekt – es geht um Wertschätzung, um das Lebenswerk und um die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Ein Unternehmen einfach zu schließen, ist unternehmerisch ein Totalschaden und für viele Unternehmer das Traurigste, was passieren kann.
Die Herausforderungen auf der Mitarbeiterebene sind vielfältig. Es gibt bewusste Entscheidungen von Mitarbeitern zu gehen, aber auch ungewollte Abgänge durch mangelnde Planung. Ein Beispiel aus der Diskussion verdeutlicht dies: Ein Unternehmen verlor nach der Übernahme innerhalb von drei Jahren 50% des Personals, teilweise durch Entlassungen, teilweise durch freiwillige Kündigungen. Die Folge waren ungelernte Nachbesetzungen und stark steigende Kundenbeschwerden.
Demografische Herausforderungen verschärfen die Situation zusätzlich. Altersstrukturen, Wissensmonopole bei älteren Mitarbeitern und fehlende Nachfolgeplanung können ein Unternehmen innerhalb kurzer Zeit massiv schwächen.
HR Due Diligence und Exit Readiness
Die HR Due Diligence ist eine fokussierte Prüfung auf relevante Themen mit Blick auf die Menschen im Unternehmen. Sie dient dazu, mögliche Risiken zu identifizieren und Chancen aufzuzeigen, die in die Kaufvertragsverhandlungen einfließen.
Exit Readiness ist ein Konzept, das die organisatorische Übergabefähigkeit eines Unternehmens bewertet. Dabei werden nicht nur Finanzen und Kundenverträge geprüft, sondern auch die organisatorische Struktur, Kompetenzlücken, demografische Faktoren und rechtliche HR-Strukturen. Überraschenderweise prüfen laut Umfragen viele Investoren diese Aspekte nur aus dem Bauchgefühl heraus, nicht systematisch.
Ein kritischer Punkt ist die Vorbereitung des Verkäufers. Omega Consulting fordert von allen Mandanten einen verpflichtenden Wissenstransfer des Unternehmers. Dies ist keine Verhandlungssache, sondern Voraussetzung für die Mandatsübernahme. Der Grund liegt auf der Hand: Das Wissen des Unternehmers ist zu kritisch für den Unternehmenserfolg.
Interessanterweise haben jedoch etwa 80% aller Unternehmer nicht einmal einen Notfallkoffer mit grundlegenden Informationen wie Passwörtern für Finanzbuchhaltung oder Bankzugängen. Von systematischem Wissenstransfer kann hier keine Rede sein.
Wissensmonopole und Schlüsselpersonen
Die Identifikation von Wissensmonopolen und Schlüsselpersonen erfolgt durch strukturierte Gespräche und den Einsatz von Wissenslandkarten. In kleinen und mittelständischen Unternehmen kennt der Inhaber meist jeden Mitarbeiter beim Namen und weiß genau über deren private Umstände Bescheid. Dies erleichtert die initiale Einschätzung.
Bereits im Erstgespräch werden wichtige Informationen deutlich. Wenn ein Unternehmer beispielsweise sagt, er habe das Unternehmen mit seinem technischen Leiter gegründet und dieser mache seitdem die Technik, während er selbst für den Vertrieb zuständig sei, sind damit bereits zwei kritische Wissensträger identifiziert.
Die Herausforderung liegt darin, dass die Dokumentation in kleineren Unternehmen oft mangelhaft ist. Viele haben keine HR-Struktur, keine Stellenbeschreibungen und keine Positionsprofile. Die Diskrepanz zwischen dem, was formal dokumentiert ist, und dem, was Mitarbeiter tatsächlich tun und wissen, ist erheblich größer als in großen Unternehmen.
Ein praktisches Beispiel zeigt die Problematik: In einem Projektgeschäft hatte der technische Kopf sein gesamtes Wissen auf einem persönlichen Laufwerk F gespeichert. Er hatte sogar ein selbst entwickeltes Excel-Tool zur Projektplanung erstellt – von dessen Existenz nicht einmal die Geschäftsführerin wusste, geschweige denn das Passwort kannte.
Die Erfassung erfolgt durch Mitarbeiterlisten mit Kerninformationen wie Ausbildung, Betriebszugehörigkeit und Position. Personalakten werden durchgesehen, was oft in schwierige Felder führt, da die Informationen nicht strukturiert vorliegen.
Post-Merger Integration und Wissenserhalt
Die Post-Merger Integration ist die entscheidende Phase nach dem Vertragsabschluss. Hier zeigt sich, ob der Wissenstransfer erfolgreich war oder ob das gefürchtete Merger-Syndrom eintritt.
Das Merger-Syndrom beschreibt den Kulturclash, wenn zwei Unternehmenskulturen aufeinandertreffen. Mitarbeiter haben Angst vor Positionsverlust, es entsteht ein interner Wettkampf, und die Produktivität sinkt. Ohne systematische Vorbereitung kann dies zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden.
Strategisches Retention Management ist daher unerlässlich. Der Käufer muss sich frühzeitig überlegen, welche Mitarbeiter er halten möchte und wie. Dies setzt voraus, dass er durch die HR Due Diligence bereits weiß, wer die kritischen Personen sind und was sie wissen.
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Kommunikation. Wenn ein Käufer plant, Teile der Belegschaft zu entlassen, muss er sich darüber im Klaren sein, wie er dies den verbleibenden Mitarbeitern kommuniziert. Ungeplante Entlassungen können zu weiteren freiwilligen Kündigungen führen und die Situation verschlimmern.
Die Integration bietet aber auch Chancen. Es ist eine Möglichkeit, Prozesse zu standardisieren, IT aufzuräumen, Menschen mitzunehmen und eine greifbarere Strategie zu entwickeln. Voraussetzung ist jedoch, dass die Planung vor der Übernahme erfolgt, nicht erst danach.
Praktische Herausforderungen und Lösungsansätze
Die größte Herausforderung ist die Zeitschiene. Die meisten Unternehmer planen nicht fünf Jahre im Voraus, sondern kommen mit der Erwartung, das Unternehmen “noch bis Weihnachten” zu verkaufen. Die Realität sieht anders aus: Ein Verkaufsprozess dauert normalerweise zwei bis drei Jahre, im besten Fall ein Jahr bei optimaler Vorbereitung.
Nachfolgeoptionen müssen strukturiert geprüft werden. Die erste Option ist meist die Familie, doch oft gibt es Gründe, warum die Kinder nicht als Nachfolger in Frage kommen – oder die Kinder haben ganz andere Pläne, ohne dass je darüber gesprochen wurde. Die zweite Option sind interne Mitarbeiter, doch viele Unternehmer glauben, in ihrer Mannschaft gebe es niemanden mit dem entsprechenden Kreuz oder den finanziellen Mitteln. Externe Lösungen bleiben dann oft die einzige Option.
Wissenstransfer-Tools wie Wissenslandkarten helfen, relevante Themen strukturiert im Gespräch zu erfassen. Dabei werden nicht nur formale Dokumentationen abgefragt, sondern gezielt Erfahrungswissen erhoben. Dies ist besonders wichtig, da vieles an implizitem Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter steckt.
Ein kritischer Punkt ist die Schatten-IT im Mittelstand. Organisch gewachsene IT-Strukturen, lokale Datenspeicherungen auf Laufwerken und fehlende zentrale Systeme sind nicht nur ein Sicherheitsrisiko, sondern auch ein massives Hindernis für Wissenstransfer und Integration.
Mitarbeitermotivation beim Wissenstransfer ist eine Herausforderung. Die Frage “Warum sollte ich mein Laufwerk F freischalten und mein Passwort teilen?” ist berechtigt. Wissen ist Macht, und viele Mitarbeiter befürchten, sich durch Wissensweitergabe obsolet zu machen. Die Lösung liegt in Wertschätzung, transparenter Kommunikation und einer strukturierten Argumentationskette, die zeigt, warum der Wissenstransfer auch für den Mitarbeiter vorteilhaft ist.
Skepsis der Käufer ist ein weiteres Hindernis. Typische Argumente lauten: “Personalkosten spielen in der Deal-Entscheidung keine Rolle”, “HR Due Diligence ist eine Pflichtübung, kein Wertreiber” oder “Kultur und Mitarbeiter sind zu weich, entscheidend sind harte Zahlen”. Diese Haltung ignoriert die statistischen Fakten über gescheiterte Transaktionen.
Lösungsansätze beinhalten die Aufklärung über finanzielle Risiken. Wenn ein Käufer die demografische Kante nicht bewertet, muss er später deutlich mehr an Contingency zurückstellen. Die Einsparungen durch professionellen Wissenstransfer übersteigen oft die Beratungskosten deutlich.
Ein weiterer Hebel ist das Thema Künstliche Intelligenz. Gerade im Mittelstand ist die dienliche Einführung von KI in den nächsten drei Jahren entscheidend für die Überlebensfähigkeit. KI basiert auf strukturiertem Wissen – ohne Wissensmanagement ist eine sinnvolle KI-Implementierung unmöglich. Dies macht das Thema auch für technisch orientierte Investoren relevant.
Fazit und Ausblick
Wissenstransfer in der Unternehmensnachfolge ist kein “Nice-to-have”, sondern ein kritischer Erfolgsfaktor. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Fast die Hälfte aller Transaktionen scheitert an der Mitarbeiterproblematik, 40% der Schlüsselpersonen verlassen das Unternehmen innerhalb von zwei Jahren. Dies sind keine Soft Facts, sondern harte wirtschaftliche Realitäten, die den Unternehmenswert massiv beeinflussen.
Die zentrale Erkenntnis ist, dass der Wert eines Unternehmens nicht nur in Maschinen, Patenten oder Kundenstämmen liegt, sondern maßgeblich in den Menschen und ihrem Wissen. Dieses Wissen muss frühzeitig und systematisch erfasst, dokumentiert und transferiert werden. Der Unternehmer selbst ist dabei die kritischste Person, aber auch weitere Schlüsselpersonen müssen identifiziert und eingebunden werden.
Offene Fragen bleiben bestehen: Wie gelingt es, dass erfasstes Wissen nach dem Verkauf auch tatsächlich weitergenutzt wird? Wie können Mitarbeiter motiviert werden, ihr Wissen freiwillig zu teilen, wenn sie um ihre Position bangen? Wie lässt sich die Differenzierung zwischen verschiedenen Wissensarten – Kundenwissen, Produktwissen, Prozesswissen – optimal für den Verkaufsprozess nutzen?
Handlungsempfehlungen für Unternehmer:
- Beginne frühzeitig mit der Nachfolgeplanung, idealerweise Jahre vor dem geplanten Ausstieg
- Erstelle mindestens einen Notfallkoffer mit kritischen Zugangsdaten und Informationen
- Führe einen verpflichtenden Wissenstransfer durch, auch wenn noch kein konkreter Nachfolger feststeht
- Nutze Wissenslandkarten zur systematischen Erfassung von Schlüsselpersonen und deren Wissen
- Prüfe die Exit Readiness nicht nur finanziell, sondern auch organisatorisch und personell
- Investiere in die Dokumentation von Prozessen und Wissen, unabhängig von Verkaufsplänen
Handlungsempfehlungen für Käufer und Investoren:
- Betrachte HR Due Diligence nicht als Pflichtübung, sondern als strategischen Werthebel
- Kalkuliere die finanziellen Risiken von Mitarbeiterabgängen in den Business Case ein
- Plant die Post-Merger Integration vor der Transaktion, nicht erst danach
- Nutze Wissenstransfer als Instrument der Wertschätzung zur Mitarbeiterbindung
- Berücksichtige das Thema Schatten-IT und organisch gewachsene Strukturen in der Due Diligence
- Bereite die KI-Readiness vor, indem du Wissensstrukturen frühzeitig erfasst und systematisierst
Der Wandel in der Unternehmenslandschaft erfordert ein Umdenken. Generation Shift bedeutet nicht nur den Wechsel von einer Generation zur nächsten, sondern auch einen Paradigmenwechsel in der Bewertung dessen, was Unternehmenswert ausmacht. Wissen ist dabei kein weicher Faktor, sondern hartes Kapital – wenn es richtig gemanagt wird.