Gkc25/Haptik schlägt Hektik: Co‑Creation zum Anfassen: Unterschied zwischen den Versionen
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* Experimentiert mit einfachen Methoden wie dem vorgestellten Bilderspiel, um Menschen niedrigschwellig ins Gespräch zu bringen | * Experimentiert mit einfachen Methoden wie dem vorgestellten Bilderspiel, um Menschen niedrigschwellig ins Gespräch zu bringen | ||
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Aktuelle Version vom 23. November 2025, 14:54 Uhr
Visual Thinking und co-kreative Visualisierung bieten kraftvolle Werkzeuge für Wissensmanagement und organisationale Entwicklung. Die Arbeit mit handgezeichneten Bildern ermöglicht es, Wissen nicht nur zu dokumentieren und zu erklären, sondern vor allem gemeinsam zu generieren. Durch haptische, sensorische Elemente und visuelle Methoden kommen Menschen aus verschiedenen Abteilungen ins Gespräch, entwickeln Neugier füreinander und schaffen tragfähige Lösungen für komplexe Herausforderungen. Dabei ist der Prozess wichtiger als das perfekte Endprodukt – die gemeinsame Erarbeitung macht aus einem schönen Bild ein wirkungsvolles Hosentaschenbild, das Menschen langfristig bei sich tragen.
Hauptthemen des Beitrags:
- Drei Dimensionen der visuellen Arbeit: Erklären, Dokumentieren und Generieren von Wissen
- Co-kreative Visualisierung als Werkzeug zur Wissensgenerierung
- Die Bedeutung von Haptik und sensorischer Wahrnehmung für den Denkprozess
- Neugier als zentraler Erfolgsfaktor in Transformationsprozessen
- Praktische Herausforderungen bei der Implementierung visueller Methoden
Drei Dimensionen der visuellen Arbeit
Die Arbeit mit Visualisierung lässt sich in drei grundlegende Bereiche unterteilen, die jeweils unterschiedliche Funktionen erfüllen.
Wissen erklären ist der naheliegendste Einsatzbereich. Komplexe Sachverhalte lassen sich auf zwei Kanälen – visuell und textlich – besser vermitteln. Jeder kennt die Erfahrung, bei neuen Geräten eher die Bildanleitung zu nutzen als lange Texte zu lesen. Typische Anwendungsfälle sind die Vermittlung neuer Prozesse, komplizierter Tools oder kultureller Ziele in Organisationen. Bei einem Projekt für Leipzig wurde beispielsweise ein wimmelbildartiges Erklärbild entwickelt, um die Vision einer klimaneutralen Stadt mit autofreier Innenstadt und einer neu gestalteten Ringstraße zu vermitteln.
Wissen dokumentieren während es geteilt wird, ist in den letzten zehn Jahren unter dem Begriff Graphic Recording bekannt geworden. Dabei werden Konferenzen, Workshops oder Veranstaltungen visuell mitgeschrieben. Diese visuellen Protokolle dienen als Anker für die Erinnerung, setzen Fokuspunkte und ermöglichen einen anderen Zugang zum Gespräch. Die Teilnehmenden können abends ein Foto machen und die Inhalte mit anderen teilen. Je nach Bedarf können diese Dokumentationen sehr unterschiedlich aussehen – von wimmelbildartigen, sehr detailreichen Darstellungen bis zu aufgeräumten, strukturierten Visualisierungen. Wichtig ist die vorherige Abstimmung über den Zweck: Soll es sachlich oder erzählerisch sein? Werden O-Töne protokolliert oder eher Geschichten am Rande festgehalten?
Wissen generieren ist der dritte und oft unterschätzte Bereich. Hier geht es nicht darum, bestehendes Wissen zu visualisieren, sondern durch den Visualisierungsprozess neues Wissen zu schaffen. In Situationen, die es so noch nie gab – wie bei der Energiewende oder großen Transformationsprojekten – müssen verschiedene Perspektiven zusammengebracht werden. Ein Beispiel: Eine Müllanlage muss plötzlich auch Wärme produzieren, es existiert aber bereits eine Wärmeabteilung mit eigenem Vertrieb. Unter Personalmangel und Digitalisierungsdruck muss herausgefunden werden, wer was mit wem macht. Diese Komplexität kann nicht einfach an KI delegiert werden, sondern erfordert die aktive Beteiligung möglichst vieler Perspektiven.
Co-kreative Visualisierung als Werkzeug zur Wissensgenerierung
Der co-kreative Prozess unterscheidet sich fundamental von klassischer Visualisierungsarbeit. Das Besondere: Die Bilder werden nicht von Illustratoren erdacht, sondern gemeinsam mit den Fachpersonen entwickelt.
Bei einem Projekt für eine Stadt ging es beispielsweise um die Visualisierung eines kulturellen Ziels. Das entstandene Bild sieht auf den ersten Blick wie ein professionell gestaltetes Strategiebild aus. Der entscheidende Unterschied: Alle beteiligten Menschen kennen jedes kleinste Detail und können es erklären, weil sie es selbst entwickelt haben. Die Visualisierer haben die Ideen lediglich gezeichnet, nicht erfunden.
Der Prozess beginnt mit einer gemeinsam erarbeiteten Skizze. Diese wird von den Teilnehmenden diskutiert, überarbeitet und übermalt. Die Fachperspektiven aus verschiedenen Abteilungen bringen ihr Wissen ein und streiten in der Sache. Nach einem typischen zweitägigen Workshop entsteht zunächst ein sehr unordentliches, mit Anmerkungen übersätes Bild – ein messy thing, mit dem zunächst niemand außer den Beteiligten etwas anfangen kann. Erst in der Nachbearbeitung wird daraus das finale Produkt.
Ein interessantes Beispiel ist der Wechsel von SAP auf Oracle Cloud. Ursprünglich sollte nur das Ziel – die Cloud – visualisiert werden. Im Prozess stellte sich jedoch heraus, dass die Menschen sich die Cloud gar nicht vorstellen konnten, wenn sie nicht verstanden, wie sie dorthin kommen. Daraus entstanden zwei Bilder: eines für den Weg und eines für das Ziel, wobei der Weg den größten Teil einnahm.
Das entstandene Bild wird zum Hosentaschenbild – nicht weil es schön gezeichnet ist, sondern wegen des Weges, wie es zustande gekommen ist. Es ist ein Gesprächsanker auf einem höheren Level. Menschen können darauf aufbauen und sagen, da fehlt dieses und jenes, statt ohne das Bild mühsam zu versuchen, ihre Gedanken zu formulieren.
Die Bedeutung von Haptik und sensorischer Wahrnehmung für den Denkprozess
Das händische Visualisieren und die physische Aktivität spielen eine zentrale Rolle für die Wirksamkeit der Methode. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zeigen zunehmend, dass bestimmte Formen des Denkens an denselben Stellen im Gehirn stattfinden wie unsere sensorische Wahrnehmung.
Besonders wenn Menschen in repetitiven Mustern feststecken – etwa mit Aussagen wie das haben wir schon immer so gemacht – ist das sogenannte Default Mode Network aktiv. Aus diesen Schleifen kann man herauskommen, wenn das sensorische Netzwerk angesprochen wird. Sobald Menschen physisch aktiv sind, fangen sie an, anders zu denken.
Die Empfehlung lautet daher: Arbeitet mit großen Wänden und lasst die Teilnehmenden die Stifte ausprobieren. Sobald Menschen physisch aktiv sind, gelangen sie in einen anderen Kommunikationszustand. Der Prozess wird verlangsamt, was dazu führt, dass Dinge wahrgenommen, nachgefragt und Neugier entwickelt wird – im Gegensatz zum schnellen Ausfüllen von Templates.
Diese Erkenntnis wird durch aktuelle neurowissenschaftliche Forschung gestützt. Das Buch Better in Every Sense beschreibt den aktuellen Stand zum Thema sensorische Wahrnehmung und erklärt, warum diese gerade in Zeiten von KI und Remote Work so wichtig ist. Interessant ist auch die Erkenntnis aus der Hirnforschung mittels funktionellem MRT: Wenn Menschen nichts tun, ist das Gehirn aktiver als beim Rechnen. In diesem Zustand ist der selbstpräferenzielle Bereich aktiv, der ständig fragt: Hast du das richtig gemacht? Was musst du als nächstes tun? Wenn man in diesem Default Mode Network feststeckt, geht die sensorische Wahrnehmung runter.
Das bildhaftes Denken funktioniert assoziativ und vernetzt, nicht linear wie Text. Alles Wissen, das wir abspeichern, ist mit anderen Sinneseindrücken verbunden. Über visuelle und sensorische Anker kommt man anders an Wissen heran, als wenn man einfach nur gefragt wird. Die meisten Menschen wissen nicht, was sie alles wissen und was sie intuitiv oder automatisiert haben. Wenn sie aber anfangen zu zeichnen, kommen solche Aspekte ganz anders ins Spiel.
Neugier als zentraler Erfolgsfaktor in Transformationsprozessen
Der wichtigste Skill angesichts der aktuellen Herausforderungen ist Neugier. Wenn Menschen nicht neugierig sind, kann man ihnen alles erzählen – es wird keine Wirkung entfalten. Die Herausforderung besteht darin, einen Raum zu schaffen, in dem Menschen wirklich wieder Interesse entwickeln zu fragen: Wie könnte das denn aussehen in Zukunft? Was könnte mir Person XY vielleicht beibringen?
Alle Menschen scheinen erschöpft zu sein. Das Problem wird dadurch verstärkt, dass in den letzten Jahrzehnten bereits wild restrukturiert wurde, oft mit übertriebener Dringlichkeit begründet. Jetzt gibt es eine echte Dringlichkeit, aber die Menschen sind erschöpft. Multitasking und Arbeitsfragmentierung machen genau die Hirnleistungen schlechter, die am meisten gebraucht werden – die höheren Denkfähigkeiten. Menschen werden alle vier Minuten unterbrochen, brauchen aber elf Minuten, um sich wieder zu konzentrieren.
Visuelle Methoden und insbesondere das gemeinsame Zeichnen wecken Neugier. Wenn jemand aus einer anderen Abteilung etwas sagt, machen die anderen häufig innerlich zu. Im Beispiel eines Fernwärmeprojekts: Wenn man mit dem Stift zeigt und sagt, dieses Fernwärmeding muss drei Meter unter die Erde, wir machen die ganze Straße auf, was ist mit den Buslinien – dann funktioniert dieser Perspektivenaustausch im Beispiel, in der Zeichnung, einfach besser als in Worten.
Bilder sind immer Taktgeber für ein Gespräch auf einem höheren Level. Menschen, die ein Bild sehen, können eher darauf aufbauen und sagen, da fehlt dieses und jenes, als ohne das Bild zu versuchen, ihre Gedanken zu formulieren oder zu prompten.
Praktische Herausforderungen bei der Implementierung visueller Methoden
Die Implementierung visueller Methoden in Organisationen ist kein Selbstläufer. Es ist ein Daueraufwand und Dauerkampf, Kunden davon zu überzeugen, dass echter Einbezug verschiedener Ebenen und Abteilungen notwendig ist. Oft kommt die Idee auf, auf Führungsebene zu arbeiten und dann mal kurz jemanden aus den ausführenden Bereichen für eine Stunde dazuzuholen. Die Erfahrung zeigt jedoch: Das wird nicht funktionieren.
Es gibt zu viele teure, unnötige Bilder und Strategien, die in der Schublade landen. Von allen Transformationsvorhaben im Strategiebereich sind nur 14 bis 16 Prozent erfolgreich. Es wird unendlich viel Aufwand produziert, der nicht ankommt, weil es keine Verbindung zu den Menschen gibt.
Die harte Arbeit besteht darin, Menschen davon zu überzeugen, dass Zeit investiert werden muss. Wenn jemand sagt, in drei Wochen muss das Bild fertig sein, lautet die Antwort: In drei Wochen kann ein schönes Bild gemacht werden, aber kein Bild, das funktioniert. Es braucht die Beteiligung von Menschen aus verschiedenen Abteilungen und verschiedenen Ebenen.
Der Durchbruch kommt meist durch Erfahrung. Nach den ersten gemeinsam erarbeiteten Bildern spricht sich herum, was passiert ist. Menschen aus verschiedenen Abteilungen, die beteiligt waren, bringen das zurück in ihre Bereiche. Allein die Tatsache, dass ihre Leute dabei waren, hat einen Effekt. Beim ersten Mal muss man kämpfen, beim zweiten Mal ist es meist schon durchgesehen, dass das gut investiert ist.
Für interne Wissensmanager, die keine externe Autorität haben, gibt es den Ansatz, Visualisierungen als Geschenk mitzubringen. Auch wenn es nicht mandatiert ist und kein klarer Auftragsklärungsprozess stattgefunden hat, kann man als Fremdkörper etwas Visuelles mit reinwerfen. Die Stärke liegt dabei oft in kleinen Bildern, weil Menschen sich damit schneller auseinandersetzen. Darauf zu vertrauen, dass das seine eigene Wirkung entfaltet, hat sich in der Praxis bewährt.
Ein Modell für die interne Etablierung sind die Krustenknacker – eine Gruppe aus dem Curriculum, die vier Etappen definiert hat:
- Anfangs wird alles abgelehnt mit Kommentaren wie nur hübsch gezeichnet oder kannst du auch für den Geburtstag meiner Tante was machen
- Dann kommt die Phase, in der man gebeten wird, ein bisschen mitzurecorden – Visualisierung wird zumindest als Wissenssicherung wahrgenommen
- Schließlich kommt die Frage, ob man mit visuellen Mitteln unterstützen kann, um mehr Menschen zu erreichen
- Erst dann kommen die wirklich interessanten Aufträge
Bis dahin muss Erfahrung geschaffen werden durch kontinuierliche Angebote.
Eine ermutigende Beobachtung: Am Anfang von Workshops kommen Menschen oft skeptisch herein, sehen Musik und überall Stifte und äußern Bedenken wie das ist Yoga oder Esoterik. Wenn man dann mittags nachfragt, sind die Teilnehmenden meist völlig vertieft in ihre Arbeit. Die meisten Menschen arbeiten gerne und wollen ihre Arbeit verbessern. Wenn ein Raum geschaffen wird, in dem sie nicht unterbrochen werden und sich wirklich miteinander an einem Thema einlassen können, entsteht Neugier.
Fazit und Ausblick
Visuelle Methoden und co-kreative Visualisierung bieten kraftvolle Ansätze für modernes Wissensmanagement, die weit über bloße Dokumentation hinausgehen. Der entscheidende Mehrwert liegt in der Fähigkeit, durch haptische und sensorische Elemente Menschen aus verschiedenen Bereichen in einen produktiven Dialog zu bringen und gemeinsam neues Wissen zu generieren.
Die neurowissenschaftliche Forschung bestätigt zunehmend, dass händisches Arbeiten, physische Aktivität und visuelle Methoden das Denken auf fundamentale Weise beeinflussen. Sie helfen, aus repetitiven Mustern auszubrechen und Neugier zu wecken – die zentrale Kompetenz für erfolgreiche Transformationen.
Trotz der Herausforderungen bei der Implementierung – Zeitdruck, Erschöpfung, Skepsis – zeigt die Praxis, dass Menschen, wenn ihnen ein echter Raum gegeben wird, engagiert und kreativ an Lösungen arbeiten. Der Schlüssel liegt darin, nicht das perfekte Endprodukt zu priorisieren, sondern den gemeinsamen Prozess.
Offene Fragen:
- Wie lässt sich in erschöpften Organisationen überhaupt noch Raum für co-kreative Prozesse schaffen?
- Welche Rolle können und sollten KI-Tools in der visuellen Arbeit spielen?
- Wie kann man die Balance zwischen digitalen und analogen visuellen Methoden optimal gestalten?
- Wie lassen sich die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse über sensorische Wahrnehmung systematisch in Wissensmanagement-Praktiken integrieren?
Handlungsempfehlungen:
- Startet mit kleinen visuellen Experimenten und bietet sie als Geschenk an, ohne auf ein offizielles Mandat zu warten
- Schafft physische Räume mit großen Wänden und Stiften, um Menschen in einen anderen Kommunikationszustand zu versetzen
- Besteht darauf, Menschen aus verschiedenen Abteilungen und Ebenen einzubeziehen – nicht nur für eine Stunde, sondern wirklich in den Prozess
- Fokussiert euch auf das Wecken von Neugier statt auf perfekte Endprodukte
- Nutzt Templates und Container für Gruppenarbeiten, um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen – Einschränkung ist ein Kreativitätsfaktor
- Investiert Zeit in den Prozess: Ein funktionierendes Bild braucht mehr als drei Wochen, weil der Weg entscheidend ist
- Schafft Erfahrungen und dokumentiert Erfolge, um nach und nach Akzeptanz für visuelle Methoden aufzubauen
- Verlangsamt bewusst, um Wahrnehmung, Nachfragen und Dialog zu ermöglichen – im Gegensatz zur üblichen Hektik
- Experimentiert mit einfachen Methoden wie dem vorgestellten Bilderspiel, um Menschen niedrigschwellig ins Gespräch zu bringen