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== Die Bedeutung von Wissenstransfer und seine komplexen Einflussfaktoren == | == Die Bedeutung von Wissenstransfer und seine komplexen Einflussfaktoren == | ||
Aktuelle Version vom 7. August 2025, 22:03 Uhr
Wissenstransfer ist ein komplexer Prozess mit vielen Stellschrauben, bei dem Motivation zwar eine zentrale, aber nicht die einzige Rolle spielt. Dr. Laura Rinker von der Universität Hohenheim zeigt auf, dass neben individuellen Motiven wie dem Entwicklungs- und Generativitätsmotiv auch soziale Vergleichsprozesse und organisationale Strukturen entscheidend für erfolgreichen Wissenstransfer sind. Besonders interessant ist der empirische Alterstrend: Während das Entwicklungsmotiv mit dem Alter abnimmt, steigt das Generativitätsmotiv an, was wichtige Implikationen für altersgemischte Teams hat.
- Session Titel: Wissenstransfer - alles eine Frage der Motivation?
- Session Owner: Laura Rinker
Die Bedeutung von Wissenstransfer und seine komplexen Einflussfaktoren
Wissenstransfer bringt nachweislich Vorteile auf allen Ebenen mit sich. Organisationen profitieren durch erhöhte Innovationskraft und Effizienz, Teams durch bessere Zusammenarbeit und Individuen durch höhere Arbeits- und sogar Lebenszufriedenheit. Studien zeigen, dass Mitarbeitende, die Wissen miteinander teilen, nicht nur eine höhere Arbeitszufriedenheit haben, sondern sogar eine höhere Lebenszufriedenheit - ein Effekt, der sich über das Arbeitsleben hinaus erstreckt.
Trotz dieser offensichtlichen Vorteile wird Wissen in der organisationalen Praxis nicht immer geteilt. Dies liegt daran, dass Wissenstransfer ein komplexer Prozess mit sehr vielen Stellschrauben und damit auch mit sehr vielen Hürden ist, an denen er theoretisch scheitern kann, wenn diese Stellschrauben nicht richtig adjustiert sind.
Das vorgestellte Modell der Einflussfaktoren zeigt Motivation als zentral dargestellten, naheliegendsten Einflussfaktor, der sich direkt auf die Einstellung gegenüber Wissenstransfer und das entsprechende Verhalten auswirkt. Die Motivation selbst wird allerdings beeinflusst durch:
- Verschiedene Umwelteinflüsse
- Das Arbeitsumfeld
- Die Charakteristika der am Wissenstransfer beteiligten Personen
Individuelle Motivationsfaktoren: Entwicklungs- und Generativitätsmotiv
Auf der individuellen Ebene spielen unbewusste innere Wünsche, Bedürfnisse und Ziele eine entscheidende Rolle für die Motivation zum Wissenstransfer. Zwei Motive sind im Bereich Wissenstransfer besonders gut erforscht:
Das Entwicklungsmotiv
Das Entwicklungsmotiv umfasst den Drang nach persönlichem Wachstum und Fortschritt. Es manifestiert sich im Wunsch:
- Die eigenen Fähigkeiten zu verbessern
- Sich weiterzuentwickeln
- Neue Dinge zu lernen
- Sich selbst zu entfalten
Das Entwicklungsmotiv ist die Grundbedingung dafür, dass eine Wissensweitergabe fruchtet, da es bedingt, wie neues Wissen interpretiert und in das eigene bestehende Wissensnetzwerk integriert wird.
Das Generativitätsmotiv
Das Generativitätsmotiv umfasst im Gegensatz zum Entwicklungsmotiv den Wunsch, einen Beitrag zu etwas zu leisten. Es geht darum, etwas Bedeutungsvolles zu schaffen oder weiterzugeben und manifestiert sich im Bedürfnis, andere zu unterrichten, auszubilden oder anzuleiten.
Das Generativitätsmotiv hat zwei Komponenten:
- Eine eigennützige Komponente: Man sieht sich selbst als kompetent und erfahren, indem man Wissen weitergibt
- Eine altruistische Komponente: Man möchte anderen helfen und ihnen Wissen zugänglich machen
Empirischer Alterstrend
In der Forschung zeigt sich ein deutlicher empirischer Alterstrend: Mit zunehmendem Alter steigt die Generativitätsmotivation, während die Entwicklungsmotivation im Durchschnitt abnimmt. Beide Motive sind jedoch in jedem Alter in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden, da es auch sehr individuelle Unterschiede gibt.
Forschungsergebnisse aus einer Studie von 2021 zeigen, dass sowohl ältere als auch jüngere Mitarbeitende, die ein starkes Generativitätsmotiv haben, dazu neigen, mehr Wissen am Arbeitsplatz zu teilen. Dass sie mehr Wissen teilen, hat wiederum einen positiven Einfluss auf ihre Kollegen, da diese durch das Generativitätsmotiv dieses Wissen besser aufnehmen können.
Soziale Vergleichsprozesse als zwischenmenschlicher Faktor
Soziale Vergleiche sind ein wichtiger zwischenmenschlicher Faktor beim Wissenstransfer. Darunter versteht man die Nutzung von Informationen über andere als Vergleichsstandard, um sich selbst und die eigenen Fähigkeiten einzuschätzen.
Ein sozialer Vergleich kann drei mögliche Ergebnisse haben:
- Man kommt zu dem Schluss, dass eine andere Person schlechter ist als man selbst
- Man denkt, dass eine andere Person etwa auf dem gleichen Level ist wie man selbst
- Man denkt, dass eine andere Person besser ist als man selbst
Funktion als sozialer Kompass
Soziale Vergleiche funktionieren als eine Art sozialer Kompass, der zeigen kann:
- Von wem man etwas lernen kann (Menschen mit mehr Wissen)
- An wen man selbst Wissen weitergeben könnte (Menschen mit weniger Wissen in einem bestimmten Bereich)
Herausforderungen beim “Wissen nach unten” teilen
Die Einschätzung, dass jemand weniger Wissen hat, führt allerdings nicht automatisch dazu, dass man sein Wissen nach unten weitergibt. Das kann verschiedene Gründe haben, zum Beispiel die Befürchtung, dass sich das Blatt in Zukunft wenden könnte und man sich durch das Teilen von Wissen einen zukünftigen Konkurrenten schafft.
Die erwartete Entwicklung eines solchen Statusunterschieds wird in die sozialen Vergleiche mit einbezogen. Hat man das Gefühl, dass man mittel- bis langfristig den Wissensvorsprung verlieren könnte, beeinflusst dies die Bereitschaft zur Wissensweitergabe erheblich.
Organisationale Strukturen und deren Einfluss auf Wissenstransfer
Auf der strukturellen Ebene gibt es verschiedene evidenzbasierte Ansätze, die alle darauf abzielen, Wissenstransfer zu fördern:
Räumliche Gestaltung
Die räumliche Konstruktion von Organisationen spielt eine wichtige Rolle. Dazu gehört:
- Die Entwicklung offener Bürobereiche
- Forschung zur reinen Raumaufteilung und deren Auswirkungen auf Wissenstransfer
- Unterschiede zwischen offenen und geschlossenen Arbeitsbereichen
Aufgabengestaltung
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Art, wie Aufgaben gestaltet und bewältigt werden. Wissenstransfer sollte tatsächlich in den Aufgaben selbst stattfinden und nicht als separater Prozess betrachtet werden.
Abteilungsübergreifende Kommunikation
Die Kommunikation sollte abteilungsübergreifend gefördert werden, da oft das Problem besteht, dass Wissenstransfer innerhalb eines Teams gut funktioniert, aber beim Übergang zu anderen Abteilungen nicht mehr.
Möglichkeiten zur Förderung:
- Informelle Treffen anregen, die über den reinen Wissenstransfer hinausgehen
- Mittelfristige Investitionen in zwischenmenschliche Beziehungen zwischen Kollegen
- Rotation zwischen verschiedenen Bereichen ermöglichen
- Freiere Interaktion über Abteilungsgrenzen hinweg fördern
Praktische Handlungsempfehlungen für verschiedene Ebenen
Auf der Personenebene
Es ist wichtig, die individuellen Veranlagungen zu berücksichtigen:
Für jüngere Mitarbeitende: - Klarmachen, dass sich weiterzuentwickeln auch bedeutet, Wissen weiterzugeben - Aktiven und regelmäßigen Austausch fördern - Das Entwicklungsmotiv kann auch durch Wissensweitergabe gefördert werden
Für ältere Mitarbeitende: - Perspektiven aufzeigen und deutlich machen, dass ihre Karriere noch offen ist - Möglichkeiten schaffen, wie sie durch Wissenstransfer zur eigenen Weiterentwicklung beitragen können - Das vorhandene Generativitätsmotiv nutzen und fördern
Auf der organisationalen Ebene
Organisationen sollten:
- Strukturen für den Austausch schaffen
- Raum und Möglichkeiten für Mitarbeitende bereitstellen
- Konkrete Gelegenheiten für Wissenstransfer entwickeln
- Die verschiedenen Motivationslagen der Altersgruppen berücksichtigen
Fazit und Ausblick
Wissenstransfer ist definitiv nicht nur eine Frage der Motivation, auch wenn Motivation eine zentrale Rolle spielt. Der Vortrag zeigt deutlich, dass erfolgreicher Wissenstransfer ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren erfordert:
Zentrale Erkenntnisse:
- Individuelle Motive (Entwicklungs- und Generativitätsmotiv) sind wichtige Treiber
- Der empirische Alterstrend bietet Chancen für altersgemischte Teams
- Soziale Vergleichsprozesse können sowohl fördernd als auch hemmend wirken
- Organisationale Strukturen müssen bewusst gestaltet werden
Offene Fragen:
- Wie können Organisationen die verschiedenen Motivationslagen optimal nutzen?
- Welche konkreten Strukturen sind in verschiedenen Branchen am effektivsten?
- Wie lassen sich negative Aspekte sozialer Vergleiche minimieren?
Handlungsempfehlungen:
- Bewusste Berücksichtigung der Altersstruktur bei der Teamzusammenstellung
- Schaffung struktureller Rahmenbedingungen für Wissenstransfer
- Förderung sowohl formeller als auch informeller Austauschmöglichkeiten
- Sensibilisierung für die verschiedenen Motivationslagen der Mitarbeitenden
- Entwicklung altersgerechter Anreizsysteme für Wissenstransfer
Die Forschung zu diesem Thema ist noch nicht abgeschlossen und bietet weiterhin spannende Ansätze für die Praxis des Wissensmanagements in Organisationen.