Gkc25/Future is not a vibe - it's a skill: Wie Organisationen lernen, mit Zukunftswissen zu arbeiten: Unterschied zwischen den Versionen

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Am 4. November findet eine Buchveröffentlichung zu einem infografischen Malbuch über die Wärmewende statt – ein Beispiel dafür, wie komplexe Zukunftsthemen spielerisch und partizipativ vermittelt werden können. Kostenlose Energiewendebücher sind zum Download verfügbar für alle, die tiefer einsteigen möchten.
Am 4. November findet eine Buchveröffentlichung zu einem infografischen Malbuch über die Wärmewende statt – ein Beispiel dafür, wie komplexe Zukunftsthemen spielerisch und partizipativ vermittelt werden können. Kostenlose Energiewendebücher sind zum Download verfügbar für alle, die tiefer einsteigen möchten.
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Aktuelle Version vom 23. November 2025, 14:54 Uhr

Der Vortrag zeigt, wie Zukunftsforschung und Design zusammenwirken können, um gemeinsam wünschenswerte Zukünfte zu gestalten. Bernd, Transformationsdesigner vom Lery Studio, erklärt, dass Zukunft kein Zufallsprodukt ist, sondern aktiv durch partizipative Prozesse und kreative Methoden gestaltet werden kann. Zentral ist dabei, dass alle Betroffenen einbezogen werden und durch spekulative Designobjekte und Visualisierungen konkrete Vorstellungen von möglichen Zukünften entwickeln können. Nur durch die Kombination von Foresight-Methoden, Partizipation und Imagination lassen sich resiliente Zukunftsstrategien erarbeiten.

Hauptthemen des Beitrags:

  1. Zukunft als aktiver Designprozess
  2. Partizipation als Grundlage der Zukunftsforschung
  3. Imagination und Provokation als Kreativitätstreiber
  4. Methoden der Zukunftsforschung: Signale, Trends und Szenarien
  5. Spekulatives Design als Werkzeug für Zukunftsdiskurse
  6. Praxisbeispiele aus der Transformationsarbeit

Zukunft als aktiver Designprozess

Zukunft bricht nicht wie eine Naturkatastrophe über uns herein, sondern kann aktiv gestaltet werden – ähnlich wie ein Designer ein Produkt oder einen Service entwickelt. Diese Grundthese bildet das Fundament für die Arbeit des Lery Studios, einer Designagentur an der Schnittstelle von Wissenschaftskommunikation, Design und Zukunftsforschung.

Das 18-köpfige Team besteht nicht nur aus Designern, sondern auch aus wissenschaftlichen Mitarbeitern aus der Zukunftsforschung, Psychologen und Workshop-Facilitatoren. Diese interdisziplinäre Zusammensetzung ermöglicht es, komplexe Transformationsprozesse ganzheitlich zu begleiten.

Jedes Veränderungsvorhaben benötigt drei wesentliche Komponenten:

  • Kommunikation, damit alle Beteiligten auf denselben Wissensstand kommen
  • Ein klares Zielbild, wohin die Transformation führen soll
  • Prozessbegleitung für die Umsetzung

Der Designprozess folgt dem Triple Diamond Modell, das aus drei aufeinander aufbauenden Phasen besteht. In der ersten Phase geht es um die Grundlagen und Wissensbasis. Hier wird der Prozess geöffnet, um zu entdecken, was alles mit dem Thema zu tun hat, bevor wieder verengt wird, um sich auf bestimmte Aspekte zu vertiefen.

Die zweite Phase widmet sich der Entwicklung von Zukunftsbildern und Visionen. Dabei werden zunächst verschiedene Szenarien entwickelt, die dann in Narrative verpackt werden, damit sie vermittelbar sind. Erst durch diese Erzählungen können sich Menschen emotional mit möglichen Zukünften verbinden.

In der dritten Phase erfolgt die Meinungsbildung in großen Gruppen, woraus sich konkrete Handlungsbereiche ableiten lassen. Jede Phase wirft unterschiedliche Fragen auf, für die entsprechende Methoden aus der Zukunftsforschung zum Einsatz kommen.

Methoden der Zukunftsforschung: Signale, Trends und Szenarien

Die Zukunftsforschung arbeitet mit einem mehrstufigen System zur Identifikation und Bewertung von Veränderungen. Am Anfang stehen schwache Signale – die ersten zarten Hinweise auf mögliche Veränderungen. Ein Beispiel dafür sind die Berliner Spätis, die sich von reinen Getränkeläden zu Community-Hubs entwickelt haben. Sie funktionieren als Logistikzentren mit DHL-Poststationen, verleihen Lastenräder und unterstützen lokale Produzenten. Aus dieser Beobachtung lässt sich ableiten, dass der Späti zu einer Art Plattform geworden ist.

Aus schwachen Signalen werden mit der Zeit deutlichere Signale. Dies sind erkennbare Entwicklungen wie erste Städte, die autofreie Zonen testen oder 15-Minuten-Stadt-Maßnahmen einleiten.

Trends sind erkennbare, zunehmende Entwicklungen über mehrere Jahre hinweg mit breiter Relevanz auf regionaler oder globaler Ebene. Remote Work und hybride Arbeitsmodelle haben sich seit Covid als globale Supertrends etabliert.

Megatrends stehen an der Spitze der Hierarchie. Dies sind umfassende Entwicklungen wie der demografische Wandel, zunehmendes Gesundheitsbewusstsein, die Zunahme pflanzlicher Lebensmittelproduktion oder aktuell die Künstliche Intelligenz.

Diese Signale werden kartografiert und auf einem Foresight-Radar abgebildet, um Muster zu erkennen. Aus dieser Analyse werden Schlüsselfaktoren ausgewählt – jene Einflussfaktoren, die in ihrer Ausprägung noch unsicher sind, aber viel Wirkmacht entfalten können.

Daraus entwickeln sich verschiedene Szenarien. Ein wichtiges Konzept ist dabei, dass es nicht die eine Zukunft gibt, sondern immer mehrere Zukünfte. Der Futures Cone, der Zukunftstrichter, verdeutlicht dies: Je weiter wir in die Zukunft blicken, umso breiter wird das Möglichkeitsfeld.

Der größte Bereich umfasst mögliche Zukünfte – alles, was wir uns vorstellen können. Innerhalb davon liegen plausible Zukünfte, die sinnvoll erscheinen. Noch enger gefasst sind wahrscheinliche Zukünfte, bei denen wir uns relativ sicher sind.

Das wichtigste Element in der Transformationsarbeit ist jedoch die wünschenswerte Zukunft. Diese liegt meistens nicht im Bereich der wahrscheinlichen Zukunft und muss daher aktiv gestaltet werden. Ebenso wichtig ist das Gegenstück, die vermeidenswerte Zukunft, von der man genauso viel lernen kann.

Mit der Backcasting-Methode wird vom gewünschten Zukunftsbild ausgehend rückwärts überlegt, welche Schritte notwendig sind, um dorthin zu gelangen. So entsteht ein konkreter Handlungspfad.

Partizipation als Grundlage der Zukunftsforschung

Zukunft kann nur partizipativ erforscht werden – das ist die zweite zentrale These. Die Ziele der Zukunftsforschung sind vielfältig: Sie schafft Orientierung und hilft bei der Formulierung gemeinschaftlicher Ziele, damit alle mitreden dürfen.

Bias ist ein großes Problem in Transformationsprozessen. Die Zukunftsforschung hat erkannt, dass je mehr Menschen in den Prozess einbezogen werden und Perspektiven teilen, umso stärker und resilienter wird das Ergebnis. Es geht darum, sinnstiftendes Zukunftswissen aus der Bevölkerung zusammenzutragen.

Zukunftsoptionen werden immer im Plural gedacht. Es gibt nicht die eine Zukunft, die man erreichen muss, sondern verschiedene Szenarien, die entwickelt werden. Daraus lassen sich dann konkrete Handlungsstrategien erarbeiten.

Dies erfordert eine Kombination mehrerer Wissenschaften – interdisziplinär und multidisziplinär – sowie die Einbeziehung von nichtwissenschaftlichen Akteuren. Es ist ein nutzerorientierter Prozess, der Betroffene und Beteiligte aktiv einbindet.

Die Zusammensetzung der Teilnehmenden variiert je nach Projekt. Bei kleineren Transformationsprojekten in Organisationen, etwa New Work-Projekten, sind vor allem Mitarbeitende und Führungsriegen dabei. Bei Transformationsprojekten mit Regionen sollte im besten Fall das gesamte Spektrum vertreten sein: Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaftsvertreter, vom Bäckereibesitzer bis zur Politik. Je mehr mitreden können, umso stabiler und resilienter wird die Zukunft.

Imagination und Provokation als Kreativitätstreiber

Partizipation allein reicht nicht aus – sie braucht Imagination und Provokation. Hier zeigt sich ein grundlegendes Problem vieler Zukunftsvisionen: Sie sind oft eindimensional und beschränken sich auf Produktpräsentationen statt echte Zukunftsgestaltung.

Ein typisches Beispiel ist die Vision eines deutschen Autoherstellers zur Mobilität der Zukunft: Ein selbstfahrendes Auto auf einer Autobahn mit Lärmschutzwall. Im Hintergrund ein paar futuristische Hochhäuser, aber insgesamt eine sehr eindimensionale Version der Zukunft. Was als Zukunftsbild präsentiert wird, ist letztlich nur eine Produktpräsentation. Dabei ist Mobilität der Zukunft ein viel komplexeres Gebilde, das auch autofreie Szenarien einbeziehen muss.

Idealerweise sollten Zukunftsbilder inspirieren, Alternativen zeigen und Dinge präsentieren, die man sich noch nicht vorstellen kann. Sie geben Denkimpulse, ermöglichen Reflexionen und aktivieren Menschen. Robert Jungk, einer der bekanntesten deutschen Zukunftsforscher, formulierte es so: Es kann sein, dass nur ein Bruchteil von dem, was man sich ausdenkt, Wirklichkeit wird. Aber erst einmal muss man sich etwas ausdenken, dann zieht sozusagen der Gedanke, die Vorstellung, die Fantasie, die Wirklichkeit nach sich.

Auch bei beliebten Methoden wie Design Thinking zeigen sich Schwachstellen. Laut Statistiken ist jedes dritte Ergebnis aus einem Design Thinking-Prozess eine App – ein Zeichen für eingefahrene Strukturen. In Zukunftswerkstätten rutschen Teilnehmende oft automatisch in dieselben Utopien ab, weil dies die Bilder sind, die wir im Kopf haben.

Was schränkt unsere Vorstellungskraft ein? Vorstellungskraft ist die Fähigkeit, innere Bilder über Dinge zu erzeugen, die wir uns erhalten. Der Soziologe Anniel Chain formulierte: Utopien gehören zum Raum des Unmöglichen und genau das macht sie wertvoll. Denn auf dem Weg des Ausdenkens von Utopien kommt man auf viele Ideen, mit denen man die Gegenwart herausfordern kann.

Mehrere Faktoren schränken unsere Vorstellungskraft ein:

  • Gesellschaftliche Normen und Werte: “Haben wir immer schon so gemacht, war immer schon so”
  • Machtstrukturen und Hierarchien: Wer hat ein Interesse daran, dass alles bleibt wie es ist?
  • Gewohnte Denk- und Ablaufmuster, die aufgebrochen werden müssen
  • Innere Bilder, die klaren Erwartungen folgen – oft sehen wir nur, was wir bereits kennen

Was stärkt unsere Vorstellungskraft? Das Ausbrechen aus gängigen Systemen und das Infragestellen der Normalität sind zentral, auch wenn dies schwierig ist. Denkschablonen müssen losgelassen werden, denn mit ihnen kreieren wir die Welten, in denen wir uns bewegen.

Störereignisse und Überraschungen sind ein wertvolles Tool, um Menschen aus gewohnten Denkmustern herauszuschocken. Neuer Input, etwa durch Veranstaltungen, die neue Perspektiven auf bekannte Themen bieten, ist ebenfalls wichtig. Und obwohl es konterproduktiv erscheint, sind Einschränkungen ein gewaltiges Kreativitätstool: Je weniger Ressourcen verfügbar sind, umso eher kombiniert man Dinge neu oder findet clevere Shortcuts.

Wildcards sind Ereignisse, die sehr unwahrscheinlich wirken, aber wenn sie eintreten, unglaubliche Durchschlagskraft haben. Das Buch “Wildcards” von Angela und Karl-Heinz Steinmüller zeigt Game Changer-Events wie Pandemien, die in der Zukunftsforschung ausführlich bearbeitet wurden, noch bevor sie eintraten. Trotz detaillierter Vorhersagen sieht die Realität dann oft anders aus. Weitere Beispiele sind ein isolationistisches Europa durch rechte Parteien oder ein neuer Babyboom, der bei stark rückläufigen Geburtenraten massive gesellschaftliche Auswirkungen hätte.

Spekulatives Design als Werkzeug für Zukunftsdiskurse

Spekulatives Design ist eine relativ junge Designrichtung, die sich seit Mitte der 2010er Jahre etabliert hat. Sie setzt sich ausschließlich damit auseinander, wie man Menschen dazu bringt, sich über die Zukunft zu unterhalten und gemeinsam an Visionen zu arbeiten.

Die Grundidee: Man transportiert ein spekulatives Objekt aus der Zukunft, wo dieses Objekt eine Funktion hat, in die Gegenwart. Es entsteht ein materieller Besucher aus der Zukunft, den man berühren kann. Zukunft wird buchstäblich anfassbar. Durch diese Interaktion können sich Menschen viel besser vorstellen, in dieser Zukunft zu leben, und unterhalten sich dann über die Wünschbarkeit dieser Zukunft.

Ein eindrückliches Beispiel ist Graham, eine Skulptur der australischen Regierung. Unfallchirurgen und Verkehrsexperten überlegten, wie ein Mensch aussehen müsste, der jegliche Autounfälle mit hoher Wahrscheinlichkeit überlebt: Ein Kopf wie ein Helm, absoluter Stirnnacken gegen Whiplash, flaches Gesicht für bessere Airbag-Wirkung, dicke Rippenbögen mit extra Polsterung und viele organische Knautschzonen.

Graham sitzt in Museen und Besucher können sich fragen: Wollen wir so aussehen oder wollen wir lieber die Straßen sicherer machen und andere Transportsysteme entwickeln? Dies ist ein Provotype – ein Prototyp, der provoziert.

Spekulatives Design vereint Elemente aus Kunst, Design, Strategie und Zukunftsforschung. Verwandte Ansätze sind Critical Design, das Kritik an der Gegenwart durch Artefakte ausdrückt, und Design Fiction, das mit Designobjekten Narrative entwickelt.

Ein typischer spekulativer Designprozess beginnt mit der Suche nach Signalen. Daraus werden interessante Szenarien kreiert und eine speculative proposition – ein Vorschlag durch ein Designobjekt – entwickelt. Besonders wichtig ist die Betrachtung der Reibungspunkte und Implikationen: soziale Aspekte, Technologie, gesellschaftliche Folgen. Was könnte schiefgehen? Daraus entstehen die spannendsten Narrative, die dann in eine Kommunikationsstrategie verpackt werden.

Das Futures Wheel ist ein einfaches, aber wirksames Tool. Man platziert ein Signal in die Mitte und überlegt sich direkte Konsequenzen. Beispiel: Wenn Fleisch zukünftig im Labor gezüchtet würde, wäre eine direkte Konsequenz weniger Tierzüchtung. Dann geht es zu indirekten Konsequenzen: Ein anderes Verhältnis zu Tieren. Und weiter: Kühe werden zu Haustieren wie Katzen. Man splittert die Konsequenzen immer weiter aus und kann darauf spannend spekulieren.

Beispiele aus der Praxis zeigen die Bandbreite: Anthony Dunne und Fiona Raby vom Royal College of Arts London entwickelten das Projekt “Foragers” über Ressourcenknappheit. Es zeigt Körpererweiterungen für die Zukunft, etwa um Sauerstoff direkt vom Gras abzugreifen oder einen zusätzlichen Magen zum Verdauen von Materialien, die man normalerweise nicht verdauen kann. Diese teils absurden Ideen bringen Menschen zum Schmunzeln und gleichzeitig zum Nachdenken.

TerraZero, ein Projekt der TU Berlin, entwickelte einen Cybernetic Forest – einen Wald mit KI-Seele. Der Wald gehört sich selbst, managt sich über eine KI, verkauft Holz nach Marktpreisen über Blockchain-Technologie, heuert Waldarbeiter an und finanziert seine eigene Pflege. Die zentrale Frage: Wird die KI unter guten Bedingungen gierig und holzt zu viel ab?

Praxisbeispiele aus der Transformationsarbeit

Die Arbeit des Lery Studios zeigt, wie Zukunftsforschung und Design konkret zusammenwirken. Ein Projekt mit dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) entwickelte Instagram Stories, die kleine, aber konkrete Ausschnitte aus bioökologischen Zukunften zeigen. Ein Szenario: Käse wird nicht mehr aus tierischer Milch hergestellt, sondern im Labor gezüchtet.

Die Stories wurden in Kooperation mit Influencern verbreitet. Statt der erhofften paar zehntausend Interaktionen gab es hunderttausende, von freudiger Zustimmung bis zu drastischer Ablehnung. Dies zeigt, wie man praktisch aus der Masse Stimmungsbilder und Meinungen einsammeln kann. Soziale Medien bieten eine ideale Plattform für diese Diskussionen.

Bei der Gestaltung von Diskursräumen ist die zentrale Frage: Was ist die Zielsetzung, was wollen wir lernen? Dementsprechend werden die Formate gestaltet, ob mit offenen Fragen oder strukturierteren Abfragen wie Skalen.

Das Indeland-Projekt für den rheinischen Tagebau war ein dreijähriges Vorhaben. Es ging darum, erzählerische Zukunftsbilder für das rheinische Revier zu entwickeln. Der Tagebau wird mit Wasser gefüllt – aber was macht man daraus, wenn die Wirtschaft zuvor komplett auf Kohleabbau ausgerichtet war?

In Workshops mit Bürgern, Schülern, Fokusgruppen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft wurden Ist-Szenarien und Backcastings erstellt. Es entstanden vier Narrative:

  • Gastland
  • Wandelland
  • Ernteland
  • Laborland

Jedes Szenario zeigt unterschiedliche Perspektiven auf die Zukunft der Region mit dem neuen See.

Ein besonders innovatives Projekt entstand für Fridays for Future. Während die Bewegung gegen vieles demonstrierte, wollte das Team wissen: Wofür sind sie? Welche Visionen haben die Aktivisten?

Zunächst arbeiteten Graphic Recorder auf Demos und zeichneten live, was die Teilnehmenden sagten. Die jungen Menschen durften mitzeichnen. 2023 ermöglichte KI-Visualisierung einen neuen Ansatz: Eine spezielle Box wurde entwickelt, die auf Klimakonferenzen und Wissenschaftsveranstaltungen eingesetzt wurde.

Menschen konnten beschreiben, wie ihre wünschenswerte Zukunft aussieht. Die Box generierte daraus sofort ein Polaroid-Bild, das mitgenommen werden konnte. Ein Team aus Prompter und Zukunftsforscher führte Interviews, alles wurde live übersetzt und visualisiert. Die Bilder konnten direkt angepasst werden: mehr Bäume, andere Farben.

Diese Visualisierungen wurden in Social Media-Kampagnen verarbeitet, etwa von REN21, einem wichtigen Player in der globalen Energiewende. Die Organisation kombinierte Visualisierungen mit Zitaten der Wissenschaftler und generierte daraus öffentlichen Diskurs. Auch auf Konferenzen für Biolandwirtschaft flossen die visualisierten Zukunftsbilder direkt in Publikationen ein.

Das Studio arbeitet sehr visuell, was sich seit 2023 durch Generative KI noch verstärkt hat. Als Mischung aus Zukunftslabor und Designagentur zeigt sich, dass diese Kombination viel triggert. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, ein Film mehr als tausend Bilder. Das Team umfasst Illustratoren, Grafikdesigner und Motion Designer. Besonders spannend wird es, wenn Visualisierung Teil der Konversation wird und in Echtzeit angepasst werden kann.

Spekulatives Design ist mittlerweile fest in der Designausbildung verankert. Fast alle Design-Unis bieten entsprechende Kurse an, da sie bei Studierenden extrem populär sind – hier darf man spinnen und sich austoben. Viel Forschung und Entwicklung findet an Universitäten statt, da die Disziplin noch jung ist.

Fazit und Ausblick

Um Zukunft als Fähigkeit in der Arbeit zu verankern, braucht es mehrere Voraussetzungen:

  • Freiräume für Zukunftsdenken müssen geschaffen werden
  • Die Kraft der Diversität muss genutzt werden, denn wir brauchen alle Perspektiven
  • Foresight-Routinen müssen trainiert werden – über Zukunft sprechen ist ein Skill wie ein Muskel
  • Neugier auf Experimente muss geweckt werden
  • Zukunftswissen muss greifbar gemacht werden

Trotz der Komplexität und Überforderung, die wir derzeit erleben – von Paradigmenwechseln in der Technologie durch KI über Kryptotechnologien bis zu immer heftigeren Naturkatastrophen – gibt es Hoffnung. There’s urgency, aber there’s agency. Wir haben es unter Kontrolle.

Visionäre Ideen scheitern nicht an der Realität, sondern erfordern Mut, sie überhaupt zu denken. Zukunft lässt sich nicht exakt planen, aber sie lässt sich mitgestalten. Deshalb sollten wir nicht in die Falle tappen, unsere Gegenwart und vor allem unsere Zukunft bloß zu verwalten.

Handlungsempfehlungen:

  • Beginne, regelmäßig schwache Signale in deinem Umfeld zu identifizieren und zu kartografieren
  • Schaffe Räume für partizipative Zukunftsdiskussionen, in denen alle Perspektiven gehört werden
  • Nutze visuelle Methoden und spekulative Objekte, um Zukunft greifbar zu machen
  • Trainiere die Fähigkeit, in multiplen Zukünften zu denken statt in der einen Zukunft
  • Breche bewusst aus gewohnten Denkmustern aus und stelle die Normalität infrage
  • Arbeite mit Wildcards und Störereignissen, um Kreativität zu fördern
  • Entwickle Zukunftsbilder, die inspirieren statt nur Produkte zu präsentieren
  • Kombiniere Zukunftsforschung mit Design, um vom Denken ins Handeln zu kommen

Am 4. November findet eine Buchveröffentlichung zu einem infografischen Malbuch über die Wärmewende statt – ein Beispiel dafür, wie komplexe Zukunftsthemen spielerisch und partizipativ vermittelt werden können. Kostenlose Energiewendebücher sind zum Download verfügbar für alle, die tiefer einsteigen möchten.