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Aktuelle Version vom 7. August 2025, 22:05 Uhr
Dieser Beitrag behandelt die systematische Übertragung von Projektwissen durch strukturierte Debriefing-Prozesse. Der Referent zeigt auf, wie explizites und implizites Wissen aus Projekten extrahiert, dokumentiert und organisationsweit verfügbar gemacht werden kann. Dabei wird das SECI-Modell von Nonaka und Takeuchi als theoretische Grundlage verwendet, um Wissenstransformation zu ermöglichen und eine lernende Projektorganisation zu schaffen.
- Session Titel: Projekt-Debriefing - Transfer vom Kollektiv ins Kollektiv
- Session Owner: Victoria Köstner
Das SECI-Modell als Grundlage für Wissenstransformation
Der Vortrag basiert auf dem SECI-Modell von Nonaka und Takeuchi, das vier Modi der Wissenstransformation beschreibt. Besonders relevant für Project Debriefing sind die Prozesse der Externalisierung und Sozialisierung. Bei der Externalisierung wird implizites Wissen in explizite Form überführt, während bei der Sozialisierung implizites Wissen durch direkte Erfahrung und Zusammenarbeit geteilt wird.
Der Referent betont: “Ich habe jetzt für mich die zwei Schlüsselpunkte, Externalisierung und Sozialisierung, aus diesem Modell, wo ein integriertes oder wo es genutzt werden muss.” Diese beiden Prozesse erfordern jedoch bewusste Anstrengungen und Ressourcen, da sie nicht automatisch ablaufen.
Für die erfolgreiche Umsetzung müssen Mitarbeiter Zeit für die Reflexion erhalten, idealerweise in moderierten und strukturierten Formaten. Der Referent warnt: “Die Reflexion allein ist nicht so einfach. Wie gesagt, die Datenbank war da, das Feld war da, aber allein ist schwierig.”
Herausforderungen isolierter Projektarbeit
Die aktuelle Situation in vielen Unternehmen ist geprägt von Wissenssilos, die durch parallele Projektarbeit entstehen. Der Referent illustriert dies anhand einer Grafik verschiedener Projektjahre (2022-2025), in der Projekte stark isoliert voneinander arbeiten.
Die Hauptprobleme dieser Struktur sind:
- Projekte arbeiten sehr stark für sich allein
- Wissen bleibt in linearen Strukturen abgeschlossen und ist schwer zugänglich
- Wissen verbleibt höchstens im Projekt oder geht mit ausscheidenden Projektmitarbeitern verloren
- Keine systematische Wissenssicherung oder -weitergabe zwischen Projekten
Diese Isolation führt dazu, dass wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse nicht organisationsweit genutzt werden können. Besonders problematisch wird dies, wenn Kunden nach Jahren Projekte fortsetzen möchten, aber die ursprünglichen Projektteams nicht mehr verfügbar sind.
Strukturiertes Project Debriefing als Lösungsansatz
Als Lösung schlägt der Referent ein systematisches Project Debriefing vor, das aus zwei wesentlichen Komponenten besteht: einem analytischen Teil für explizites Wissen und einem retrospektiven Teil für implizites Wissen.
Der analytische Teil umfasst:
- Projektdokumentation in standardisierten Templates
- Zahlen, Daten und Fakten
- Kennzahlen und messbare Ergebnisse
- Zentrale Speicherung in zugänglichen Datenbanken
- “Gelbe Seiten”-Funktion zur Identifikation von Ansprechpartnern
Dieser Teil kann in einheitlichen Steckbrief-Templates gespeichert und cloudbasiert für alle zugänglich gemacht werden. Dadurch entsteht eine organisationsweite Wissensbasis, die auch Jahre später noch Auskunft über vergangene Projekte geben kann.
Der retrospektive Teil konzentriert sich auf:
- Erfahrungswissen und Lessons Learned
- Geschichten und Narrative aus dem Projektverlauf
- Implizites Wissen über Prozesse und Zusammenarbeit
- Kulturelle und zwischenmenschliche Aspekte
Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen
Ein zentraler Punkt des Vortrags ist die klare Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen. Explizites Wissen lässt sich leicht dokumentieren und übertragen, während implizites Wissen schwerer zu fassen ist.
Der Referent erklärt: “Es gibt auch einen Unterschied zwischen implizitem Wissen und stillschweigendem Wissen. Also tacit knowing.” Diese Unterscheidung ist wichtig, da verschiedene Arten von Wissen unterschiedliche Übertragungsmethoden erfordern.
Implizites Wissen entsteht durch:
- Gemeinsame Arbeitserfahrungen
- Expertenwissen in komplexen Feldern
- Intuitive Problemlösungsansätze
- Kulturelle und kontextuelle Faktoren
Die Herausforderung besteht darin, dieses Wissen zugänglich zu machen, ohne es dabei zu verfälschen oder zu stark zu vereinfachen.
Storytelling als Methode zur Weitergabe von Erfahrungswissen
Eine der innovativsten Ansätze im Vortrag ist die Verwendung von Storytelling zur Übertragung impliziten Wissens. Der Referent demonstriert dies anhand des Märchens von den drei Schweinchen und dem Wolf.
Die Geschichte vermittelt mehrere Ebenen von Wissen:
- Oberflächlich: Backstein ist besser als Stroh oder Holz
- Tiefergehend: Solidarität, Gemeinschaft und Zusammenhalt sind wichtig
- Strategisch: Qualität erfordert Zeitinvestition und höhere Kosten
- Langfristig: Nachhaltiger Aufbau zahlt sich aus
Der Referent betont: “Was soll eigentlich transportiert werden auf das Thema? Solidarität, Gemeinschaft, Zusammenhalt und vor allem Qualität. Da kommt mit, wenn du was Richtiges aufbauen willst, dann musst du vorher auch mal Zeit investieren und vielleicht Kosten nicht scheuen, damit da was Langfristiges draus wird.”
Im Gegensatz dazu würde ein klassisches Lessons Learned nur die oberflächliche Erkenntnis “Backstein ist besser als Stroh” festhalten und dabei die wichtigeren impliziten Botschaften verlieren.
Methoden zur Verbreitung von Geschichten
Für die Verbreitung von Erfahrungsgeschichten schlägt der Referent verschiedene Formate vor:
- Informelle Gespräche an der Kaffeemaschine
- Communities of Practice als strukturierte Austauschforen
- Fuck-up-Nights zur Förderung der Fehlerkultur
- Blogs, Podcasts und visuelle Medien
- Comics, Bilder und Poster über Projekterfahrungen
Besonders Communities of Practice hebt er hervor: “Ich liebe Communities of Practice, das ist das A und O, super Werkzeug, um solche Erfahrungen weiterzutragen und noch weiter aufzubrechen und zu strukturieren, miteinander zu ko-kreieren.”
Transformation zur lernenden Projektorganisation
Der Referent macht deutlich, dass Project Debriefing nicht Selbstzweck ist, sondern ein Vehikel zur Transformation in eine lernende Projektorganisation. “Project Debriefing ist eine Methode, es ist ein Vehikel, um zu einer lernenden Projektorganisation zu kommen. Wir wollen nicht nur ein Project Debriefing machen, sondern was wir eigentlich wollen, ist daraus zu lernen und bessere Produkte oder bessere Kunden zu haben.”
Die Transformation umfasst mehrere Phasen:
- Analyse der aktuellen Lernkultur
- Definition eines Zielbilds für die gewünschte Projektkultur
- Pilotprojekte zur Erprobung neuer Methoden
- Schrittweise Ausweitung auf die gesamte Projektlandschaft
- Etablierung neuer Verhaltensweisen und Prozesse
Der Referent warnt vor dem häufigen Fehler, sofort mit Software-Lösungen zu beginnen: “Manchmal ist es so, man sagt oder man kommt auf den Trichter, jetzt als Unternehmen müssen wir unser Wissen sichern, müssen da was tun, wir brauchen eine Software. Aber gerade auch bei diesem Thema Lernkultur und Vertrauen und Wissen teilen und vor allem Erfahrungswissen fängt es eigentlich im Kopf an.”
Phasen der Transformation
Der empfohlene Transformationsprozess folgt einer klaren Sequenz:
- Haltung ändern: Einstellung zu Debriefing, Lernen, Fehlern und Irrtümern überdenken
- Verhalten ändern: Neue Praktiken einführen und etablieren
- Reflexion: Viel über die Erfahrungen sprechen und diskutieren
- Prozesse anpassen: Organisationsstrukturen an neue Anforderungen anpassen
- Software einführen: Technische Unterstützung implementieren, wenn die Kultur etabliert ist
Voraussetzungen für erfolgreiche Implementierung
Für eine erfolgreiche Transformation zur lernenden Projektorganisation sind mehrere Voraussetzungen erforderlich:
Gemeinsames Ziel: Alle Beteiligten müssen das Ziel verstehen und mittragen, das Unternehmen zu verbessern, besser zusammenzuarbeiten und bessere Produkte für Kunden zu entwickeln.
Führungsunterstützung: Die Führung muss sowohl Ressourcen bereitstellen als auch die Lernkultur aktiv vorleben. “Die Führungskraft muss auch in der Lage sein zu leben. Es ist eine Lernkultur. Thema hier und ohne die Führungskraft, die das Ganze mitträgt, funktioniert das nicht.”
Transformationsbegleitung: Eine übergreifende Begleitung ist notwendig, da möglicherweise neue Rollen in der Projektmanagement-Struktur eingeführt werden müssen.
Geduld und Ausdauer: Der Referent betont: “Was braucht es? Geduld. Klar, wenn wir jetzt sagen, wir machen nur den reinen Change von wir führen als Methode Project Debriefing ein, dann geht es vielleicht recht schnell. Aber bis wirklich die Lernkultur da ist, dauert es.”
Richtige Weichenstellung: Es ist wichtig, von Anfang an die richtigen Grundlagen zu schaffen, damit das System langfristig funktioniert und nicht wie gescheiterte Datenbank-Projekte ungenutzt bleibt.
Praktische Herausforderungen und Lösungsansätze
In der Diskussion werden verschiedene praktische Herausforderungen angesprochen, insbesondere für große, international verteilte Unternehmen. Bei Unternehmen mit 53.000 Mitarbeitern weltweit ist persönlicher Austausch nicht immer möglich.
Für solche Situationen schlägt der Referent vor:
- Blogs oder Podcasts mit retrospektiven Inhalten
- Aufzeichnung von Erfahrungsgeschichten in narrativer Form
- Strukturierte Dokumentation von Problemlösungsansätzen
- Verwendung visueller Medien zur Übertragung komplexer Erfahrungen
Ein wichtiger Punkt ist die Rolle des Multiprojektmanagers, der als “Multiprojektwissensmanager” fungieren könnte. Diese Rolle würde übergreifende Funktionen zwischen Projekten übernehmen und als Katalysator für den Wissenstransfer dienen.
Fazit und Ausblick
Der Vortrag zeigt einen systematischen Ansatz zur Transformation von Wissenssilos in eine lernende Projektorganisation auf. Die Kombination aus strukturiertem Debriefing für explizites Wissen und Storytelling für implizites Wissen bietet einen vielversprechenden Weg zur besseren Nutzung von Projekterfahrungen.
Zentrale Erkenntnisse:
- Wissenstransformation erfordert bewusste Anstrengungen und kann nicht automatisiert werden
- Die Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen ist fundamental für die Wahl geeigneter Übertragungsmethoden
- Storytelling ist ein mächtiges Werkzeug zur Übertragung von Erfahrungswissen
- Kultureller Wandel muss technischen Lösungen vorausgehen
- Führungsunterstützung und Geduld sind kritische Erfolgsfaktoren
Offene Fragen:
- Wie kann die Qualität und Relevanz von Geschichten sichergestellt werden?
- Welche Rolle spielen kulturelle Unterschiede in internationalen Organisationen?
- Wie lässt sich der Erfolg von Wissenstransfer-Initiativen messen?
- Welche technischen Lösungen unterstützen am besten narrative Wissensformen?
Handlungsempfehlungen:
- Beginnen Sie mit der Analyse Ihrer aktuellen Lernkultur, bevor Sie technische Lösungen implementieren
- Finden Sie Begeisterte und Unterstützer für das Thema Wissenstransfer
- Starten Sie mit Pilotprojekten, um Erfahrungen zu sammeln
- Investieren Sie in die Entwicklung einer offenen Lern- und Fehlerkultur
- Etablieren Sie Communities of Practice als strukturierte Austauschforen
- Dokumentieren Sie nicht nur Fakten, sondern auch die Geschichten hinter den Projekten