Critical Incident Technique: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Critical Incident Technique (CIT)''' wurde in den 1940er Jahren im Rahmen des Aviation Psychology Program der US Army Air Forces entwickelt. Ihr Ursprung liegt in Studien zur Analyse von Fehlerursachen beim Fliegen und in der Bewertung von Pilotenausbildung. Während des Zweiten Weltkriegs wurden verschiedene Methoden zur Sammlung und Analyse von Verhaltensdaten getestet. Entscheidende Impulse kamen durch das Sammeln spezifischer, beobachtbarer Verhaltensweisen (kritische Vorfälle), die zum Erfolg oder Misserfolg von Missionen führten. Erste Anwendungen umfassten Analysen von Eliminationsgründen bei Pilotenschulungen, Ursachen für gescheiterte Bombenmissionen und Studien zu Führung und Desorientierung im Luftkampf. Ziel war stets, von generischen Einschätzungen hin zu konkreten, beobachtbaren und beschreibbaren Handlungen zu gelangen, die als "kritische Anforderungen" für Erfolg oder Misserfolg identifiziert werden konnten.
== Zusammenfassung ==
=== Entwicklungsstudien am American Institute for Research ===
Nach dem Krieg wurden die Verfahren bei neuen Studien im American Institute for Research weiterentwickelt. Beispiele umfassen die Ermittlung kritischer Anforderungen für Offiziere der US Air Force, kommerzielle Piloten, Forscher und Verkehrskontrolleure. Die Methode wurde so formalisiert und bekam ihren Namen. Ein zentrales Ergebnis war die Identifikation von kritischen Anforderungen aus zahlreichen Einzelvorfällen, die wiederum zur Entwicklung von Auswahltests, Eignungsprüfungen und Bewertungsverfahren für verschiedene Berufe und Tätigkeiten führten. Praktische Erkenntnisse zeigten, dass tägliche Erfassung von Vorfällen verlässlichere und umfassendere Daten liefert als sporadische oder retrospektive Erhebungen. Die Technik wurde auch erstmals in der Industrie angewandt, etwa zur Bewertung von Fertigungsmitarbeitern, und diente zur Entwicklung von Eignungs- und Einstellungsverfahren.
=== Studien an der Universität Pittsburgh ===
An der Universität Pittsburgh wurden zahlreiche Dissertationen und Forschungsarbeiten durchgeführt, die die CIT auf verschiedene Berufsgruppen anwendeten, etwa Zahnärzte, Vorarbeiter, Buchhalter, Versicherungsagenturen, Psychologiedozenten und Verkaufsangestellte. Die Arbeiten zeigten, wie unterschiedliche Beobachtergruppen (z.B. Vorgesetzte, Kollegen, Kunden) verschiedene Aspekte als kritisch betrachten. Auch technische Fragen, etwa zur Formulierung der Fragen und deren Einfluss auf die Qualität der Berichte, wurden systematisch untersucht. Die Studien belegten die Flexibilität der Methode, etwa auch in der Persönlichkeitsdiagnostik (z.B. emotionale Unreife) und in der Bewertung von Verhalten im Verkauf oder Unterricht.
=== Das Verfahren in seiner heutigen Form ===
Die Critical Incident Technique umfasst fünf Hauptschritte:
# '''Bestimmung des generellen Ziels:''' Ein prägnantes Ziel der zu analysierenden Aktivität muss definiert werden. Dieses Ziel sollte in Zusammenarbeit mit Fachexperten als kurze, klare Aussage formuliert werden, die von allen Beteiligten akzeptiert wird.
# '''Planung und Spezifikation:''' Es müssen klare Vorgaben erstellt werden, was, wo und von wem beobachtet wird. Dazu zählen Definition der zu beobachtenden Situationen, Relevanzkriterien, Ausmaß der Wirkung auf das Ziel und Auswahl/Schulung der Beobachter.
# '''Datensammlung:''' Kritische Vorfälle werden entweder direkt nach der Beobachtung oder aus Erinnerung erfasst, idealerweise möglichst zeitnah. Methoden umfassen Einzelinterviews, Gruppeninterviews, Fragebögen und fortlaufende Dokumentation. Die Qualität der Daten hängt von Frische, Detailgrad und Objektivität ab. Eine ausreichende Zahl an Vorfällen ist notwendig, um alle relevanten Verhaltensweisen abzudecken.
# '''Datenanalyse:''' Die gesammelten Vorfälle werden in Kategorien sortiert, meist induktiv entwickelt, um Muster und kritische Anforderungen herauszuarbeiten. Ziel ist eine ausgewogene Balance zwischen Detailtiefe und Übersichtlichkeit.
# '''Interpretation und Berichterstattung:''' Es müssen mögliche Verzerrungen, Grenzen der Aussagekraft und praktische Nutzbarkeit berücksichtigt werden. Die Ergebnisse dienen als Basis für vielfältige Anwendungen, etwa in Selektion, Training oder Leistungsbewertung.
=== Anwendungsbereiche der Critical Incident Technique ===
Die CIT hat zahlreiche Anwendungen gefunden, darunter:
* '''Leistungsbewertung:''' Entwicklung von Checklisten und Kriterien für typisches Verhalten in Berufen (z.B. Lehrer, Psychologen).
* '''Profi­zienz­messung:''' Konstruktion von Tests und standardisierten Prüfungssituationen, z.B. für Piloten oder Wissenschaftler.
* '''Training:''' Entwicklung von Trainingsprogrammen und -materialien, z.B. zur Notfallbewältigung oder Verhaltensänderung.
* '''Auswahl und Klassifikation:''' Verbesserung von Auswahltests durch präzisere Beschreibung der Jobanforderungen.
* '''Jobdesign:''' Optimierung und Fokussierung von Aufgaben innerhalb von Teams.
* '''Betriebsabläufe:''' Analyse und Verbesserung von Arbeits- und Betriebsverfahren, insbesondere in sicherheitskritischen Bereichen.
* '''Gerätedesign:''' Anpassung und Optimierung von Ausrüstung durch Analyse von Fehlerquellen und Nutzerverhalten.
* '''Motivation und Führung:''' Erforschung von Führungserfolg und Motivation anhand realer Entscheidungssituationen.
* '''Beratung und Psychotherapie:''' Objektivere Erfassung von Verhaltensänderungen und Therapieerfolgen.
Die CIT liefert dabei stets konkrete, beobachtbare Verhaltensbeschreibungen und keine bloßen Meinungen oder allgemeinen Einschätzungen.
=== Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ===
Die Critical Incident Technique stellt ein flexibles, anpassbares Verfahren dar, um wesentliche Anforderungen und Verhaltensweisen in vielfältigen Tätigkeitsbereichen systematisch zu erfassen und zu analysieren. Ihre Grundprinzipien – Fokus auf beobachtbare Fakten und Konzentration auf signifikant erfolgs- oder misserfolgsrelevante Vorfälle – ermöglichen präzise, praxisnahe Erkenntnisse für Selektion, Training, Bewertung und Entwicklung von Personen, Tätigkeiten und Organisationen. Die Methode erfordert sorgfältige Planung, erfahrene Beobachter und eine durchdachte Auswertung, bietet aber eine solide Grundlage für die kontinuierliche Verbesserung in zahlreichen Feldern der Psychologie und Arbeitsforschung.
== Weblinks ==
== Weblinks ==
* Wikipedia-Artikel [https://de.wikipedia.org/wiki/Methode_der_kritischen_Ereignisse Methode der kritischen Ereignisse]
* Wikipedia-Artikel [https://de.wikipedia.org/wiki/Methode_der_kritischen_Ereignisse Methode der kritischen Ereignisse]

Aktuelle Version vom 29. Mai 2025, 22:26 Uhr

Die Critical Incident Technique (CIT) wurde in den 1940er Jahren im Rahmen des Aviation Psychology Program der US Army Air Forces entwickelt. Ihr Ursprung liegt in Studien zur Analyse von Fehlerursachen beim Fliegen und in der Bewertung von Pilotenausbildung. Während des Zweiten Weltkriegs wurden verschiedene Methoden zur Sammlung und Analyse von Verhaltensdaten getestet. Entscheidende Impulse kamen durch das Sammeln spezifischer, beobachtbarer Verhaltensweisen (kritische Vorfälle), die zum Erfolg oder Misserfolg von Missionen führten. Erste Anwendungen umfassten Analysen von Eliminationsgründen bei Pilotenschulungen, Ursachen für gescheiterte Bombenmissionen und Studien zu Führung und Desorientierung im Luftkampf. Ziel war stets, von generischen Einschätzungen hin zu konkreten, beobachtbaren und beschreibbaren Handlungen zu gelangen, die als "kritische Anforderungen" für Erfolg oder Misserfolg identifiziert werden konnten.

Zusammenfassung

Entwicklungsstudien am American Institute for Research

Nach dem Krieg wurden die Verfahren bei neuen Studien im American Institute for Research weiterentwickelt. Beispiele umfassen die Ermittlung kritischer Anforderungen für Offiziere der US Air Force, kommerzielle Piloten, Forscher und Verkehrskontrolleure. Die Methode wurde so formalisiert und bekam ihren Namen. Ein zentrales Ergebnis war die Identifikation von kritischen Anforderungen aus zahlreichen Einzelvorfällen, die wiederum zur Entwicklung von Auswahltests, Eignungsprüfungen und Bewertungsverfahren für verschiedene Berufe und Tätigkeiten führten. Praktische Erkenntnisse zeigten, dass tägliche Erfassung von Vorfällen verlässlichere und umfassendere Daten liefert als sporadische oder retrospektive Erhebungen. Die Technik wurde auch erstmals in der Industrie angewandt, etwa zur Bewertung von Fertigungsmitarbeitern, und diente zur Entwicklung von Eignungs- und Einstellungsverfahren.

Studien an der Universität Pittsburgh

An der Universität Pittsburgh wurden zahlreiche Dissertationen und Forschungsarbeiten durchgeführt, die die CIT auf verschiedene Berufsgruppen anwendeten, etwa Zahnärzte, Vorarbeiter, Buchhalter, Versicherungsagenturen, Psychologiedozenten und Verkaufsangestellte. Die Arbeiten zeigten, wie unterschiedliche Beobachtergruppen (z.B. Vorgesetzte, Kollegen, Kunden) verschiedene Aspekte als kritisch betrachten. Auch technische Fragen, etwa zur Formulierung der Fragen und deren Einfluss auf die Qualität der Berichte, wurden systematisch untersucht. Die Studien belegten die Flexibilität der Methode, etwa auch in der Persönlichkeitsdiagnostik (z.B. emotionale Unreife) und in der Bewertung von Verhalten im Verkauf oder Unterricht.

Das Verfahren in seiner heutigen Form

Die Critical Incident Technique umfasst fünf Hauptschritte:

  1. Bestimmung des generellen Ziels: Ein prägnantes Ziel der zu analysierenden Aktivität muss definiert werden. Dieses Ziel sollte in Zusammenarbeit mit Fachexperten als kurze, klare Aussage formuliert werden, die von allen Beteiligten akzeptiert wird.
  2. Planung und Spezifikation: Es müssen klare Vorgaben erstellt werden, was, wo und von wem beobachtet wird. Dazu zählen Definition der zu beobachtenden Situationen, Relevanzkriterien, Ausmaß der Wirkung auf das Ziel und Auswahl/Schulung der Beobachter.
  3. Datensammlung: Kritische Vorfälle werden entweder direkt nach der Beobachtung oder aus Erinnerung erfasst, idealerweise möglichst zeitnah. Methoden umfassen Einzelinterviews, Gruppeninterviews, Fragebögen und fortlaufende Dokumentation. Die Qualität der Daten hängt von Frische, Detailgrad und Objektivität ab. Eine ausreichende Zahl an Vorfällen ist notwendig, um alle relevanten Verhaltensweisen abzudecken.
  4. Datenanalyse: Die gesammelten Vorfälle werden in Kategorien sortiert, meist induktiv entwickelt, um Muster und kritische Anforderungen herauszuarbeiten. Ziel ist eine ausgewogene Balance zwischen Detailtiefe und Übersichtlichkeit.
  5. Interpretation und Berichterstattung: Es müssen mögliche Verzerrungen, Grenzen der Aussagekraft und praktische Nutzbarkeit berücksichtigt werden. Die Ergebnisse dienen als Basis für vielfältige Anwendungen, etwa in Selektion, Training oder Leistungsbewertung.

Anwendungsbereiche der Critical Incident Technique

Die CIT hat zahlreiche Anwendungen gefunden, darunter:

  • Leistungsbewertung: Entwicklung von Checklisten und Kriterien für typisches Verhalten in Berufen (z.B. Lehrer, Psychologen).
  • Profi­zienz­messung: Konstruktion von Tests und standardisierten Prüfungssituationen, z.B. für Piloten oder Wissenschaftler.
  • Training: Entwicklung von Trainingsprogrammen und -materialien, z.B. zur Notfallbewältigung oder Verhaltensänderung.
  • Auswahl und Klassifikation: Verbesserung von Auswahltests durch präzisere Beschreibung der Jobanforderungen.
  • Jobdesign: Optimierung und Fokussierung von Aufgaben innerhalb von Teams.
  • Betriebsabläufe: Analyse und Verbesserung von Arbeits- und Betriebsverfahren, insbesondere in sicherheitskritischen Bereichen.
  • Gerätedesign: Anpassung und Optimierung von Ausrüstung durch Analyse von Fehlerquellen und Nutzerverhalten.
  • Motivation und Führung: Erforschung von Führungserfolg und Motivation anhand realer Entscheidungssituationen.
  • Beratung und Psychotherapie: Objektivere Erfassung von Verhaltensänderungen und Therapieerfolgen.

Die CIT liefert dabei stets konkrete, beobachtbare Verhaltensbeschreibungen und keine bloßen Meinungen oder allgemeinen Einschätzungen.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Die Critical Incident Technique stellt ein flexibles, anpassbares Verfahren dar, um wesentliche Anforderungen und Verhaltensweisen in vielfältigen Tätigkeitsbereichen systematisch zu erfassen und zu analysieren. Ihre Grundprinzipien – Fokus auf beobachtbare Fakten und Konzentration auf signifikant erfolgs- oder misserfolgsrelevante Vorfälle – ermöglichen präzise, praxisnahe Erkenntnisse für Selektion, Training, Bewertung und Entwicklung von Personen, Tätigkeiten und Organisationen. Die Methode erfordert sorgfältige Planung, erfahrene Beobachter und eine durchdachte Auswertung, bietet aber eine solide Grundlage für die kontinuierliche Verbesserung in zahlreichen Feldern der Psychologie und Arbeitsforschung.

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