Gkc25/Von der Wissensstafette zum Wissenstransfer: Unterschied zwischen den Versionen

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* Kombiniere interne und externe Prozessbegleitung je nach Sensibilität und Hierarchieebene
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* Nimm Kontakt mit den Referenten auf, um Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen
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Aktuelle Version vom 23. November 2025, 15:59 Uhr

Die Präsentation beschreibt die Entwicklung und Implementierung eines systematischen Wissenstransfer-Prozesses in der DAK-Gesundheit über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren. Die beiden Referenten teilen ihre Erfahrungen mit verschiedenen Methoden wie der Wissenstafette und Expert Debriefing, zeigen die Herausforderungen bei der Wissenssicherung in einem großen Unternehmen mit alternder Belegschaft auf und stellen ihr gemeinsames Vorgehen vor, das sowohl interne als auch externe Prozessbegleitung umfasst. Dabei betonen sie die Bedeutung von strukturierter Dokumentation, einheitlichen Prozessen und der klaren Verantwortlichkeit von Führungskräften beim Wissenstransfer.

Hauptthemen der Präsentation:

  1. Ausgangssituation und Rahmenbedingungen der DAK-Gesundheit
  2. Entwicklung des Wissenstransfer-Konzepts über zehn Jahre
  3. Methoden und Tools für den Wissenstransfer
  4. Der standardisierte Wissenstransfer-Prozess
  5. Interne versus externe Prozessbegleitung
  6. Identifikation kritischen Wissens und Priorisierung
  7. Herausforderungen und praktische Umsetzung
  8. Zusammenarbeit und Netzwerkbildung

Ausgangssituation und Rahmenbedingungen der DAK-Gesundheit

Die DAK-Gesundheit ist ein Großunternehmen der öffentlichen Verwaltung mit rund 11.000 Mitarbeitenden und 5,5 Millionen Versicherten. Das Unternehmen gibt jährlich 27 Milliarden Euro aus und ist bundesweit an verschiedenen Standorten vertreten. Eine besondere Herausforderung stellt die Altersstruktur der Belegschaft dar: Viele Mitarbeitende haben eine sehr lange Betriebszugehörigkeit von 10, 15, 20 oder sogar bis zu 40 Jahren.

Diese hohe Betriebszugehörigkeit führt dazu, dass im Unternehmen wenig dokumentiert ist. Das Wissen existiert hauptsächlich in den Köpfen der erfahrenen Mitarbeitenden. Wenn dann zwei oder drei Personen gleichzeitig ausscheiden, geht unwiederbringliches Wissen verloren. Besonders problematisch ist, dass viele dieser langjährigen Mitarbeitenden dieselben Aufgaben über Jahrzehnte hinweg bearbeitet haben und dadurch über ein immenses Erfahrungswissen verfügen.

Die Organisation ist mit einer demografischen Herausforderung konfrontiert: In den nächsten Jahren scheidet eine große Anzahl von Mitarbeitenden aus Altersgründen aus. Eine Umfrage unter den Mitarbeitenden ergab, dass von 500 Befragten eine erhebliche Anzahl in absehbarer Zeit in Rente gehen wird. Verschärft wird die Situation dadurch, dass Stellen nicht mehr eins zu eins nachbesetzt werden können, da einfach nicht genug Potenzial auf dem Arbeitsmarkt vorhanden ist.

Ein weiteres Problem stellt die kurzfristige Planbarkeit dar: Mitarbeitende können relativ kurzfristig entscheiden, in Rente zu gehen, wenn sie ihre Versicherungsjahre erfüllt haben. Dies führt dazu, dass Führungskräfte manchmal erst drei Monate vor dem Ausscheiden einer Person davon erfahren, obwohl diese Person jahrzehntelang im Unternehmen tätig war. Teilweise zeigt sich diese Problematik sogar in Führungsrunden, wo plötzlich mehrere Führungskräfte ankündigen, in naher Zukunft ausscheiden zu wollen.

Entwicklung des Wissenstransfer-Konzepts über zehn Jahre

Die Entwicklung des Wissenstransfer-Konzepts begann vor über zehn Jahren aus einer akuten Notwendigkeit heraus. Der Referent wechselte damals in die Personalentwicklung und hatte zunächst keine Erfahrung mit dem Thema Wissenstransfer. Er fand einige Unterlagen einer externen Beraterin auf dem Laufwerk und begann, sich autodidaktisch mit dem Thema auseinanderzusetzen.

In der Anfangsphase wurde mit verschiedenen Bereichen experimentiert und untersucht, welche Ansätze funktionieren könnten. Es gab zunächst keinen strukturierten Prozess, sondern die Führungskräfte mussten selbst einschätzen, ob eine ausscheidende Person kritisch für das Unternehmen ist. Die Personalabteilung kennt zwar die Geburtsdaten und weiß theoretisch, wann jemand ausscheiden könnte, aber es fehlte ein systematischer Ablauf zur Wissenssicherung.

Über die Jahre entwickelte sich ein immer strukturierterer Ansatz. Der Austausch mit anderen Experten spielte dabei eine wichtige Rolle. Der Referent stieß auf das Demografienetzwerk in Hamburg, wo eine aktive Regionalgruppe und eine Arbeitsgruppe Qualifizierung und Wissensmanagement existierten. Über das Corporate Learning Community (lernOS) und Simon Dückert kam der Kontakt zur Wissenstafette zustande. Später führte die Recherche zu Frau Dr. Anne-Rose Hamann, die das Format Wissenstafette für VW entwickelt hatte, und zum Expert Debriefing.

Ein entscheidender Wendepunkt war die Begegnung mit Ingo von der Sell CT. Die beiden Referenten stellten fest, dass sie einen nahezu identischen Werdegang hatten: Beide sind 60 Jahre alt, haben drei Kinder, sind verheiratet und haben sowohl in der Personalentwicklung als auch im Wissenstransfer gearbeitet. Diese Gemeinsamkeiten führten zu einer engen Zusammenarbeit und dem Austausch von Methoden und Erfahrungen.

Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Unterlagen und Prozesse war getrieben von der Leidenschaft für das Thema und dem praktischen Nutzen, den die Methoden zeigten. In den zehn Jahren wurden etwa 50 bis 60 Transfers begleitet, wobei ständig neue Erkenntnisse gewonnen und in die Prozesse integriert wurden. Die Produktinformationen und Dokumentationsformate wurden immer wieder angepasst und verbessert.

Methoden und Tools für den Wissenstransfer

Für den Wissenstransfer kommen verschiedene bewährte Methoden und Tools zum Einsatz. Ein zentrales Element ist die Themen-Mindmap, die als Strukturierungshilfe für die Transfergespräche dient. Diese Mindmap hilft dabei, systematisch alle relevanten Themen zu erfassen und nichts zu vergessen.

Der Wissensbaum ist ein weiteres wichtiges Instrument, das besonders in Workshops zur Einführung des Themas Wissenstransfer eingesetzt wird. Mit dem Wissensbaum setzen sich die Teilnehmenden erstmal grundsätzlich mit dem Thema auseinander und reflektieren ihr eigenes Wissen. Der Baum beginnt unten mit der Frage nach Aus- und Weiterbildung als Grundstock, steigt dann auf zu den Aufgaben und Kompetenzen und fragt schließlich nach der Krone: Welche Kompetenzen wurden aus all dem entwickelt?

Interessanterweise nutzen manche Teilnehmenden den Wissensbaum nicht von unten nach oben, sondern umgekehrt – sie beginnen bei den Kompetenzen und arbeiten sich dann zu den Grundlagen vor. Diese Flexibilität macht das Tool besonders wertvoll für unterschiedliche Denktypen.

Eine Produktinformation wurde erstellt und ins Intranet gestellt, um das Angebot bekannt zu machen. Wenn die Personalentwicklung mitbekam, dass irgendwo jemand wechselte, wurde aktiv das Wissenstransfer-Angebot unterbreitet. Die Produktinformation erklärt, was Wissenstransfer ist, wer die Zielgruppe ist, wie der Ablauf aussieht und welche Dokumentationsmöglichkeiten es gibt.

Für die Dokumentation selbst wird bewusst mit einfachen, den Mitarbeitenden vertrauten Tools gearbeitet. Wenn jemand mit Excel arbeitet, wird Excel verwendet. Wenn jemand mit Word arbeitet, ist es Word. Bei Nutzung von Office 365 kommt auch OneNote zum Einsatz. Die Grundidee ist: Je komplizierter die Dokumentation gemacht wird, umso weniger werden die Menschen mitgenommen.

Eine Word-Vorlage wurde entwickelt, die auf der linken Seite die Einteilung der einzelnen Zweige aus der Mindmap enthält. Auf der rechten Seite ist Platz für die eigentliche Dokumentation. Diese Struktur hilft, das Gespräch zu führen und gleichzeitig zu dokumentieren. Mittlerweile wird auch mit Confluence gearbeitet, je nachdem, womit die Beteiligten gewohnt sind zu arbeiten.

Die Wissenslandkarte aus der Wissenstafette wird beim Transfergespräch eingesetzt. Sie gliedert sich in verschiedene Bereiche: In der Mitte steht das, was dokumentiert wird, links werden die verschiedenen Wissensbereiche dargestellt, und rechts im Blau ist ein Aktionsplan zu finden mit Hinweisen wie “rede mal mit dem” oder “mach noch das”.

Der standardisierte Wissenstransfer-Prozess

Der Wissenstransfer-Prozess gliedert sich in klar definierte Phasen mit jeweils etwa anderthalb Stunden Dauer. Der Gesamtaufwand liegt bei ungefähr drei Arbeitstagen. Der Ablauf folgt einem bewährten Standard: Auftaktgespräch, Wissensanalyse, Selbsteinschätzung und Feinabstimmung.

Die Analysephase bildet den ersten Teil des Prozesses. Hier wird zunächst ein Auftragsgespräch mit allen relevanten Rollen geführt. Dazu gehören die Führungskraft, der Wissensgeber, der Wissensnehmer und der Prozessbegleiter. In diesem Gespräch werden die Ziele geklärt, die Zielgruppe definiert und der Ablauf sowie die Dokumentationsform festgelegt. Auch Grundvoraussetzungen wie Vertraulichkeit und Freiwilligkeit werden thematisiert.

Ein wichtiger Bestandteil der Analysephase ist die erste Selbsteinschätzung. Diese macht nur der Wissensnehmer zusammen mit dem Prozessbegleiter. Der Wissensnehmer schätzt ein, wie viel Prozent des benötigten Wissens er bereits hat. Diese erste Selbsteinschätzung dient als Ausgangspunkt und hilft bei der Sortierung: Wo fängt man an, wo steigt man ein? Sie ist noch eine grobe Daumeneinschätzung, macht aber transparent, wo die größten Wissenslücken bestehen.

Die Sammlung der Aufgaben erfolgt zunächst wild und unstrukturiert. Es wird gefragt: “Erzählt uns mal, was machst du eigentlich, was sind deine Aufgaben?” Auf einem Flipchart oder digital wird dann eine Mindmap angelegt, um alle Themen und Aufgaben zu sammeln. Dabei kommt oft heraus, dass die tatsächlichen Aufgaben ganz anders aussehen als in der Stellenbeschreibung vermerkt.

Nach dieser Sammlung werden die Themen strukturiert nach der vorbereiteten Mindmap abgearbeitet. Die Mindmap enthält typischerweise acht Hauptäste mit verschiedenen Themenbereichen. Es wird über Schnittstellen zu anderen Bereichen gesprochen, Problemlösungen diskutiert und geschaut, wo es in bestimmten Themen immer wieder Schwierigkeiten gibt.

Das eigentliche Transfergespräch findet häufig als Tagesformat statt. Erfahrungsgemäß ist man mittags fertig, wenn man wirklich konzentriert arbeitet. Bei diesen Transfergesprächen wird die Wissenslandkarte verwendet, die neben der dokumentierten Information auch Netzwerkkontakte und einen Aktionsplan enthält. Es wird geklärt, mit wem der Nachfolger sprechen sollte – aber auch mit wem besser nicht, weil manche Protagonisten sonst sofort ihre eigenen Agenden durchsetzen wollen.

Eine zweite Selbsteinschätzung erfolgt nach dem Transfergespräch. Diese ist deutlich detaillierter als die erste, da sich die Beteiligten nun mitten im Prozess befinden. Die Wissensnehmer setzen sich nochmal hin und schätzen ein, welches Verständnis sie jetzt bei den einzelnen Themen haben. Diese Selbsteinschätzung dient auch der Motivation und zeigt, welcher Fortschritt bereits erreicht wurde.

Die Feinabstimmung klärt, was noch in der Einarbeitung wichtig ist und wie die weitere Einarbeitung gestaltet werden kann. Dabei wird auch festgelegt, welche Themen vielleicht nicht mehr so relevant sind, weil sie in Zukunft anders gemacht werden. Nach hinten raus werden mehr Aktionspläne geschrieben mit Empfehlungen wie “rede mal noch da und da drüber, wenn ihr Zeit habt”.

Interne versus externe Prozessbegleitung

Die Frage, ob ein Wissenstransfer intern oder extern begleitet werden sollte, ist komplex und situationsabhängig. Grundsätzlich ist die Aufgabe beim Prozessbegleiter klar definiert: Er macht Vorgespräche mit der Führungskraft, redet mit dem Wissensgeber und Wissensnehmer, führt die Selbsteinschätzungen durch und moderiert das Transfergespräch. Die eigentliche Dokumentation erstellt jedoch nicht der Prozessbegleiter, sondern die Beteiligten selbst.

Ein wichtiger Grundsatz: Der Prozessbegleiter macht keine Dokumentation der Inhalte. Der Grund ist einfach: Was der Prozessbegleiter versteht und aufschreibt, ist für die Experten vielleicht zu oberflächlich. Das Wichtige, was die Nachfolger wirklich brauchen, steht dann möglicherweise nicht drin, weil es für den Prozessbegleiter zu komplex war und einfach durchgegangen ist. Die Dokumentation muss also von denjenigen erstellt werden, die das Fachwissen haben.

Interne Prozessbegleitung hat mehrere Vorteile: Die internen Begleiter kennen das Unternehmen, die Strukturen und oft auch die Personen. Sie haben einen niedrigeren Einstiegsaufwand und können flexibler eingesetzt werden. Die Kosten sind geringer, da keine externen Honorare anfallen. Zudem kann eine kontinuierliche Begleitung über längere Zeiträume leichter realisiert werden.

Allerdings hat die interne Begleitung auch Grenzen. Ein interner Wissenstransfer-Begleiter hat, auch wenn er das Know-how und die Erfahrung besitzt, leider meistens nicht das Standing für bestimmte hochrangige Positionen. Bei Führungskräften oder Vorstandsreferenten kommt es vor, dass diese einem internen Berater nicht alle Informationen offenlegen, die sie einem Externen erzählen würden.

Externe Moderatoren bringen mehrere entscheidende Vorteile mit sich. Erstens sind sie neutral und werden nicht von internen Hierarchien oder Befindlichkeiten beeinflusst. Einem Externen wird auch mehr über Kultur und andere sensible Dinge ganz anders erzählt. Zweitens haben sie oft ein höheres Standing, insbesondere bei Top-Level-Positionen. Ein Vorstandsreferent-Wechsel sollte beispielsweise extern moderiert werden, weil zu viele interne Informationen besprochen werden, die nicht in zu viele Köpfe gelangen sollen.

Ein konkretes Beispiel verdeutlicht dies: Bei einem Prozess mit Führungskräften waren die Teilnehmenden nicht offen genug, als ein Personalentwickler den Prozess begleitete. Sie hätten einem Externen viel mehr erzählt. Auch bei heiklen Transferprozessen, wo bestimmte kulturelle oder strategische Interna zur Sprache kommen, ist externe Moderation oft die bessere Wahl.

Die ideale Lösung ist eine Kombination: Interne und externe Prozessbegleiter arbeiten nach dem gleichen Vorgehen und mit den gleichen Dokumentationsformaten. So erkennt jeder im Unternehmen den Prozess wieder, unabhängig davon, ob er intern oder extern begleitet wird. Die Zusammenarbeit zwischen der DAK-Gesundheit und Sell CT ist ein Beispiel für diese Vorgehensweise.

In der Praxis wurden verschiedene Konstellationen erprobt: Interne Prozesse mit Personalwechseln, bei denen beide Seiten intern moderiert wurden. Externe Prozesse, bei denen eine externe Moderation zum Einsatz kam. Und sogar Hybrid-Prozesse, bei denen eine Person in einen anderen Bereich wechselt – der eine Prozessbegleiter verabschiedet sie im alten Bereich als Wissensgeberin, und der andere nimmt sie ab November im neuen Bereich als Wissensnehmerin auf.

Identifikation kritischen Wissens und Priorisierung

Eine der größten Herausforderungen ist die Identifikation des kritischen Unternehmenswissens. Nicht jeder Mitarbeitende, der ausscheidet, muss einen aufwendigen Wissenstransfer-Prozess durchlaufen. Es braucht Kriterien zur Einschätzung, welches Wissen wirklich geschäftskritisch ist und gesichert werden muss.

Dafür wurde ein Komplexitätscheck entwickelt – eine Art Bewertungssystem, ähnlich einer Ampel, aber mit mehr Differenzierungsmöglichkeiten. Dabei werden verschiedene Kriterien betrachtet: Wie lange ist jemand dabei? Wie wichtig ist das Wissen? Wie komplex ist das Wissen? Ist es leicht wieder aufzubauen oder braucht man dafür ein Fachstudium? Wie viele Personen verfügen über ähnliches Wissen?

Ein zentrales Kriterium ist die Frage: Ist das ein Experte? Ein Experte wurde klar definiert – er grenzt sich zum Laien ab. Es gibt verschiedene Indikatoren, die auf Expertenstatus hindeuten. Allerdings ist es nicht immer einfach zu sagen, ob jemand ein Experte ist. Das ist eine Einschätzungsfrage, die Führungswissen erfordert. Die Führungskraft sollte einschätzen können, was die Person braucht und ob sie ein Experte ist.

Die Bewertung erfolgt über ein Punktesystem. Ab einer bestimmten Anzahl von Punkten wird ein Wissenstransfer-Gespräch empfohlen. Wenn man ohne Probleme innerhalb von zwei Wochen das benötigte Wissen reinholen kann, kann man den Fall auf Grün setzen – es muss kein aufwendiger Transfer durchgeführt werden. Bei Standardprozessen, die klar definiert sind und von vielen Mitarbeitenden bearbeitet werden, ist der Transferaufwand deutlich geringer.

Die Bewertung berücksichtigt auch, ob das Wissen auf viele Schultern verteilt ist oder bei einer einzelnen Person konzentriert. Ein klassisches Beispiel: Ein Kollege war allein für das Heizkraftwerk in der Seeenerstraße zuständig. Er kannte jede Schraube. Wenn solch eine Person geht, ist der Wissensverlust immens. Hier ist definitiv ein intensiver Transfer notwendig.

Ein weiterer Aspekt ist die Zukunftsrelevanz. Manchmal brennen Mitarbeitende für ein Thema, aber die Führungskraft weiß, dass dieses Thema in Zukunft nicht mehr so gemacht wird. Dann muss abgewogen werden, wie viel Zeit wirklich in den Transfer dieses speziellen Wissens investiert werden soll. Es ist wichtig, die Leute zu motivieren und wertzuschätzen, aber auch realistisch zu bleiben bezüglich der zukünftigen Relevanz.

Die Führungskräfte müssen befähigt werden, diese Einschätzungen besser vornehmen zu können. Dafür werden Leitfäden entwickelt mit Fragen wie: Welche Experten scheiden bei euch aus? Wie kritisch ist deren Wissen? Ein Fragebogen mit sechs, sieben Fragen kann schon eine gute Orientierung geben.

Wichtig ist auch die rechtzeitige Planung. Wenn zehn Abgänge bevorstehen, die alle kritisch sind für das Unternehmen, muss man nicht mit großem finanziellen Aufwand versuchen, eine KI-Lösung zu bauen. Aber man muss die Prioritäten setzen und entscheiden, welche Transfers zuerst angegangen werden. Bei einem Jahr Vorlauf kann der Prozess gut gestreckt werden. Bei nur drei Monaten wird es extrem stressig, und man kann nicht mehr viel machen.

Herausforderungen und praktische Umsetzung

Die praktische Umsetzung des Wissenstransfers bringt zahlreiche Herausforderungen mit sich. Eine grundlegende Schwierigkeit ist, dass Wissenstransfer nicht zur normalen Routine gehört. Es ist unüblich, einfach zu erzählen, was man alles weiß, und dieses Wissen weiterzugeben. Viele Mitarbeitende sind zudem geistig schwer aufnahmefähig für solche zusätzlichen Aufgaben, wenn sie ohnehin schon mit ihrer täglichen Arbeit ausgelastet sind.

Ein großes Problem ist die Zeitknappheit. Die ausscheidenden Mitarbeitenden denken: “Oh, ich muss jetzt noch Wissenstransfer machen, dokumentieren. Ich schaffe meine Arbeit nicht mal.” Die Führungskräfte sagen: “Dafür habe ich keine Zeit.” Und auch der Wissensnehmer ist oft erst in der Lernkurve und hat wenig Zeit, sich intensiv einzuarbeiten. Diese dreifache Zeitknappheit macht es schwierig, die Prozesse durchzuführen.

Die Motivation der Beteiligten ist daher entscheidend. Im Vorfeld müssen Gespräche geführt werden, um die Leute zu motivieren und klarzumachen, warum der Wissenstransfer wichtig ist. Es hilft, den Prozess als wertschätzendes Tool zu präsentieren. Der Wissensbaum beispielsweise ist nicht nur ein Analyseinstrument, sondern auch ein Instrument der Wertschätzung und Motivation. Er zeigt den ausscheidenden Mitarbeitenden, wie viel sie im Laufe ihrer Karriere gelernt und geleistet haben.

Die Verteilung des Wissens auf mehrere Personen ist eine weitere Herausforderung. Oft kann eine Stelle nicht mehr eins zu eins nachbesetzt werden. Dann muss geschaut werden, welche Aufgaben auf mehrere Personen verteilt werden können. In solchen Fällen ist es wichtig, dass alle Beteiligten die gleichen Informationen bekommen und der Prozess gut strukturiert wird. Manchmal wurde erlebt, dass Aufgaben einfach verteilt wurden nach dem Motto “Anne geht, ihr macht mal die Themen mit”, ohne dass ein strukturierter Transfer stattfand.

Ein besonders schwieriges Szenario ist, wenn kein direkter Nachfolger da ist. Dann muss ein Platzhalter gefunden werden, jemand der das Wissen übergangsweise aufnimmt, bis ein Nachfolger gefunden ist. Dies bedeutet, dass der Transfer möglicherweise zweimal stattfinden muss: Einmal vom Wissensträger zum Platzhalter und später vom Platzhalter zum tatsächlichen Nachfolger.

Die Frage der Initiative ist ebenfalls nicht trivial. Wer gibt die initiale Zündung für einen Wissenstransfer? Idealerweise kennt die Personalabteilung die Austrittsdaten und informiert die Führungskräfte rechtzeitig. Die Führungskräfte sollten dann die Personalentwicklung oder die Wissenstransfer-Begleiter informieren. In der Praxis läuft es aber oft anders: Die Personalentwicklung erfährt über ihre internen Berater in den Bereichen von bevorstehenden Austritten, manchmal auch nur zufällig in Gesprächen.

Bei der DAK-Gesundheit gibt es keinen vollständig systematischen Prozess, bei dem automatisch alle Austritte erfasst und bewertet werden. Es wird auf Zuruf gearbeitet: Führungskräfte kommen mit Bedarf, oder die Personalentwicklung erfährt durch ihre Kontakte in die Bereiche von kritischen Austritten. Es gab zwar mal eine Initiative, bei der alle Abteilungen angeschrieben und gefragt wurden, welche Personen in den nächsten Jahren ausscheiden, aber ein kontinuierlicher, systematischer Erfassungsprozess existiert noch nicht.

Ein weiteres Problem sind die sehr kurzen Überschneidungszeiten im öffentlichen Dienst. Mitarbeitende können relativ kurzfristig entscheiden, in Rente zu gehen, wenn sie ihre Versicherungsjahre erfüllt haben – teilweise innerhalb sehr kurzer Fristen. Drei Monate sind dabei keine Seltenheit, was viel zu kurz für einen ordentlichen Wissenstransfer ist. Auch Sabaticals wurden mittlerweile eingeführt, was die Planbarkeit weiter erschwert.

Die Dokumentation stellt ebenfalls eine Hürde dar. Es muss ein Tool gefunden werden, das strukturiert ist, aber gleichzeitig einfach genug, dass die Beteiligten damit arbeiten können. Die Dokumentation muss gepflegt werden, sonst nützt sie nichts. Und sie muss an einem Ort sein, wo die Nachfolger sie auch finden. Die Versuchung ist groß, komplexe Wissensdatenbanken oder KI-Lösungen aufzubauen, aber oft scheitert es dann an der Praktikabilität und der Akzeptanz bei den Nutzern.

Zusammenarbeit und Netzwerkbildung

Die Vernetzung mit anderen Organisationen und Experten spielt eine zentrale Rolle für die erfolgreiche Entwicklung von Wissenstransfer-Prozessen. Die Zusammenarbeit zwischen der DAK-Gesundheit und Sell CT sowie die Einbindung in verschiedene Netzwerke hat wesentlich zur Weiterentwicklung der Methoden beigetragen.

Das Demografienetzwerk in Hamburg mit seiner aktiven Regionalgruppe und der Arbeitsgruppe Qualifizierung und Wissensmanagement war ein wichtiger Anlaufpunkt. Dort wurde der Kontakt zu anderen Organisationen gesucht, die ähnliche Herausforderungen haben. Die Idee ist, dass wenn externe Unterstützung benötigt wird, immer derselbe Prozess erkennbar sein sollte. Die Kunden sollen nicht verwirrt werden durch unterschiedliche Vorgehensweisen.

Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Rentenversicherung über Sell CT ist ein Beispiel für diese Kooperation. Hier wurden verschiedene Prozesse begleitet, die dann zusammengeführt wurden. Ein besonders interessanter Fall war ein Prozess, bei dem eine Person innerhalb der Organisation den Bereich wechselte. Ingo verabschiedete sie im alten Bereich als Wissensgeberin, während der andere Prozessbegleiter sie ab November im neuen Bereich als Wissensnehmerin aufnahm – mit demselben Prozess.

Der Austausch über Corporate Learning Community (lernOS) führte zu wertvollen Kontakten. Simon Dückert, der sich selbst als Erfinder der Wissenstafette bezeichnet, war ein wichtiger Impulsgeber. Über ihn und das SINC-Netzwerk (Social Innovation Community) entstanden weitere Verbindungen. SINC hatte früher auch regionale Gruppen, in Hamburg gab es eine Regionalgruppe Wissenstransfer moderieren, die sich regelmäßig austauschte.

Die Recherche über LinkedIn führte zu weiteren Kontakten und Experten im Bereich Wissensmanagement. Es ist wichtig, sich außerhalb der eigenen Organisation zu verlinken und zu schauen, was es gibt und was andere machen. Der Austausch sollte dabei nicht zu wissenschaftlich sein, sondern praxisorientiert. Es geht darum, von den Erfahrungen anderer zu lernen und bewährte Praktiken zu übernehmen.

Ein wichtiges Anliegen ist die Standardisierung der Vorgehensweise bei gleichzeitiger Flexibilität. Wenn mehrere Organisationen nach ähnlichen Prinzipien arbeiten, können sie sich gegenseitig unterstützen. Wenn eine Organisation keine eigenen Ressourcen für einen Wissenstransfer hat, kann sie auf externe Partner zurückgreifen, die nach demselben Prinzip arbeiten. Das schafft Vertrauen und Kontinuität für die Beteiligten.

Die Regionalgruppe in Hamburg organisiert Treffen und Austausch zum Thema Wissenstransfer. Dort werden gemeinsam Fragenkataloge und Mindmaps erarbeitet, Vorträge gehalten und Erfahrungen geteilt. Diese intensive Zusammenarbeit war sehr wertvoll für die Entwicklung eigener Prozesse und Unterlagen. Der Austausch ist super intensiv und super gut, wie die Referenten betonen.

Wichtig ist auch die Offenheit für Kooperation. Die Referenten ermutigen die Teilnehmenden, Kontakt aufzunehmen, sich zu verlinken über LinkedIn und gegenseitig zu unterstützen. Die Unterlagen und Folien können geteilt werden. Es geht nicht darum, Wissen für sich zu behalten, sondern gemeinsam die Qualität des Wissenstransfers zu verbessern.

Ein interessanter Aspekt ist auch die Zusammenarbeit mit kommunalen Verwaltungen. Im März stehen Kommunalwahlen an, bei denen viele Bürgermeister und Landräte ausscheiden. In kleineren Gebietskörperschaften gibt es oft erhebliche Besetzungsprobleme. Hier könnte ein standardisierter Wissenstransfer-Prozess sehr hilfreich sein, und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Organisationen könnte Ressourcen schonen.

Die Netzwerkbildung umfasst auch die informellen Kontakte innerhalb des Unternehmens. Wer kennt wen? Wer kann bei bestimmten Problemen helfen? Diese Netzwerkkontakte werden im Wissenstransfer-Prozess explizit thematisiert und dokumentiert. Es geht nicht nur um das formale Wissen, sondern auch darum, wer die richtigen Ansprechpartner für bestimmte Fragen sind.

Fazit und Ausblick

Der systematische Wissenstransfer ist eine Führungsaufgabe, die nicht delegiert werden kann. Die Führungskraft muss kontinuierlich das Wissen in ihrem Bereich sichern und kann nicht warten, bis jemand ausscheidet. Dennoch ist die Realität oft anders: Führungskräfte haben das Thema nicht immer auf dem Schirm, es fehlt an Zeit und Ressourcen, und der Wissenstransfer wird erst dann akut, wenn es schon fast zu spät ist.

Die Entwicklung eines standardisierten Prozesses mit einheitlichen Tools und Vorgehensweisen ist ein wichtiger Schritt. Die Kombination aus interner und externer Prozessbegleitung ermöglicht es, flexibel auf unterschiedliche Anforderungen zu reagieren. Einfache, vertraute Dokumentationstools haben sich als praktikabler erwiesen als komplexe Wissensdatenbanken, zumindest als Einstieg.

Die größte Herausforderung bleibt die systematische Identifikation kritischen Wissens und die rechtzeitige Planung von Wissenstransfer-Prozessen. Ein Komplexitätscheck oder ähnliche Bewertungsinstrumente können helfen, Prioritäten zu setzen und Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Die Führungskräfte müssen befähigt werden, diese Einschätzungen vorzunehmen und rechtzeitig zu handeln.

Für die Zukunft steht die Frage im Raum, wie Künstliche Intelligenz beim Wissenstransfer unterstützen kann. Im Moment wird KI vor allem bei der Transkription eingesetzt. Die Referenten sehen Potenzial darin, dass KI bei der Dokumentation helfen könnte, aber betonen gleichzeitig, dass der Mensch-zu-Mensch-Prozess im Vordergrund stehen sollte. Denn Wissenstransfer ist mehr als Informationsübergabe – es geht um Erfahrungswissen, um tacit knowledge, das nur im persönlichen Austausch wirklich übertragen werden kann.

Offene Fragen:

  • Wie kann ein systematischer Prozess etabliert werden, der automatisch alle kritischen Austritte erfasst und rechtzeitig Wissenstransfer-Maßnahmen initiiert?
  • Wie können Führungskräfte besser befähigt werden, kritisches Wissen in ihrem Bereich zu identifizieren und rechtzeitig zu handeln?
  • Welche Rolle kann KI in Zukunft beim Wissenstransfer spielen, ohne den wichtigen Mensch-zu-Mensch-Aspekt zu verlieren?
  • Wie kann verhindert werden, dass in Zeiten kurzfristiger Austritte (drei Monate oder weniger) wertvolles Wissen verloren geht?
  • Wie können Organisationen mit dem Problem umgehen, dass Stellen nicht mehr eins zu eins nachbesetzt werden können und Wissen auf mehrere Personen verteilt werden muss?

Handlungsempfehlungen:

  • Vernetze dich außerhalb deiner Organisation mit anderen, die Wissenstransfer machen – über LinkedIn, Regionalgruppen oder Communities wie lernOS
  • Fange einfach an: Nutze vertraute Tools wie Word oder Excel für die Dokumentation statt komplexe Systeme aufzubauen
  • Entwickle einen Komplexitätscheck oder ein Bewertungssystem, um kritisches Wissen zu identifizieren und Prioritäten zu setzen
  • Etabliere einen standardisierten Prozess, der sowohl intern als auch extern angewendet werden kann
  • Nutze den Wissensbaum als wertschätzendes Tool, um ausscheidende Mitarbeitende zu motivieren
  • Kläre von Anfang an, wer dokumentiert (nicht der Prozessbegleiter, sondern die Fachexperten selbst)
  • Plane mindestens ein Jahr Vorlauf für kritische Wissenstransfers ein
  • Befähige Führungskräfte durch Leitfäden und Checklisten, kritisches Wissen zu erkennen
  • Kombiniere interne und externe Prozessbegleitung je nach Sensibilität und Hierarchieebene
  • Nimm Kontakt mit den Referenten auf, um Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen