Gkc25/Lernen mit Fragen - Präsenztraining mit Chatbots gestalten

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Diese Präsentation stellt einen innovativen didaktischen Ansatz vor, der die Question Formulation Technique (QFT) mit dem gezielten Einsatz von Chatbots kombiniert. Statt klassischer Vorlesungen mit vorgefertigten Skripten werden die Teilnehmenden durch einen strukturierten Fragenfokus dazu angeleitet, eigene Fragen zu formulieren. Diese Fragen werden mithilfe von KI-Tools analysiert, gewichtet und zu Leitfragen verdichtet, die dann die Dramaturgie der gesamten Veranstaltung bestimmen. Der Ansatz verschiebt den Fokus vom reinen Wissensvermittler zum Prozessmoderator und schafft eine völlig neue Lerndynamik, bei der die Interessen der Lernenden im Mittelpunkt stehen.

Hauptthemen der Präsentation:

  1. Die Question Formulation Technique (QFT) als didaktisches Grundprinzip
  2. Der Fragenfokus als zentrales Steuerungselement
  3. Integration von Chatbots zur Fragenanalyse und -verdichtung
  4. Praktische Umsetzung in Vorlesungen und Workshops
  5. Veränderung der Rolle des Lehrenden vom Wissensvermittler zum Moderator
  6. Auswirkungen auf Teilnehmende und Lerndynamik
  7. Prüfungskonzepte und Dokumentation
  8. Herausforderungen und kritische Reflexion

Die Question Formulation Technique (QFT) als didaktisches Grundprinzip

Die Question Formulation Technique ist ein pädagogisches Instrument, das von Roth und Santana entwickelt und 2011 in einem Buch veröffentlicht wurde. Die Methode lässt sich auf Personen jedes Alters und jeder Profession anwenden und unterscheidet sich grundlegend von klassischen Brainstorming-Ansätzen.

Das zentrale Prinzip der QFT besteht darin, dass Fragen nicht frei gestellt werden, sondern zu einem sogenannten Fragenfokus. Dieser Fragenfokus ist kein offenes Thema, sondern ein bewusst formuliertes Statement oder ein präziser Impuls, zu dem Fragen entwickelt werden sollen. Die Formulierung dieses Fragenfokus ist extrem wichtig, da sie steuert, welche Art von Fragen überhaupt provoziert werden.

Die QFT arbeitet mit vier sehr eingängigen Regeln, die dafür sorgen, dass in kürzester Zeit sehr viele Fragen gestellt werden. Eine der wichtigsten Regeln ist, dass keine Fragen vorgegeben werden dürfen. Die Technik unterscheidet sich fundamental davon, einfach zu fragen “Habt ihr irgendwelche Fragen?”, was typischerweise zu großem Schweigen führt.

Ein besonders wichtiger Aspekt der Methode ist die Arbeit mit geschlossenen und offenen Fragen. Die Teilnehmenden lernen, geschlossene Fragen in offene umzuformulieren und umgekehrt. Dadurch verstehen sie, wie unterschiedlich Antworten ausfallen können, je nachdem wie eine Frage formuliert ist. Dies aktiviert kritisches Denken und erhöht die Qualität der Fragen im Zeitverlauf.

Klassischerweise werden nach der Frageformulierung die Fragen priorisiert, weil nicht 500 Fragen beantwortet werden können. Die Priorisierung erfolgt sowohl nach Wichtigkeit als auch nach dramaturgischen Gesichtspunkten. Die Fragen sollen aufeinander aufbauen, damit die Dichte der Informationen und die Plausibilität, wie Dinge zusammenhängen, immer größer wird.

In der ursprünglichen Anwendung wird oft in Kleingruppen gearbeitet, wo die Teilnehmenden die drei wichtigsten Fragen auswählen, mit denen anschließend gearbeitet wird. Diese können dann die Grundlage für Forschungsprojekte oder weiterführende Beschäftigungen mit dem Thema bilden.

Der Fragenfokus als zentrales Steuerungselement

Der Fragenfokus ist das zentrale Steuerungselement der gesamten Methode. Es handelt sich dabei nicht um eine Frage, sondern um ein Statement - typischerweise einen einzelnen Satz, der bestimmte Prozesse auslösen soll, um Fragen zu stellen.

Die Formulierung des Fragenfokus erfordert sehr präzise Überlegungen im Vorfeld. Man muss genau überlegen, was für eine Art von Fragen provoziert werden sollen. Wenn der Fragenfokus falsch formuliert ist, kommen möglicherweise nicht die gewünschten Fragen. Es ist nicht offen im Sinne von “frag doch, was du willst, ich antworte irgendwas”, sondern ein gezieltes Priming.

Ein Beispiel für einen konkreten Fragenfokus aus der Praxis: “Wir sind Kreatoren, Kombinatoren und Koordinatoren.” Dieser Fragenfokus bezieht sich auf ein Kernkonzept und provoziert spezifische Fragen wie: Was ist die Rolle und Definition des Kombinators? Was sind Voraussetzungen und Entwicklungen? Wann macht man eine Demo, wann eine Übung?

Der Fragenfokus kann auch visuell sein. In einem Beispiel wurde ein Bild über Industrialisierung mit Dampfmaschinen verwendet, zu dem die Schüler Fragen stellen sollten. Auch ein Hip-Hop-Song-Text wurde als Fragenfokus eingesetzt, um Themen für Seminare zu finden.

Wichtig ist, dass derjenige, der die Methode anwendet, den Fragenfokus vorgibt und damit den Rahmen bestimmt. Man kann vorher testen, ob ein Fragenfokus funktioniert, indem man ihn anderen vorlegt und prüft, was sie darunter verstehen. Diese Probeschleifen helfen zu erkennen, ob der Fragenfokus die gewünschten Fragen provoziert.

Die Qualität und Ausrichtung der Fragen hängt massiv vom Fragenfokus ab. Macht man ihn offener, geschlossener, provokanter oder einladender, verändert sich die Art der Fragen fundamental. Insofern ist der Fragenfokus das wichtigste Werkzeug, um die gesamte nachfolgende Interaktion zu steuern.

Integration von Chatbots zur Fragenanalyse und -verdichtung

Die Integration von Chatbots in die QFT-Methode ist eine wesentliche Innovation, die den Prozess revolutioniert. Ohne Chatbot ist das Auswerten der vielen Fragen ein Heidenaufwand, der in der Praxis kaum zu bewältigen ist.

Die Fragen werden zunächst digital erfasst, beispielsweise mit MS Forms. Wichtig ist, dass sie digital vorliegen, damit sie in den Chatbot kopiert werden können. In einem konkreten Beispiel wurden in zehn Minuten bei einer Konferenz mit 140 Teilnehmenden 130 Fragen gesammelt.

Der Chatbot übernimmt dann verschiedene Aufgaben. Zunächst werden alle Fragen hochgeladen mit der Anweisung, diese zu analysieren. Der Chatbot kann ähnliche Fragen identifizieren und zusammenfassen. Er formuliert Fragen so um, dass gemeinsame Themen in einer gemeinsamen Frage zusammengefasst werden.

Ein wichtiger Schritt ist die Gewichtung. Bei der Fragenerfassung kann angegeben werden, wie wichtig die Beantwortung einer Frage ist (z.B. auf einer Likert-Skala von 1 bis 4). Der Chatbot sortiert dann die Fragen nach der angegebenen Wichtigkeit und erstellt daraus Leitfragen.

Die Verdichtung von vielen Einzelfragen zu wenigen Leitfragen ist ein zentraler Prozess. Aus beispielsweise 30-40 ursprünglichen Fragen entstehen etwa sechs Leitfragen, die die wichtigsten Themencluster repräsentieren. Diese Leitfragen werden so formuliert, dass möglichst viele ähnliche Fragen dadurch beantwortet werden.

Der Chatbot ermöglicht auch eine dramaturgische Sortierung. Man kann ihn anweisen, die Fragen zusätzlich so zu sortieren, dass grundsätzliche Fragen zuerst beantwortet werden und solche, die bereits Antworten auf weitere Fragen enthalten, später kommen. Dies schafft eine logische Struktur, bei der Einstiegsfragen und Definitionen am Anfang stehen und sich dann komplexere Themen entwickeln.

Wichtig ist, dass man die Prompts für den Chatbot sehr präzise formuliert. Die Prompts sind nicht zufällig, sondern basieren auf Verständnis der Prozesse und sollten in allen Chatbots funktionieren, nicht nur in einer spezifischen Version. Man muss verstehen, wann man welchen Prompt einsetzt und welche Zwischenresultate zu welchen Endergebnissen führen.

Der Chatbot kann auch nachfragen und paraphrasieren. Man kann ihn anweisen zu überprüfen, ob er die Leitfragen richtig verstanden hat, und nochmal genauer hinzuschauen, ob das, was er vorgeschlagen hat, wirklich das Beste ist. Diese iterative Verfeinerung erhöht die Qualität.

Praktische Umsetzung in Vorlesungen und Workshops

Die praktische Umsetzung beginnt damit, dass am Anfang einer Vorlesung oder eines Workshops der Fragenfokus präsentiert wird. Die Teilnehmenden erhalten etwa 10-20 Minuten Zeit, um dazu Fragen zu formulieren. Wichtig ist die Ansage: Stellt dazu Fragen - nicht: Habt ihr irgendwelche Fragen?

Die Fragen werden anonym gestellt, was entscheidend ist. Niemand weiß, welche Frage von wem kommt. Dies bringt auch die ruhigen Stimmen in den Dialog ein, die sich sonst vielleicht gar nicht zu Wort melden würden. Menschen sind plötzlich sichtbar, die sonst vielleicht gar nicht den Mund aufmachen.

Nach der Fragensammlung erfolgt die Live-Analyse mit dem Chatbot. In einem konkreten Beispiel aus einer KI-Vorlesung wurden die Studierenden durch den gesamten Prozess mitgenommen. Sie sahen direkt, wie die Fragen analysiert, gewichtet, geclustert und zu Leitfragen verdichtet werden. Dies zeigt transparent, was dieser Chatbot mit den Interessen von Einzelnen zu tun haben könnte.

Die Analyse dauert etwa 20 Minuten. In dieser Zeit wird der Fragenfokus nochmal erklärt, es wird sichergestellt, dass alle verstanden haben, was ein Fragenfokus ist, und dann wird die Auswertung demonstriert. Die Studierenden gucken dabei zu und erleben, wie mit ihren Fragen gearbeitet wird.

Nach der Analyse steht die Agenda für den Rest der Vorlesung fest. Die Leitfragen werden in einer sinnvollen Reihenfolge bearbeitet, die sowohl inhaltlich als auch dramaturgisch funktioniert. Damit wird die gesamte Zeit optimal ausgenutzt, weil das Wichtigste am Anfang kommt.

Die Beantwortung der Fragen erfolgt dann in verschiedenen Formaten. Der Lehrende kann darauf eingehen, Übungen machen, etwas zeigen, eine Case Study bringen, ein Paper vorstellen - je nachdem, was zur jeweiligen Frage passt. Die Antworten sind nicht vorgefertigt, sondern werden situativ entwickelt.

In einem konkreten Beispiel wurde etwa eine Stunde lang einfach nur Fragen beantwortet. Es wurde mit Demos gearbeitet, mit Übungen, mit Papers, mit allem, was verfügbar war und zur jeweiligen Frage passte. Der Chat-Verlauf dokumentiert dabei den gesamten Prozess.

Die Methode wurde bereits mehrfach erprobt - in Vorlesungen an Fachhochschulen, bei C-Level-Executives, mit Schülern, in Elternbeiräten, auf Konferenzen. Die Altersgruppen reichen von Schülern bis zu Erwachsenen in verschiedensten professionellen Kontexten. Das Prinzip funktioniert überall gleich.

Ein wichtiger Aspekt ist die Wiederholung. Wenn die Methode mehrfach mit derselben Gruppe durchgeführt wird, verändert sich die Qualität der Fragen. Die Teilnehmenden lernen, bessere Fragen zu stellen, und verstehen zunehmend, was es bedeutet, eine gute oder schlechte Frage zu formulieren.

Veränderung der Rolle des Lehrenden vom Wissensvermittler zum Moderator

Die Rolle des Lehrenden verändert sich fundamental. Statt Wissensvermittler zu sein, wird man zum Prozessmoderator. Man muss den Prozess kontrollieren und verstehen, wie man den Chatbot in bestimmten Situationen einsetzt, um die Qualität dessen, was erfasst wird, immer weiter zu erhöhen.

Der Lehrende muss nicht mehr alles wissen, aber er muss den Prozess steuern können. Er entscheidet, wie lange man sich an einer Frage aufhält, wann man eine Frage übergehen sollte, wenn es keine zufriedenstellende Antwort gibt, oder wann man eine Frage anders stellen sollte, weil sie nicht angekommen ist.

Es ist wichtig, dass der Lehrende genug Wissen von einem Thema hat. Wenn er etwas nicht weiß, kann er das transparent machen und sagen: Das ist eine gute Frage, da muss ich mich noch erkundigen, oder: Dazu recherchieren wir jetzt gemeinsam. Diese Ehrlichkeit ist wichtiger als der Anschein, alles beantworten zu können.

Die neue Rolle erfordert die Bereitschaft zu improvisieren. Man kann sich nicht sklavisch an irgendwas halten, sondern muss flexibel reagieren auf das, was kommt. Es braucht ein Verständnis davon, wovon man redet, und was man zu erzählen hat, aber keine vollständig ausgearbeiteten Foliensätze.

Der Lehrende wird zum Kombinator. Er kombiniert die Impulse, die von außen kommen, mit dem Material, das er zur Verfügung hat. Er muss verstehen, welches Material zu welcher Frage passt, und dieses im richtigen Moment einsetzen können. Dafür ist eine gut organisierte Referenzdatenbank hilfreich.

Wichtig ist auch die Fähigkeit, auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig zu arbeiten. Man beantwortet nicht nur Fragen, sondern reflektiert ständig: Ist es klug, an dieser Stelle im Chatbot genau diesen Prompt einzugeben? Wie nehme ich die Gruppe wahr? Funktioniert die Dramaturgie? Muss ich etwas anpassen?

Die persönliche, emotionale, mentale Ebene bleibt wichtig. Es geht nicht nur darum, technisch Fragen zu beantworten, sondern darum, ein Gefühl dafür zu haben, wie weit man in ein Thema reingeht, wie viel man erzählt, wann man zur nächsten Frage übergeht. Diese Intuition ist durch keine KI ersetzbar.

Der Lehrende muss bereit sein, seine Sicherheiten aufzugeben. Die Sicherheit, die ein vorbereiteter Foliensatz bietet, existiert nicht mehr. Stattdessen gibt es die Sicherheit, dass man auf die tatsächlichen Interessen der Teilnehmenden eingeht und diese ernst nimmt.

Auswirkungen auf Teilnehmende und Lerndynamik

Die Auswirkungen auf die Teilnehmenden sind bemerkenswert. Plötzlich sind alle wach, weil ihre Fragen beantwortet werden und nicht das, was der Lehrende hofft, was sie interessieren könnte. Es geht endlich darum, was jemand will, nicht nur darum, was der Lehrende loswerden möchte.

Die Energie im Raum verändert sich fundamental. Die Teilnehmenden docken anders an, als sie es sonst täten. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden hat in den erprobten Fällen anders angedockt als sie es in klassischen Vorlesungen getan hätten. Sie öffnen sich mehr und bringen sich anders ein.

Ein zentraler Effekt ist, dass niemand mehr fragt: Ist das prüfungsrelevant? Die Teilnehmenden müssen die Fragen mit den Antworten ernst nehmen, weil es ihre eigenen Fragen sind. Es entsteht eine völlig andere Art von Aufmerksamkeit und Engagement.

Die anonyme Fragenstellung hat besondere Vorteile. Auch sehr persönliche Fragen werden gestellt, die sonst vielleicht nicht geäußert würden. Menschen, die sich normalerweise nicht trauen, vor einer Gruppe zu sprechen, können sich einbringen. Das schafft eine demokratischere Form des Lernens.

Interessant ist, dass die Teilnehmenden sehr froh darüber sind, dass es kein klassisches Skript gibt. Sie haben mehrfach rückgemeldet, wie sehr sie es schätzen, dass hier mal jemand auf ihre tatsächlichen Fragen eingeht, statt einfach Inhalte abzuspulen.

Die Lerndynamik wird erfahrungsbasierter. Statt passiv Informationen zu konsumieren, sind die Teilnehmenden aktiv am Prozess beteiligt. Sie lernen nicht nur Inhalte, sondern auch, wie man gute Fragen stellt - eine Kompetenz, die in einer KI-dominierten Zukunft zentral sein wird.

Nach mehrfacher Anwendung der Methode entwickelt sich die Qualität der Fragen weiter. Die Teilnehmenden verstehen zunehmend, was eine gute von einer schlechten Frage unterscheidet. Sie lernen, dass sie ganz andere Antworten bekommen, wenn sie Fragen anders formulieren.

Es entsteht ein anderes Verhältnis zum Lernstoff. Die Teilnehmenden fragen sich nicht mehr, ob sie etwas durchlesen müssen, sondern sie wollen das Material haben, weil es auf ihre Fragen eingeht. Das Material ist nicht mehr etwas, das durchgearbeitet werden muss, sondern etwas, das hilft, die eigenen Fragen zu beantworten.

Prüfungskonzepte und Dokumentation

Das Prüfungskonzept passt sich der veränderten Methodik an. Die Prüfung enthält mindestens 10-20 Prozent Abschnitte, in denen geprüft wird, ob die Studierenden gute Fragen stellen können. Dies unterstreicht die Wichtigkeit dieser Kompetenz und macht deutlich, dass die Fähigkeit, Fragen zu stellen, genauso wichtig ist wie die Fähigkeit, Antworten zu geben.

Die Prüfungsfragen werden aus dem Material zusammengestellt, das im Verlauf der Veranstaltung entstanden ist. Es ist nicht mehr ein vorgefertigtes Skript, das abgeprüft wird, sondern das tatsächlich bearbeitete Material bildet die Grundlage. Dies schafft Transparenz und Fairness.

Es werden verschiedene Abfragetechniken eingesetzt - Multiple Choice, halb schriftlich, halb online mit Ankreuzen. Die Vielfalt der Formate berücksichtigt, dass Wissen auf unterschiedliche Weise abgerufen werden kann.

Die Dokumentation erfolgt auf mehreren Ebenen. Der gesamte Chat-Verlauf steht den Teilnehmenden zur Verfügung. Darin ist dokumentiert, welche Fragen gestellt wurden und wie diese beantwortet wurden. Dieser Chat-Verlauf ist selbst bereits wertvolles Lernmaterial.

Zusätzlich gibt es kuratiertes Material - Papers, Buchkapitel, Blogposts - die auf die Fragen eingehen, die im Chat beantwortet wurden. Dieses Material ist nicht vorgefertigt, sondern wird basierend auf den tatsächlich gestellten Fragen zusammengestellt.

Am Ende wird der Chatbot genutzt, um eine Zusammenfassung zu erstellen. Diese fasst die wichtigsten Punkte zusammen und zeigt, welche Aspekte behandelt wurden. Der Chatbot kann auch aufzeigen, welche Lücken geblieben sind - was hätte besprochen werden müssen, aber nicht besprochen wurde.

Es entstehen keine klassischen Skripte mehr, sondern lesbare Texte, Papers und Dokumentationen, die sich direkt auf die behandelten Fragen beziehen. Diese haben eine andere Qualität als vorgefertigte Skripte, weil sie aus dem tatsächlichen Lernprozess entstanden sind.

Die Dokumentation hat auch eine zeitliche Dimension. Da sich gerade im KI-Bereich ständig Dinge ändern, ist es unmöglich, ein Skript zu schreiben, das auch nur ein Semester aktuell bleibt. Die neue Methode erlaubt es, von einer Vorlesung zur anderen Neuigkeiten einzubauen, die relevant sind.

Herausforderungen und kritische Reflexion

Eine zentrale Herausforderung ist die Unsicherheit. Man weiß vorher nicht, welche Fragen kommen werden. Man kann nicht auf vorbereitete Foliensätze zurückgreifen, die Sicherheit bieten. Man muss das Risiko eingehen, sich auf einen offenen Prozess einzulassen.

Die größte Sorge ist, nicht fertig zu werden. Selbst wenn man durch Leitfragen verdichtet hat, besteht die Gefahr, dass man trotzdem nicht alle wichtigen Punkte behandeln kann. Man muss damit umgehen können, dass möglicherweise etwas übrig bleibt, das wichtig gewesen wäre.

Es erfordert eine gewisse Grundausstattung an Wissen. Man muss genug vom Thema verstehen, um auf verschiedene Fragen eingehen zu können. Gleichzeitig muss man bereit sein zuzugeben, wenn man etwas nicht weiß, und damit konstruktiv umzugehen.

Die technische Infrastruktur muss funktionieren. Man braucht eine zuverlässige Möglichkeit, Fragen digital zu erfassen. Man braucht Zugang zum Chatbot, der funktionieren muss. Bei hoher Nutzung können Token-Limits erreicht werden, was die Arbeit unterbrechen kann.

Es gibt Fragen zur Übertragbarkeit. Funktioniert die Methode nur bei bestimmten Themen? Nur bei KI-Vorlesungen, wo die Teilnehmenden ohnehin aufgeschlossen sind? Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass das Prinzip überall funktioniert - von Schülern bis zu C-Level-Executives, von technischen bis zu anderen Themen.

Die Rolle des Fragenfokus ist kritisch. Wenn der Fragenfokus schlecht gewählt ist, kommen möglicherweise Fragen, mit denen man nichts anfangen kann. Es braucht Übung und Erfahrung, um gute Fragenfoki zu entwickeln, die die gewünschten Fragen provozieren.

Es gibt die Gefahr, dass man zu viel an den Chatbot abgibt. Wichtig ist zu verstehen, wann man den Chatbot einsetzt und wann nicht, wo er die Qualität steigert und wo die persönliche Ebene wichtiger ist. Das Expert Debriefing mit seiner persönlichen, emotionalen, mentalen Ebene lässt sich nicht vollständig durch einen Chatbot ersetzen.

Die Versionen der KI-Tools ändern sich ständig. Ein Prompt, der heute funktioniert, funktioniert morgen möglicherweise anders, wenn eine neue Version released wird. Die Frage ist, ob die Prinzipien des Promptens auch in 5-10 Jahren relevant sein werden, oder ob man ständig neu lernen muss.

Es stellt sich die Frage der Dokumentation für den Lehrenden selbst. Wie speichert man das ab, was entstanden ist? Normalerweise hat man Foliensätze, die man archiviert. Hier braucht es neue Formen der persönlichen Wissensorganisation.

Fazit und Ausblick

Die Kombination von Question Formulation Technique und Chatbots eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die Gestaltung von Lernprozessen. Sie verschiebt den Fokus vom Wissensvermittler zum Prozessmoderator und stellt die Fragen und Interessen der Lernenden in den Mittelpunkt.

Die Methode funktioniert nicht durch Zufall, sondern durch das Verständnis der Prinzipien - wie formuliert man einen wirksamen Fragenfokus, wie steuert man den Prozess, wie setzt man den Chatbot gezielt ein. Diese Prinzipien sind erlernbar und übertragbar auf verschiedenste Kontexte.

Die Zukunft wird darin bestehen, die besten Fragen zu stellen, nicht die besten Antworten zu kennen. Mit Chatbots werden wir Kombinatoren - wir kombinieren die Fähigkeit, gute Fragen zu stellen, mit der Fähigkeit der KI, Informationen zu verarbeiten und zu strukturieren. Das wird die Kunst sein.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Methode die Lerndynamik fundamental verändert. Teilnehmende sind wacher, engagierter und docken anders an den Lernstoff an. Sie entwickeln nicht nur Fachwissen, sondern auch die Kompetenz, kritisch zu denken und systematisch zu fragen.

Offene Fragen:

  • Wie lässt sich die Methode auf sehr große Gruppen skalieren?
  • Wie entwickelt man systematisch gute Fragenfoki für verschiedene Themen?
  • Wie dokumentiert man als Lehrender die entstandenen Lernprozesse für sich selbst?
  • Wie verhindert man, dass wichtige Grundlagen übersehen werden, wenn die Fragen in eine ganz andere Richtung gehen?
  • Wie entwickeln sich Prompting-Strategien weiter, wenn sich KI-Tools ständig verändern?

Handlungsempfehlungen:

  • Probiere die Methode aus, auch wenn es zunächst unsicher erscheint - die Erfahrungen sind durchweg positiv
  • Investiere Zeit in die Entwicklung guter Fragenfoki und teste diese vorher mit anderen
  • Baue dir eine gut strukturierte Referenzdatenbank auf, aus der du schnell Material zu verschiedenen Themen abrufen kannst
  • Sei bereit zu improvisieren und Sicherheiten aufzugeben - vertraue darauf, dass der Prozess funktioniert
  • Nutze den Chatbot gezielt für die Analyse und Verdichtung, aber gib die persönliche Ebene der Interaktion nicht auf
  • Prüfe nicht nur Inhalte, sondern auch die Fähigkeit, gute Fragen zu stellen - das ist die zentrale Kompetenz der Zukunft
  • Lies “Make Just One Change” von Roth und Santana, um die Grundlagen der QFT zu verstehen
  • Gib den Teilnehmenden Raum, durch Wiederholung ihre Fragekompetenz weiterzuentwickeln
  • Dokumentiere den Prozess transparent und stelle das entstandene Material zur Verfügung
  • Verstehe, dass jede Session anders sein wird - und dass das ein Vorteil ist, kein Nachteil